wie I R 68/01 (n. v.)
Gesetze: KStG § 14
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH, deren Geschäftsgegenstand der Bau, der Erwerb und die Bewirtschaftung von Wohnungen und sonstigen Bauten für eigene und für fremde Rechnung ist. Sie ist seit…als gemeinnütziges Wohnungsunternehmen anerkannt, weshalb sie auf ihren Antrag hin bis zum Ende des Veranlagungszeitraums 1990 von der Körperschaftsteuer befreit war. Ihr Wirtschaftsjahr läuft jeweils vom 1. Oktober eines Jahres bis zum 30. September des Folgejahres. Zum waren an ihr die A-AG zu 99 % sowie die B-KG zu 1 % beteiligt. Am schloss sie mit der A-AG einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ab, der am in das Handelsregister eingetragen wurde.
In der steuerlichen Eröffnungsbilanz zum stockte die Klägerin die vorhandenen Buchwerte um einen Betrag in Höhe von 62 639 630 DM auf die steuerlichen Teilwerte auf. Dieses Mehrvermögen ordnete sie dem Eigenkapital nach § 30 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1991 (EK 04) zu. Infolge der Buchwertaufstockung wies sie für die Veranlagungszeiträume 1991 bis 1993 im Vergleich zur Steuerbilanz höhere handelsrechtliche Jahresüberschüsse aus, weshalb es zu sog. Mehrabführungen kam.
Für das Wirtschaftsjahr 1993 wies die Klägerin einen Handelsbilanzüberschuss in Höhe von 280 202 DM aus. Infolge der Aufstockung der Buchwerte in der Eröffnungsbilanz zum waren bei der steuerlichen Gewinnermittlung weitere Abschreibungsbeträge in Höhe von 684 141 DM zu berücksichtigen, die die Klägerin als Gewinnabführungen behandelte.
Nach einer Außenprüfung wurde der Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 1993 (Streitjahr) geändert, indem der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) die Mehrabführung als andere Ausschüttung i.S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG 1991 behandelte und einen Körperschaftsteuererhöhungsbetrag von 293 203 DM festsetzte. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren legte die Klägerin dagegen Klage beim Finanzgericht (FG) ein, welcher dieses teilweise stattgab. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 919 veröffentlicht.
Seine Revision stützt das FA auf die Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das Urteil des FG hinsichtlich der Körperschaftsteuer 1993 aufzuheben und diese auf 300 543 DM festzusetzen.
Die Klägerin beantragt, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Die streitbefangenen Mehrabführungen sind nicht als Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs. 3 und als andere Ausschüttung i.S. des § 27 Abs. 3 KStG 1991 zu behandeln, sondern unterfallen den Regelungen der §§ 14 ff. KStG 1991. Ob sich die Vorinstanz zu Recht auf die durch den Gesetzgeber geschaffenen Sonderregelungen in § 13 Abs. 2 und 3 Satz 1 und Abs. 3 Satz 2 ff. KStG 1991 gestützt hat, kann offen bleiben.
1. Nach § 14 Satz 1 KStG 1991 ist —vorbehaltlich des hier nicht einschlägigen § 16 KStG 1991— bei Bestehen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft das Einkommen der Organgesellschaft dem Organträger zuzurechnen. Das von der Organgesellschaft erwirtschaftete Einkommen wird zwar bei dieser selbst ermittelt, jedoch steuerlich beim Organträger erfasst.
