Gründe
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Tantiemevereinbarung steuerrechtlich zu einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) führt.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH, deren Geschäftsgegenstand der Handel mit Elektrogeräten und die Ausführung von Elektroarbeiten und –reparaturen ist. An ihrem Stammkapital waren seit 1991 V zu 70 v.H. und dessen Sohn S zu 30 v.H. beteiligt. Zunächst war V alleiniger Geschäftsführer, S technischer Angestellter und seit Anfang 1997 Prokurist der Klägerin. Mit Wirkung zum wurde S ebenfalls zum Geschäftsführer der Klägerin bestellt. Die Klägerin erzielte in den Jahren 1992 bis 1995 Gewinne in Höhe von ca. 4 000 DM bis ca. 30 000 DM, in den beiden Folgejahren Verluste in Höhe von 283 294 DM (1996) und 104 464 DM (1997) und im Jahr 1998 (Streitjahr) erneut einen Gewinn.
Im Januar 1992 hatte die Klägerin dem V die Zahlung einer Gewinntantieme zugesagt, die sich auf ”15 v.H. des Gewinns vor Berücksichtigung der entsprechenden Steuern und nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben” belaufen sollte. In der betreffenden Vereinbarung heißt es weiter, die ”Bemessungsgrundlage (brutto)” sei somit der ”vorläufige Gewinn” zuzüglich der Körperschaft-, Gewerbe- und Vermögensteuer sowie der nicht abziehbaren Betriebsausgaben. Diese Zusage war Ende 1992 mit Wirkung vom Jahr 1993 an abgeändert worden, wobei u.a. die Angabe ”vorläufiger Gewinn” durch die Bezeichnung ”vorläufiges Ergebnis” ersetzt worden war. Die Klägerin hatte dem V die hiernach berechnete Tantieme jeweils ausgezahlt.
Im Dezember 1997 sagte die Klägerin dem S mit Wirkung ab 1998 eine Gewinntantieme in Höhe von ”10 v.H. des vorläufigen Ergebnisses vor Berücksichtigung von Gewerbe-, Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer, höchstens jedoch 25% der jährlichen Bruttogesamtbezüge aus dem Beschäftigungsverhältnis” zu. Zugleich wurde die Tantiemezusage gegenüber V so geändert, dass sie derjenigen des S entsprach. Auf dieser Basis bildete die Klägerin in ihrer Bilanz auf den eine Rückstellung für Tantiemeverpflichtungen gegenüber V und S in Höhe von insgesamt 41 560 DM.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) behandelte die Zuführung zu der Rückstellung als vGA, da er davon ausging, dass die Zusagen einem Fremdvergleich nicht standhielten. Nach seiner Ansicht wäre es zur Vermeidung einer Gewinnabsaugung geboten gewesen, nur diejenigen Gewinne zur Bemessungsgrundlage für die Tantieme zu erklären, die nach Verrechnung mit den bestehenden Verlustvorträgen verblieben. Das FA erließ einen Körperschaftsteuerbescheid, einen Gewerbesteuermessbescheid und einen Bescheid zur Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer, die auf dieser Auffassung beruhen. Den gegen diese Bescheide gerichteten Klagen hat das Finanzgericht (FG) stattgegeben; eins seiner Urteile ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 120 abgedruckt.
Mit seiner Revision rügt das FA eine Verletzung des § 8 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) sowie des § 7 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG). Es beantragt, die Urteile des FG aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revisionen zurückzuweisen.
II. Die Revisionsverfahren werden gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 121 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden.
III.
Die Revisionen sind begründet. Sie führen zur Aufhebung der erstinstanzlichen Urteile und zur Abweisung der Klagen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Das FA hat die Zuführung zu der Tantiemerückstellung zu Recht als vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG angesehen.
1. Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung kann eine Gewinntantieme, die eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer gewährt, steuerrechtlich eine vGA sein. Sie darf dann weder den Gewinn (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG) noch den Gewerbeertrag (§ 7 Abs. 1 GewStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG) der Gesellschaft mindern. Dasselbe gilt für Tantiemeleistungen an Gesellschafter, die nicht Geschäftsführer, jedoch in anderer Funktion Arbeitnehmer der Gesellschaft sind. Das FA hat deshalb im Streitfall zu Recht sowohl die Tantiemevereinbarung mit V als auch diejenige mit S unter dem Gesichtspunkt der vGA überprüft.
