Anforderungen an einen Vollverschleiß bei in der ehemaligen DDR gelegenen Wohnungen
Gesetze: EigZulG § 2; FGO § 115
Gründe
Von einer Darstellung des Sachverhalts wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) abgesehen.
Die Beschwerde ist unzulässig. Sie ist durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 FGO).
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
1. a) Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung erfordert, eine bestimmte —abstrakte— Rechtsfrage herauszuarbeiten, deren Beantwortung eine grundsätzliche Bedeutung zukommt, und insbesondere substantiiert vorzutragen, inwieweit die aufgeworfene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig ist, d.h. in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten ist (, BFH/NV 2002, 1482, ständige Rechtsprechung).
b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung der Klägerin nicht.
Die Klägerin äußert sich nicht zu der von ihr behaupteten allgemeinen Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage, ob im Hinblick auf die durch die Wohnungspolitik der ehemaligen DDR verursachten, über das normale Maß hinausgehenden Abnutzungen und Verwahrlosungen von Wohngebäuden ein Vollverschleiß begründet werde, dessen Behebung zu einer Neuherstellung des Gebäudes im Sinne des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG) führe. Es fehlt jeglicher Hinweis auf Äußerungen im Schrifttum sowie eine Auseinandersetzung mit der zur Frage des Vollverschleißes vorliegenden umfangreichen Rechtsprechung des BFH (z.B. in jüngster Zeit Urteile vom X R 36/99, BFH/NV 2002, 1158, m.w.N., zu § 10e des Einkommensteuergesetzes —EStG—, und vom III R 53/00, BFH/NV 2003, 972, m.w.N., zum EigZulG). Allein der Hinweis, der BFH habe über eine bestimmte Rechtsfrage aus dem angeführten Problemkreis noch nicht entschieden, genügt nicht (BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 1482).
2. Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
a) Soweit die Klägerin eine Abweichung des angefochtenen Urteils von verschiedenen finanzgerichtlichen Urteilen behauptet, fehlt es an der notwendigen Darlegung einer Divergenz.
Hierzu muss der angeblichen Divergenzentscheidung ein abstrakter tragender Rechtssatz entnommen werden und einem ebenfalls abstrakten tragenden Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung so gegenübergestellt werden, dass hieraus die Abweichung ersichtlich wird (, BFH/NV 2002, 818).
b) Die Klägerin behauptet, das Finanzgericht (FG) wolle im Falle eines Vollverschleißes erst und nur dann eine Neuherstellung annehmen, wenn das bestehende Gebäude fast vollständig abgerissen worden sei und dabei die für die Nutzungsdauer des Gebäudes bestimmenden, aber verbrauchten Teile ersetzt worden seien. Im Gegensatz dazu verlange die angeführte Rechtsprechung keinen fast vollständigen Abriss des Gebäudes. Auch der BFH habe im Urteil vom X R 54/96 (BFH/NV 1998, 841) keine derart strengen Anforderungen aufgestellt.
Indes hat das FG im angefochtenen Urteil lediglich auf der Grundlage der zutreffend wiedergegebenen Voraussetzungen für die zulagenrechtliche Annahme eines Vollverschleißes verdeutlicht, dass die hierfür erforderlichen Maßnahmen fast einem weitgehenden Abriss eines Gebäudes gleichkommen müssten.
Der BFH hat im Urteil in BFH/NV 2002, 1158, 1159 unter Aufhebung des (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 1999, 1070), auf welches sich die Klägerin mit ihrer Beschwerdebegründung bezogen hat, und unter Bezugnahme auf das frühere Urteil des BFH in BFH/NV 1998, 841 klargestellt, dass ein Vollverschleiß ein infolge Abnutzung in dem Sinne unbrauchbar gewordenes Gebäude voraussetze und dass ein solcher nur vorliege, wenn es sich um schwere Substanzschäden an den für die Nutzbarkeit als Bau und die Nutzungsdauer des Gebäudes bestimmenden Teilen handele. Die Umgestaltung des umbauten Raumes oder die grundlegende Sanierung reichten dafür nicht aus. Vielmehr müssten die neu eingefügten Gebäudeteile dem Gesamtgebäude das bautechnische Gepräge geben, was insbesondere der Fall sei, wenn verbrauchte, für die Nutzungsdauer bestimmende Teile ersetzt würden. Die Altbausubstanz müsse so tiefgreifend umgestaltet oder in einem solchen Ausmaß erweitert worden sein, dass die neu eingefügten Gebäudeteile der entstandenen Wohnung das Gepräge gäben und die verwendeten Altteile wertmäßig untergeordnet erschienen, wobei aber typische Erhaltungsaufwendungen außer Betracht bleiben müssten.
