BFH Beschluss v. - IV S 6/02

Gründe

Die Antragstellerin begehrt für die Erhebung einer außerordentlichen Beschwerde gegen einen Beschluss des Finanzgerichts (FG) die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) und die Beiordnung eines Notanwalts. Zu den Gründen für die beabsichtigte Beschwerde wird auf den Tatbestand des Senatsbeschlusses vom heutigen Tag unter dem Az. IV B…Bezug genommen.

Zur Begründung des Antrags auf Beiordnung eines Notanwalts trägt die Antragstellerin vor, sechs namentlich genannte Rechtsanwälte bzw. Steuerberater hätten die Bearbeitung ihrer Angelegenheit abgelehnt. Die zuletzt von ihr beauftragte Rechtsanwältin B hätte sich wegen Betrugs und Beihilfe zur Rechtsbeugung zu verantworten.

Sowohl der Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts als auch der Antrag auf Gewährung von PKH sind unbegründet.

1. Nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 78b der Zivilprozessordnung (ZPO) hat das Prozessgericht einem Beteiligten auf seinen Antrag für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung seiner Rechte beizuordnen, soweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, der Beteiligte einen zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint (sog. Notanwalt). Diese Regelung findet für Verfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH) Anwendung, soweit dort Vertretungszwang nach § 62a FGO besteht.

a) Für die Erhebung der von der Antragstellerin beabsichtigten außerordentlichen Beschwerde besteht ein Vertretungszwang vor dem BFH. Die von der Antragstellerin persönlich erhobene Beschwerde hat der Senat deshalb mit Beschluss vom heutigen Tag IV B ... als unzulässig verworfen. Das Gesuch auf Beiordnung eines Notanwalts ist danach statthaft.

b) Es ist jedoch unbegründet, weil die Rechtsverfolgung aussichtslos erscheint.

Nach § 128 Abs. 3 Satz 1 FGO steht den Beteiligten die Beschwerde gegen die Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung gemäß § 69 Abs. 3 und 5 FGO nur zu, wenn sie in der Entscheidung zugelassen worden ist. Das FG hat die Beschwerde nicht zugelassen; es hat vielmehr ausdrücklich auf die Unanfechtbarkeit des Beschlusses hingewiesen.

Soweit sich die von der Antragstellerin beabsichtigte außerordentliche Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Beschwerde richten sollte, wäre sie nicht statthaft, weil ein derartiges Rechtsmittel von der FGO nicht vorgesehen ist. Im Unterschied zur Nichtzulassung der Revision gibt es kein eigenständiges Verfahren zur Prüfung der Voraussetzungen für die Zulassung der Beschwerde. Insbesondere ergibt sich ein solches Verfahren nicht aus dem Verweis auf § 115 Abs. 2 FGO in § 128 Abs. 3 Satz 2 FGO (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom IV B 61/97, BFH/NV 1998, 344, m.w.N.). Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) bestehen gegen diese Regelung auch keine verfassungsmäßigen Bedenken (Beschluss vom 2 BvR 502/77, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Gesetz zur Entlastung des Bundesfinanzhofs, Rechtsspruch 39).

Auch eine außerordentliche Beschwerde wegen so genannter greifbarer Gesetzeswidrigkeit ist im Streitfall nicht gegeben.

Die Statthaftigkeit eines solchen, in der FGO nicht vorgesehenen Rechtsbehelfs hat die Rechtsprechung ausnahmsweise für Sonderfälle greifbarer Gesetzeswidrigkeit in Erwägung gezogen, d.h. für Fälle, in denen die erstinstanzliche Entscheidung jeglicher Grundlage entbehrt und damit eine nicht hinnehmbare Gesetzeswidrigkeit zur Folge hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom IV B 98/00, BFH/NV 2001, 332, und vom IV B 135/90, BFH/NV 1992, 509). Der kraft Gesetzes unanfechtbare Beschluss muss demgemäß unter schwerwiegender Verletzung von Verfahrensvorschriften zustande gekommen sein oder auf einer Gesetzesauslegung beruhen, die offensichtlich dem Wortlaut und dem Zweck des Gesetzes widerspricht und die eine Gesetzesanwendung zur Folge hat, die durch das Gesetz ersichtlich ausgeschlossen werden sollte (, BFH/NV 1995, 791, m.w.N.).

Es kann dahinstehen, ob seit Einfügung des § 321a in die ZPO eine außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit überhaupt noch statthaft sein kann (vgl. Senatsbeschluss vom IV B 108/02, nicht veröffentlicht, juris). Denn die Antragstellerin trägt bereits einen außergewöhnlichen und schwerwiegenden Rechtsverstoß im Sinne der bisherigen Rechtsprechung nicht schlüssig vor. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs eröffnete nämlich auch bislang den außerordentlichen Beschwerdeweg nicht (, BFHE 122, 256, BStBl II 1977, 628; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 128 Rz. 16).

Eine Beschwerde gegen den Beschluss des FG kann danach schon prozessrechtlich unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Erfolg haben. Darüber hinaus erweist sich die Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung auch in der Sache als unzweifelhaft richtig. Nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Einkommensteuerbescheids 1998 kann eine Aussetzung der Vollziehung nach § 69 FGO nicht mehr gewährt werden.

2. Nach § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 ZPO erhält ein Prozessbeteiligter bei Vorliegen bestimmter persönlicher Voraussetzungen PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussichten liegen dann vor, wenn bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Eintritt des Erfolges spricht (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 142 Rz. 11, m.w.N.). Eine derartige Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg der beabsichtigten außerordentlichen Beschwerde besteht nach den vorstehenden Ausführungen jedoch nicht. Die sachlichen Voraussetzungen für eine Gewährung von PKH sind danach nicht erfüllt.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 322
BFH/NV 2003 S. 322 Nr. 3
FAAAA-70504