2. Voraussetzung für das Vorliegen einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist u.a., dass die zu beurteilende Leistung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst oder zumindest mitveranlasst ist. Das ist zum einen dann anzunehmen, wenn die Gesellschaft einem an ihr beteiligten Arbeitnehmer eine Vergütung zusagt, die ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter unter ansonsten vergleichbaren Umständen einem gesellschaftsfremden Arbeitnehmer nicht zugesagt hätte. Zum anderen liegt speziell bei Leistungen an beherrschende Gesellschafter eine vGA regelmäßig dann vor, wenn entweder die Leistung nicht auf einer im Vorhinein getroffenen klaren und eindeutigen Vereinbarung beruht oder die maßgebliche Vereinbarung nicht abredegemäß durchgeführt worden ist (Senatsurteil vom I R 71/95, BFHE 181, 328, BStBl II 1999, 35, 36, m.w.N.). Dieses Klarheitsgebot gilt, wenn eine Kapitalgesellschaft sowohl an einen beherrschenden als auch an einen nicht beherrschenden Gesellschafter Leistungen erbringt und die Gesellschafter bei der Beschlussfassung über diese Leistungen gemeinsame Interessen verfolgt haben, auch im Verhältnis zu dem nicht beherrschenden Gesellschafter (, BFHE 146, 126, BStBl II 1986, 469, 471; vom I R 83/87, BFHE 160, 192, BStBl II 1990, 649; Blümich/Rengers, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 8 KStG Rz. 130). Im Streitfall unterliegt ihm deshalb sowohl die Tantiemezusage gegenüber V als auch diejenige gegenüber S.
3. Eine Tantiemevereinbarung genügt regelmäßig nur dann dem Klarheitsgebot, wenn nach ihr der Tantiemebetrag allein durch einen Rechenvorgang bestimmt werden kann (, BFHE 143, 263, BStBl II 1985, 345; vom I R 20/98, BFHE 189, 45, BStBl II 2001, 612, 614, m.w.N.). Das setzt u.a. voraus, dass die Bemessungsgrundlage für die Tantieme durch die Vereinbarung eindeutig festgelegt wird. Dies hat das FG im Streitfall angenommen. Es hält die an V und S erteilten Tantiemezusagen insbesondere insoweit für klar und eindeutig, als hiernach ein Verlustvortrag nicht in die Bemessungsgrundlage der Tantieme einzubeziehen ist. Diese Würdigung greift die Revision mit Erfolg an.
a) Nach den Feststellungen des FG sollten sich die von der von der Klägerin zu zahlenden Tantiemen auf 10 v.H. ”des vorläufigen Ergebnisses vor Berücksichtigung von Gewerbesteuer, Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer” belaufen. Die Frage nach der Berücksichtigung eines Verlustvortrags war in den getroffenen Vereinbarungen nicht ausdrücklich geregelt. Die Antwort hierauf ergibt sich entgegen der Auffassung des FG auch nicht unmittelbar aus der Verwendung des Ausdrucks ”vorläufiges Ergebnis”. Denn dieser Begriff ist weder gesetzlich noch durch den allgemeinen oder den kaufmännischen Sprachgebrauch in dem Sinne festgelegt, dass er das Jahresergebnis ohne Berücksichtigung eines Verlustvortrags bezeichnet. Eine solche Festlegung lässt sich insbesondere § 266 Abs. 3 des Handelsgesetzbuchs (HGB), auf den das FG in diesem Zusammenhang verwiesen hat, nicht entnehmen. Vielmehr ist ”vorläufiges Ergebnis” eine Bezeichnung, die inhaltlich nicht vorgeprägt ist und im Rahmen eines Vertrags jeweils dasjenige bedeutet, was die Vertragsparteien damit gemeint haben.
