Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb im Januar 1998 eine Eigentumswohnung. Sie nutzte die Wohnung ab dem zu eigenen Wohnzwecken. In dem vor 1935 erbauten Anwesen befanden sich vor der Sanierung ehemalige Wohnungen der Sowjetischen Armee. Es bestand aus dem Erdgeschoss und drei Vollgeschossen. Im Rahmen der Sanierung wurde das bisherige Flachdach entfernt und durch Errichtung eines ausgebauten Satteldaches zusätzlich ein Dachgeschoss auf den Wohnblock aufgesetzt. Nach der Baubeschreibung wurde die vorhandene Bausubstanz (Außenwände, tragende Innenwände, Treppenhaus usw.) nicht verändert. Ferner ist angegeben, alle nichttragenden Innenwände würden entfernt, so dass lediglich die konstruktiv erforderlichen Wände bestehen blieben. Der Architekt erklärte, von der vorhandenen Bausubstanz seien das Dachgeschoss, die Balkone, die nichttragenden Zwischenwände, die Fenster und Türen, die Installationen, der Estrich, der Putz und andere wesentliche Bauteile komplett erneuert worden.
Im Antrag auf Eigenheimzulage begehrte die Klägerin einen Fördergrundbetrag in Höhe von 5 000 DM für die Herstellung einer Wohnung sowie eine Kinderzulage. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) gewährte dagegen nur den Fördergrundbetrag für die Anschaffung einer Altbauwohnung und setzte Eigenheimzulage für die Jahre 1998 bis 2005 nur in Höhe von jährlich 4 000 DM fest. Den Fördergrundbetrag berechnete das FA mit jeweils 2,5 % der Bemessungsgrundlage, höchstens 2 500 DM, die Kinderzulage mit 1 500 DM.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war wie das FA der Auffassung, durch die Baumaßnahmen sei keine neue Wohnung hergestellt worden. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 914 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie trägt vor, die vorhandene Bausubstanz sei so durchgreifend umgestaltet worden, dass die neuen Teile der Wohnung das Gepräge gäben. Lediglich das reine Baugerippe ohne Innen- und Außenputz, Isolierungen, Installationen und ohne Dach sei stehen geblieben. Durch den Umbau sei ein Gebäude völlig neuer Prägung entstanden. Bei einer Erneuerung der Bausubstanz von 90 bis 95 % liege ein Neubau vor.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und eine Eigenheimzulage in Höhe von 5 000 DM zu gewähren.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet.
Das FG hat zutreffend entschieden, dass der Klägerin keine Eigenheimzulage für die Herstellung einer Wohnung, sondern nur die niedrigere Zulage für die Anschaffung einer Wohnung in einem ”Altbau” zusteht.
Nach § 2 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 2 Satz 1 des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG) i.d.F. für das Streitjahr 1998 wird für die Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung jährlich ein Fördergrundbetrag in Höhe von 5 % der Bemessungsgrundlage, höchstens 5 000 DM, gewährt. Bei Anschaffung der Wohnung nach Ablauf des zweiten auf das Jahr der Herstellung folgenden Jahres beträgt der Fördergrundbetrag jährlich nur 2,5 % der Bemessungsgrundlage, höchstens 2 500 DM (§ 9 Abs. 2 Satz 2 EigZulG).
a) Herstellen einer Wohnung i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 EigZulG bedeutet nach der ständigen, insoweit auch im Eigenheimzulagenrecht weiter einschlägigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu § 10e Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes, die mit der Entscheidung vom X R 36/99 (BFH/NV 2002, 1158) nochmals konkretisiert worden ist, das Schaffen einer neuen, bisher nicht vorhandenen Wohnung (Senatsurteil vom III R 53/00, BFH/NV 2003, 972). Baumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude können deshalb nur dann als Herstellung einer Wohnung beurteilt werden, wenn die Baumaßnahmen einem Neubau gleichkommen, d.h. die Wohnung muss bautechnisch neu sein. Bautechnisch neu bedeutet, dass das Gebäude in seiner wesentlichen Substanz verändert wird, so dass die neu eingefügten Gebäudeteile dem Gesamtgebäude das bautechnische Gepräge eines neuen Gebäudes geben und die verwendeten Altteile wertmäßig untergeordnet erscheinen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn verbrauchte Teile ersetzt werden, die für die Nutzungsdauer bestimmend sind, wie z.B. Geschossdecken, die Dachkonstruktion, Fundamente oder tragende Außen- und Innenwände. Wird hingegen nur ein für die Nutzungsdauer bestimmender Gebäudeteil erneuert, so reicht dies in der Regel für die Beurteilung als bautechnisch neues Gebäude nicht aus (Senatsurteil in BFH/NV 2003, 972, unter Hinweis auf die , BFH/NV 2000, 186, und vom IX R 61/95, BFHE 187, 431, BStBl II 1999, 282, unter 1. a, m.w.N.).
Instandsetzung, Renovierung und Modernisierung eines Gebäudes führen ebenso wenig zur Neuherstellung wie die so genannte ”Generalüberholung”. Dieser Begriff hat nach der neueren Rechtsprechung des BFH keine eigenständige steuerrechtliche Bedeutung, sondern umschreibt lediglich in tatsächlicher Hinsicht den Vorgang umfangreicher Instandsetzungsarbeiten (Senatsurteil in BFH/NV 2003, 972, unter Hinweis auf die , BFHE 177, 454, BStBl II 1996, 632, unter I. 4. a; vom X R 54/96, BFH/NV 1998, 841, und in BFH/NV 2002, 1158, 1159).