Ebenso wenig reicht in der Regel die Ersetzung nur eines für die Nutzungsdauer bestimmenden Gebäudeteils für die Beurteilung als bautechnisch neues Gebäude aus (BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 972, m.w.N.).
Der BFH hat im Urteil vom X R 57/96 (BFH/NV 2000, 186) hervorgehoben, Baumaßnahmen an einem bestehenden Einfamilienhaus könnten nur dann als Herstellung einer Wohnung beurteilt werden, wenn die Baumaßnahme einem Neubau gleichkomme, d.h. das Gebäude müsse bautechnisch neu sein.
Diesen Maßstäben folgt das angefochtene Urteil und stellt keine abweichenden Anforderungen auf. Es umschreibt mit der Formulierung des ”fast abgerissenen Gebäudes” unter Ersetzung der für die Nutzungsdauer des Gebäudes bestimmenden, aber verbrauchten Teile lediglich diesen in der Rechtsprechung beschriebenen Vorgang.
Das Urteil des Hessischen (EFG 2001, 18, Revision X R 48/00) betrifft einen mit dem Streitfall offensichtlich nicht vergleichbaren Sachverhalt; denn in jenem Fall ist der Innenbereich des Gebäudes fast vollständig entkernt worden. Das FG Berlin hat sich in seinem Urteil vom 7 K 7344/98 (EFG 2001, 1262) vollinhaltlich der dort umfangreich zitierten BFH-Rechtsprechung angeschlossen.
Nachdem der BFH seine Rechtsprechung zum Vollverschleiß bis in die jüngste Zeit fortgeführt hat, ist zudem nicht erkennbar, warum zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine weitere Entscheidung des BFH erforderlich wäre.
c) Selbst wenn das FG im konkreten Fall abweichend von den Maßstäben des BFH diese zu streng angewendet hätte, wofür allerdings nichts ersichtlich ist, so lägen die Voraussetzungen des Zulassungsgrundes in § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO nicht vor.
Insoweit fehlt es an einem schlüssigen Vortrag, dass die Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts Fehler von einigem Gewicht erkennen lässt, die geeignet sind, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen oder es sich gar um eine willkürliche, jeder gesetzlichen Grundlage entbehrende Entscheidung handele (sog. qualifizierter Fehler, , BFH/NV 2002, 1616, 1617, m.w.N.).
3. Verfahrensverstoß
Soweit die Klägerin rügt, das FG habe seine Sachaufklärungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 FGO deshalb verletzt, weil es entgegen ihrem Beweisantrag nicht ihren Ehemann als Zeugen über die ihr vom Finanzamt (FA) A erteilte Zusage und deren Verbindlichkeit vernommen habe, fehlt es ebenfalls an einer hinreichenden Bezeichnung des Verfahrensmangels (zu den Anforderungen im Einzelnen , BFH/NV 2002, 1332).
Die Klägerin hat nämlich nicht dargelegt, inwiefern das angefochtene Urteil unter Berücksichtigung der insoweit maßgebenden materiell-rechtlichen Auffassung des FG auf der unterbliebenen Beweisaufnahme beruhen könnte.
Das FG ist in Übereinstimmung mit der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass der die Zusage oder Auskunft erteilende Amtsträger auch tatsächlich zuständig sein muss, um eine bindende Vertrauensgrundlage zu schaffen (vgl. , BFH/NV 1998, 1221, 1222, m.w.N.).
Da das FG von der Unzuständigkeit des FA A ausgegangen ist, war verfahrensrechtlich eine Beweisaufnahme für die Entscheidung des FG unerheblich.
Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 1541
BFH/NV 2003 S. 1541 Nr. 12
GAAAA-70239