Steuerfreie Entnahme einer Wohnung im Erdgeschoss und der als Nebenräume genutzten, noch nicht ausgebauten Räume im Untergeschoss durch alleinstehenden Landwirt
Gesetze: EStG § 13 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 15
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist bilanzierender Landwirt. Er lebt seit 1986 dauernd getrennt von seiner Ehefrau und wird als Einzelperson zur Einkommensteuer veranlagt. In den Jahren 1972 und 1973 genehmigte ihm die zuständige Behörde den Neubau eines Wohnhauses mit Einliegerwohnung. Die Wohnung im Erdgeschoss (138 qm; Baujahr 1973) nutzte der Kläger seit 1974 selbst; die Wohnung im Untergeschoss (105 qm) wurde zunächst nicht ausgebaut, sondern erst zum fertig gestellt und vermietet. Das gesamte Gebäude war von Anfang an als Betriebsvermögen bilanziert.
Für das Streitjahr 1990 wurde der Kläger erklärungsgemäß veranlagt. Mit dem Einspruch (Schreiben vom ) wählte er die Nutzungswertbesteuerung rückwirkend zum ab und beantragte, den für das ganze Wohnhaus anfallenden Gewinn gemäß § 52 Abs. 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei zu belassen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) stellte in einem Änderungsbescheid nur den auf die Erdgeschosswohnung entfallenden Gewinn steuerfrei. Die auf die Wohnung im Untergeschoss entfallenden Aufwendungen und Einnahmen erfasste das FA bei der Gewinnermittlung; auch versagte es die beantragte Abschreibung nach § 7c EStG.
Mit dem Einspruch gegen den Änderungsbescheid 1990 und den erstmalig ergangenen Einkommensteuerbescheid 1991 hielt der Kläger an seinem Begehren fest. Er brachte u.a. vor, die Absetzung für Abnutzung (AfA) nach § 7c EStG sei zu gewähren, weil der Umbau erst nach dem begonnen worden sei. Das FA, das die angefochtenen Einkommensteuerbescheide aus hier nicht interessierenden Gründen geändert hatte, wies die Einsprüche in vollem Umfang zurück (Einspruchsentscheidungen vom ). Es führte aus, der Kläger habe zwar die Nutzungswertbesteuerung für die Wohnung im Erdgeschoss rückwirkend zum gewählten Zeitpunkt —steuerfrei— abwählen können, weil er dort bis 1986 mit seiner Familie und anschließend allein gewohnt habe. Das gelte aber nicht für die zweite Wohnung. Diese habe als gewillkürtes Betriebsvermögen nur durch eine ausdrückliche Entnahmehandlung entnommen werden können. Die mit dem Schreiben vom dokumentierte Entnahme wirke jedoch nicht zurück.
Mit der Klage machte der Kläger geltend, die Abwahl der Nutzungswertbesteuerung habe die Räume im Untergeschoss miterfasst. Er selbst habe diese Räume noch zum als Keller-, Vorrats- und Hobbyraum sowie als Abstellfläche genutzt. Sie seien noch nicht als Wohnraum ausgebaut gewesen.
Die während des Klageverfahrens wegen der erhöhten Kinderfreibeträge ergangenen Änderungsbescheide erklärte der Kläger zum Gegenstand des Verfahrens.
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
Er beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer 1990 auf ... DM sowie die Einkommensteuer 1991 auf ... DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht (FG) zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Nach den vom FG getroffenen Feststellungen lässt sich noch nicht abschließend entscheiden, ob der Kläger die Räume im Untergeschoss des Wohnhauses zum als Nebenräume zur im Erdgeschoss befindlichen Wohnung genutzt hat.
1. Zu Recht ist die Vorinstanz davon ausgegangen, dass ein Land- und Forstwirt gemäß § 52 Abs. 15 EStG a.F. die Nutzungswertbesteuerung noch nachträglich für einen bereits abgelaufenen Veranlagungszeitraum abwählen kann (Senatsurteil vom IV R 22/00, BFHE 196, 559, BStBl II 2001, 762). Im Streitfall war dies mit Wirkung für die Streitjahre (1990 und 1991) noch zum möglich, weil die Einkommensteuerbescheide 1990 und 1991 noch nicht bestandskräftig waren.