Nur wenn ein Gebäude infolge Abnutzung unbrauchbar geworden ist (Vollverschleiß), wird durch die Instandsetzungsarbeiten unter Verwendung der übrigen noch nutzbaren Teile ein neues Wirtschaftsgut hergestellt. Unbrauchbar im Sinne eines Vollverschleißes ist nach dem BFH-Urteil in BFH/NV 2002, 1158 (m.w.N.) ein Gebäude erst bei schweren Substanzschäden an den für die Nutzbarkeit als Bau und die Nutzungsdauer des Gebäudes bestimmenden Teilen. Die grundlegende Sanierung reicht nicht aus. Die Altbausubstanz muss tiefgreifend umgestaltet worden sein, die neu eingefügten Gebäudeteile müssen der entstandenen Wohnung das Gepräge geben und die verwendeten Altteile wertmäßig untergeordnet erscheinen (, BFHE 179, 290, BStBl II 1998, 92, und vom X R 46/93, BFHE 181, 294, BStBl II 1998, 94). Es reicht nicht aus, dass das Gebäude z.B. nicht vermietbar ist, weil es wegen Abnutzung und Verwahrlosung nicht mehr zeitgemäßen Wohnvorstellungen entspricht (Senatsurteil in BFH/NV 2003, 972).
b) Das FG hat zutreffend die Baumaßnahmen als Instandsetzung und nicht als Neuherstellung einer Wohnung beurteilt. Bei der Sanierung sind keine Bauteile, die für die Nutzungsdauer des Gebäudes bestimmend sind, verändert worden, sondern die Wohnung wurde lediglich —wenn auch umfassend— instand gesetzt.
Das FG hat aufgrund der Baubeschreibung, der Bestätigung des Architekten und des Protokolls über die Ortsbesichtigung durch den Bausachverständigen des FA festgestellt, dass die durchgeführten Sanierungsarbeiten die tragenden Außen- und Innenwände, das vorhandene Fundament und das Treppenhaus nicht verändert haben. Änderungen der Dachkonstruktion haben nur in den Giebelbereichen zu einer Erweiterung —auch des Ringankers— geführt. Diese Maßnahmen hatten aber keine Auswirkung auf die Statik des Gesamtgebäudes.
Nach zutreffender Auffassung des FG bewirkten die —auf die Wohnung der Klägerin bezogenen— Arbeiten ihrer Art nach trotz des insgesamt beträchtlichen Umfangs gerade keine tiefgreifende Umgestaltung der Altbausubstanz. Lediglich die neue Dachkonstruktion und die damit einhergehende Aufrichtung der Giebel gehen über Renovierungs- und Modernisierungsarbeiten hinaus. Zwar sind das Dach und der Dachstuhl wesentliche, für die Nutzbarkeit unverzichtbare Teile des Gebäudes. Wird jedoch nur ein für die Nutzungsdauer bestimmender Gebäudeteil erneuert, reicht dies in der Regel für die Beurteilung als bautechnisch neues Gebäude aber nicht aus (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2000, 186). Da die baulichen Veränderungen im Dachbereich nach den Feststellungen des FG sich auf die übrige Bausubstanz und die Statik des Gesamtobjekts nicht ausgewirkt haben, sind Anhaltspunkte für eine vom Regelfall abweichende Beurteilung nicht ersichtlich. Offen bleiben kann deshalb, ob der Zustand des Flachdaches eine Vollerneuerung erforderte und ob die Veränderungen im Dachbereich des Hauses für die Beurteilung der Wohnung der Klägerin als Alt- oder Neubau von Bedeutung sind.
c) Nicht zu folgen ist der Auffassung der Klägerin, es sei eine Neuherstellung anzunehmen, weil 90 % der Bausubstanz erneuert worden und nur 10 % erhalten geblieben seien. Diesen Sachverhalt hat das FG nicht festgestellt. In dem Schreiben des Architekten, auf das sich die Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren bezogen hat, wird lediglich ausgeführt, dass ”von der vorhandenen Gebäudesubstanz —bezogen auf die entstandenen Gesamtkosten— maximal 10% erhalten werden konnten” (Hervorhebung durch den Senat). Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, ist aber die Höhe der Modernisierungsaufwendungen im Verhältnis zum Wert der Altbausubstanz für die steuerliche Beurteilung unerheblich. Maßgebend ist allein, ob für die Nutzungsdauer bestimmende Bauteile erneuert worden sind. Auch soweit die Finanzverwaltung aus Vereinfachungsgründen eine Neuherstellung annimmt, wenn der angefallene Bauaufwand zuzüglich des Wertes der Eigenleistung den Wert der Altbausubstanz übersteigt, ist nur der die tragenden Bauteile betreffende Bauaufwand in die Vergleichsrechnung einzubeziehen; typische Erhaltungsaufwendungen bleiben außer Betracht (, BStBl I 1998, 190, Rz. 12; BFH-Urteil in BFH/NV 2002, 1158).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
NAAAA-70348