Im Streitfall kann die Anknüpfung an das ”vorläufige Ergebnis” zwar einerseits den vom FG angenommenen Inhalt haben. Sie kann aber andererseits ebenso dahin gedeutet werden, dass hiermit der Gewinn vor Steuern zur Bemessungsgrundlage der Tantieme gemacht werden sollte. Eine solche Deutung kommt nicht zuletzt deshalb in Betracht, weil es in den maßgeblichen Vereinbarungen heißt, dass die Tantiemen sich nach dem vorläufigen Ergebnis ”vor Berücksichtigung von Gewerbesteuer, Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer” bemessen sollten. Es ist nicht selbstverständlich, dass —wie das FG meint— diese Positionen von dem ”vorläufigen Ergebnis” abgezogen werden sollten; vielmehr ist ebenso denkbar, dass sie gerade dazu dienten, den zuvor verwendeten Begriff ”zusätzliches Ergebnis” inhaltlich auszufüllen. Angesichts dessen bieten die vom FG zitierten Vertragsurkunden keine hinreichende Grundlage für die Annahme einer klaren und eindeutigen Vereinbarung in dem von der Klägerin behaupteten Sinne.
b) Eine abweichende Beurteilung ergibt sich nicht aus dem vom FG herangezogenen Umstand, dass die ursprüngliche Tantiemevereinbarung mit V im Dezember 1992 geändert und dabei der früher zur Bezeichnung der Bemessungsgrundlage verwendete Begriff ”vorläufiger Gewinn” durch den Ausdruck ”vorläufiges Ergebnis” ersetzt worden ist. Denn der Terminus ”vorläufiger Gewinn” ist genau so unbestimmt wie die Anknüpfung an das ”vorläufige Ergebnis"; insbesondere lässt er nicht unzweideutig erkennen, dass ein vorhandener Verlustvortrag die Bemessungsgrundlage der Tantieme mindern sollte. Deshalb ist es ausgeschlossen, aus der Gegenüberstellung der beiden Begriffe abzuleiten, dass das in den neuen Vereinbarungen genannte ”vorläufige Ergebnis” der Jahresüberschuss ohne Berücksichtigung eines Verlustvortrags sein sollte. Ebenso ist der Streitfall nicht mit dem vom Hessischen , EFG 2000, 1147) entschiedenen Fall vergleichbar, in dem die Tantieme nach dem ”Jahresüberschuss vor Ertragsteuern gemäß Steuerbilanz” berechnet werden sollte. Denn der ”Jahresüberschuss” ist zweifelsfrei auf das Ergebnis des einzelnen Jahres bezogen, weshalb in jenem Fall die getroffene Vereinbarung zweifelsfrei besagte, dass ein Verlustvortrag nicht berücksichtigt werden sollte. Eine solche Gestaltung liegt im Streitfall gerade nicht vor.
4. Im Ergebnis wird deshalb die Annahme des FG, dass die zu beurteilenden Vereinbarungen in dem hier maßgeblichen Punkt klar und eindeutig seien, von dessen tatsächlichen Feststellungen nicht getragen. Vielmehr sagen nach diesen Feststellungen die seinerzeit getroffenen Abreden über die Frage der Berücksichtigung von Verlustvorträgen letztlich nichts aus. Angesichts dessen ist zu Lasten der Klägerin davon auszugehen, dass das als Bemessungsgrundlage der Tantiemen bezeichnete ”vorläufige Ergebnis” ein um Verlustvorträge verminderter Wert ist. Damit aber fehlt es für das Streitjahr, in dem der Jahresgewinn den bei der Klägerin vorhandenen Verlustvortrag nicht ausglich, an einer steuerlich anzuerkennenden vertraglichen Grundlage für Tantiemezahlungen an V und S. Die gleichwohl erfolgte Zuführung zur Tantiemerückstellung ist deshalb durch den Ansatz von vGA in gleicher Höhe zu korrigieren. In diesem Sinne ist das FA verfahren, so dass die angefochtenen Bescheide rechtmäßig und die dagegen gerichteten Klagen abzuweisen sind.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 86
PAAAA-70061