2. a) Durch Urteil vom IV R 20/00 (BFHE 198, 446, BFH/NV 2002, 856) hat der erkennende Senat bereits entschieden, dass eine Wohnung selbst dann steuerfrei entnommen werden kann, wenn sie erst nach dem durch die Zusammenlegung mit einer anderen, am Stichtag bereits bestehenden Wohnung wesentlich vergrößert und umgestaltet worden ist. Voraussetzung ist allerdings, dass diese Wohnung die für den Ansatz des Nutzungswerts bei Betrieben gleicher Art übliche Größe nicht überschreitet (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 EStG a.F.), die Nutzfläche um nicht mehr als 50 v.H. vergrößert wird und das Gesamtgebilde nicht durch die neuen Teile geprägt wird (vgl. zum Fall der Erweiterung auf das Doppelte das , BFHE 177, 99, BStBl II 1995, 412). Auch die derart umgestaltete Wohnung ist noch —wie erforderlich— mit der ursprünglichen, am Stichtag () vom Land- und Forstwirt und seinen Angehörigen oder von den Altenteilern innegehabten Wohnung wirtschaftlich identisch. Der von § 52 Abs. 15 EStG a.F. vorausgesetzte Wohnungsbegriff ist insoweit nicht statisch, so dass die zum Stichtag innegehabte Wohnung umgestaltet, verkleinert oder vergrößert werden kann. Denn für den Umfang der Steuerfreiheit sind die Verhältnisse bei Wegfall der Nutzungswertbesteuerung maßgebend (Giere in Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, 3. Aufl., A 174 d; Leingärtner/ Kanzler, Besteuerung der Landwirte, Kap. 17 Rz. 75 und 76; Kleeberg in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 13 Rdnr. D 32). Allerdings kann die ursprünglich innegehabte Wohnung nicht gegen eine andere, und zwar auch nicht im selben Haus, ausgetauscht werden (vgl. , BFHE 177, 373, BStBl II 1995, 535, und vom IX R 44/96, BFH/NV 1998, 847).
b) Die Vorinstanz hat unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BFH (, BFH/NV 1998, 827, und vom IV R 6/98, BFH/NV 1999, 175, sowie , BFHE 192, 457, BStBl II 2001, 275) zwar zu Recht angenommen, grundsätzlich sei nur eine einzige, und zwar die vom Steuerpflichtigen genutzte Wohnung begünstigt. Daraus folgt aber nicht zwangsläufig, dass die steuerfreie Entnahme der —zum Betriebsvermögen gehörenden— Räume im Untergeschoss ausgeschlossen ist, weil der Kläger nur die im Erdgeschoss befindliche Wohnung steuerfrei entnehmen könnte. Nach den eigenen Feststellungen des FG wurden diese Räume im Untergeschoss nämlich erst zum als Wohnung fertiggestellt und vermietet. Damit sachlich übereinstimmend hat das FA —in den Einspruchsentscheidungen— außerdem festgestellt, dass die baurechtlich an sich mögliche Wohnung zunächst noch nicht ausgebaut worden war. Es ist daher keinesfalls ausgeschlossen, dass der Kläger bis ins Jahr 1986 mit seiner Familie die Erdgeschosswohnung —wie vom FA festgestellt— und zusätzlich die noch nicht ausgebauten Räume im Untergeschoss als Nebenräume zu seiner Hauptwohnung genutzt hat.
