Entsch. bei einseitiger Erledigungserklärung in der Hauptsache des Kl.
Gesetze: FGO § 96 Abs. 1, § 138
Gründe
I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhoben gegen den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1994 vom , geändert durch den Bescheid vom i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom , Klage. Während des Klageverfahrens erging der Änderungsbescheid vom , gegen den die Kläger Einspruch einlegten. Das Klageverfahren wurde dementsprechend ausgesetzt. Am erging ein weiterer Änderungsbescheid. Die Kläger erklärten darauf den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) beantragte Klageabweisung.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unzulässig ab, da den Klägern das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Durch den zuletzt ergangenen Änderungsbescheid sei der mit der Klage angegriffene Verwaltungsakt mit seinem Regelungsgehalt in denjenigen des Änderungsbescheides vom aufgegangen und damit in seinen Rechtswirkungen suspendiert, sodass von dem angegriffenen Verwaltungsakt keine belastenden Rechtswirkungen ausgingen. Die Kosten wurden den Klägern auferlegt.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügen die Kläger, das Urteil des FG sei nicht mit Gründen versehen (§ 119 Nr. 6 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Denn das FG habe über ihren Erledigungsantrag nicht entschieden und insoweit eine Begründung unterlassen.
Die Kläger beantragen, die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
II. Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG gemäß § 116 Abs. 6 FGO.
Es kann dahinstehen, ob das FG sein Urteil nicht ausreichend mit Gründen versehen hat i.S. von § 119 Nr. 6 FGO. Denn das von den Klägern gerügte prozessuale Vorgehen des FG stellt einen Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens dar. Die angefochtene Entscheidung ist insofern rechtsfehlerhaft ergangen, als das FG nicht über den von den Klägern im Verfahren zuletzt gestellten und daher maßgeblichen Erledigungsantrag befunden, sondern statt dessen über die von den Klägern nach Ergehen des Änderungsbescheids vom nicht mehr aufrecht erhaltene Anfechtung des ursprünglichen Bescheids eine Entscheidung getroffen hat.
Erklärt der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt, verfolgt er seinen ursprünglichen Sachantrag nicht mehr weiter. Er behauptet vielmehr, dieser Antrag sei durch ein nachträglich eingetretenes Ereignis gegenstandslos geworden, sodass nur noch über die Kosten entschieden werden müsse. Bestreitet der Beklagte die Erledigung und beantragt Klageabweisung, beschränkt sich der Rechtsstreit nurmehr auf die Erledigungsfrage. An die Stelle des durch den ursprünglichen Klageantrag bestimmten Streitgegenstands tritt der Streit über die Behauptung des Klägers, seinem Klagebegehren sei durch ein die Hauptsache erledigendes Ereignis die Grundlage entzogen worden. Kommt das Gericht zu der Auffassung, dass die Hauptsache erledigt ist, ist die Erledigung im Urteil festzustellen und über die Kosten nach § 138 FGO zu befinden. Ist die Hauptsache dagegen nicht erledigt, ist das Begehren des Klägers, die Erledigung festzustellen, unbegründet. Das Erledigungsbegehren ist dann mit einer Kostenentscheidung zu Lasten des Klägers abzuweisen (, BFHE 128, 492, BStBl II 1979, 779; Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 138 Anm. 19).
Mit seiner klageabweisenden Entscheidung hat das FG nicht über den Antrag der Kläger, nämlich den Antrag, die Hauptsache für erledigt zu erklären, entschieden, sondern über den —nicht mehr aufrecht erhaltenen— Antrag auf Aufhebung bzw. Abänderung des ursprünglichen Bescheids bzw. über den Klageabweisungsantrag des FA. Das FG ist damit entgegen § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO über den Klageantrag hinausgegangen. Denn es hat über etwas entschieden, was die Kläger ausweislich ihres Erledigungsbegehrens nicht (mehr) zur Entscheidung gestellt und somit nicht zum gerichtlichen Entscheidungsprogramm erklärt haben. Dieses prozessuale Vorgehen des FG stellt einen im Revisionsverfahren vom BFH auch ohne Rüge zu beachtenden Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens dar, der zur Aufhebung des angefochtenen Urteils zwingt (, BFH/NV 1995, 697; , BFH/NV 2000, 166). Im Verfahren wegen Nichtzulassung der Revision kann der BFH bei einem Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens —sofern er wie im Streitfall gerügt worden ist (vgl. Beschluss vom X B 77/01, BFH/NV 2002, 1121, m.w.N.)— gemäß § 116 Abs. 6 FGO das angefochtene Urteil ebenfalls aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen. Das FG wird im zweiten Rechtsgang über den Erledigungsantrag der Kläger zu entscheiden haben.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 935
BFH/NV 2003 S. 935 Nr. 7
DStRE 2003 S. 703 Nr. 11
UAAAA-70295