c) Zu Recht macht der Kläger darauf aufmerksam, dass § 52 Abs. 15 EStG a.F. den möglichen Umfang der steuerfrei zu entnehmenden Wohnung nicht ausdrücklich regelt. Diese Vorschrift setzt jedoch den Nutzungswert und damit die Regelung des § 13 Abs. 2 Nr. 2 EStG a.F. (zu Wohnungen in Baudenkmälern § 13 Abs. 2 Nr. 2 EStG n.F.) voraus. Die bei Betrieben gleicher Art übliche Größe der Wohnung begrenzt somit die denkbare Steuerfreiheit (vgl. Senatsurteil in BFHE 198, 446, BFH/NV 2002, 856). Maßgebend sind damit nicht die individuellen Verhältnisse des jeweiligen Steuerpflichtigen (Alleinstehender). Die tatsächlich innegehabte Wohnung muss also nicht dessen Wohnerfordernissen angepasst und angemessen sein, sondern typisch für vergleichbare andere Betriebe, zumal die Zahl der tatsächlich dort Wohnenden selbst kurzzeitig stark wechseln kann. Erfahrungsgemäß waren die Wohnhäuser der meisten Land- und Forstwirte groß, weil sie den Steuerpflichtigen, seine Familie und auch andere, familienfremde Personen aufnehmen mussten. Auch diese gehörten zum Haushalt des Land- und Forstwirts und wurden mitverpflegt. Ein Alleinstehender —wie der Kläger— benötigt zwar üblicherweise eine weniger große Wohnung als eine mehrköpfige Familie. Hatte er aber zum Stichtag mit seiner noch intakten Familie noch das für vergleichbare Betriebe übliche Haus mit allen Räumen und Nebenräumen bewohnt und nutzt er es nun allein, so bleibt auch der Entnahmegewinn für das gesamte Haus steuerfrei.
Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass eine Wohnung i.S. von § 52 Abs. 15 EStG a.F. nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats einerseits sämtliche zur Führung eines selbständigen Haushalts erforderlichen Räume, also eine Küche oder Kochgelegenheit, ein Bad oder eine Dusche und eine Toilette aufweisen, aber andererseits nicht wie im Bewertungsrecht das Erfordernis der Abgeschlossenheit erfüllen muss (Senatsurteil vom IV R 82/95, BFH/NV 1997, 101). Zu einer solchen Wohneinheit gehören ferner die vom einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang erfassten Keller- und Abstellräume außerhalb der eigentlichen Wohnung (vgl. , BFHE 138, 23, BStBl II 1983, 364, und vom III R 73/80, BFHE 140, 295, BStBl II 1984, 292; Leingärtner/Kanzler, a.a.O., Kap. 17 Rz. 91). Für die Berechnung des Nutzungswertes bleiben diese —nicht zu Wohnzwecken ausgebauten— Zubehörräume indes außer Ansatz (, BFH/NV 1995, 543, und vom IX R 52/94, BFHE 184, 346, BStBl II 1997, 818).
3. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat angenommen, dass die Räume im Untergeschoss nicht als Nebenräume zu der vom Kläger genutzten Wohnung im Erdgeschoss angesehen werden könnten, obwohl es selbst festgestellt hatte, dass diese Räume erst zum als Wohnung fertiggestellt worden waren. Diese Würdigungen und Feststellungen des Sachverhalts sind nicht widerspruchsfrei und können den erkennenden Senat damit nicht binden. Ferner durfte das FG aus dem Umstand, dass der Kläger angeblich nur den Nutzungswert für die Wohnung im Erdgeschoss versteuert hatte, nicht schließen, dass er auch nur diese Räume genutzt hatte. Auch folgt daraus, dass der Kläger ausweislich der beigezogenen Bauakte ein Wohnhaus mit zwei Wohnungen errichten durfte, nicht, dass die Wohnung im Untergeschoss —entgegen den ausdrücklichen Feststellungen des FG— bereits vor dem vermietbar war. Schließlich hat das FG —insoweit folgerichtig— keine Feststellungen zu den begehrten Abschreibungen nach § 7c EStG getroffen und zudem Einnahmen und Aufwendungen betreffend die Wohnung im Untergeschoss nicht bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, sondern bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft berücksichtigt.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 1552
BFH/NV 2003 S. 1552 Nr. 12
RAAAA-70484