Die Einkommenszurechnung gemäß § 14 KStG 1991 darf allerdings nicht dazu führen, dass das von der Organgesellschaft erzielte und dem Organträger zugerechnete Einkommen beim Organträger doppelt besteuert wird (vgl. , BFHE 181, 53, BStBl II 1996, 614; vom I R 10/93, BFHE 173, 426, BStBl II 1994, 768; vom I R 150/82, BFHE 149, 25, BStBl II 1987, 455; vom I R 240/72, BFHE 114, 70, BStBl II 1975, 126; Streck, Körperschaftsteuergesetz, 5. Aufl., § 14 Anm. 90; Walter in Arthur Andersen, Körperschaftsteuergesetz, § 14 Rz. 891). Daraus folgt, dass weder die Gewinnabführung noch die Zurechnung des Organeinkommens als solche bei der Organgesellschaft eine Ertragsbesteuerung auslöst. Gewinnabführungen und Ausschüttungen unterfallen unterschiedlichen Regelungskonzepten. Die körperschaftsteuerlichen Organschaftsregeln gehen der Anwendung des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens vor. Demgemäß ist weder die Gewinnabführung noch die Zurechnung des Einkommens der Organgesellschaft eine Ausschüttung. Die Ausschüttungsbelastung ist bei organschaftlich bedingten Gewinnabführungen nicht herzustellen. Die Gewinnabführung löst keine Bezüge i.S. des § 20 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) aus; in diesem Sinne geht § 14 KStG 1991 den §§ 27 ff. KStG 1991 vor (vgl. Gesetzesbegründung BTDrucks 7/1470, S. 347 ff.; , BFHE 177, 429, und vom I R 25/00, BFHE 196, 485, BFH/NV 2001, 461; für § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG auch , BFH/NV 1991, 121, m.w.N.; , F, EFG 2001, 1319; Winter in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 14 KStG Rz. 9; Schneck/Hirsch, GmbH-Rundschau —GmbHR— 1999, 898, 899; Preißer/Seeliger, Betriebs-Berater —BB— 1999, 393, 395).
2. Für die vororganschaftlich verursachten Mehrabführungen ist allerdings umstritten, ob sie als Gewinnabführungen den §§ 14 ff. KStG 1991 unterfallen oder aber als Ausschüttungen nach § 27 KStG 1991 zu behandeln sind.
a) Die Finanzverwaltung (Abschn. 59 Abs. 4 Satz 3 der Körperschaftsteuer-Richtlinien —KStR— 1995; , BStBl I 1996, 695, und vom , BStBl I 1997, 939, anders aber BStBl I 1981, 44, 47; ebenso , EFG 2001, 917) vertritt in Übereinstimmung mit einem Teil der Literatur (Hübel, Die steuerliche Betriebsprüfung —StBp— 1984, 78, 82; Schröder, StBp 1986, 269, 273; Dötsch, Der Betrieb —DB— 1993, 752, 755; Dötsch/Witt, DB 1996, 1592, 1595; Starke, DB 1996, 1490, 1492; Müller-Gatermann in Festschrift für W. Ritter, 1997, 457, 468; Schmidt/Müller/Stöcker, Die Organschaft, 5. Aufl., Rz. 643; Streck, a.a.O., § 14 Anm. 60; Frotscher in Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz, Umwandlungsteuergesetz, § 14 KStG Rz. 279; Witt in Dötsch/Eversberg/ Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, Kommentar, § 14 KStG Rz. 166 f.; Danelsing in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 14 KStG Rz. 190; Schwarz in Mössner/Seeger, Körperschaftsteuergesetz 1977, Kommentar, § 14 Rz. 439) die Auffassung, dass vororganschaftlich verursachte Mehrabführungen als andere Ausschüttung i.S. des § 27 KStG 1991 zu behandeln seien, für die die Ausschüttungsbelastung herzustellen sei. Danach wird § 27 KStG 1991 dann nicht durch die §§ 14 ff. KStG 1991 verdrängt, wenn sich der entsprechende Geschäftsvorfall bereits in einem Zeitpunkt ereignet und ausgewirkt hat, in dem noch kein Organschaftsverhältnis bestand.
Die Gegenmeinung (FG Münster, Urteil in EFG 2001, 1319; Knepper in Festschrift für L. Schmidt, 1993, 725, 734; Fuchs, DB 1995, Beilage Nr. 12 S. 1, 8; Jonas, Steuerberater-Jahrbuch —StbJb— 1996/1997, 99, 107 ff.; Wassermeyer, StbJb 1996/1997, 139, 151; Preißer/Seeliger, BB 1999, 393, 398; Schneck/Hirsch, GmbHR 1999, 898, 899 ff.; Romani/Maier, Deutsches Steuerrecht —DStR— 2000, 1944, 1948; Kroppen, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht —JbFSt— 2000/2001, 673, 675 f.; Winter in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 14 KStG Rz. 31; Walter in Arthur Andersen, a.a.O., § 14 Rz. 894) hingegen sieht in vororganschaftlich verursachten Mehrabführungen Gewinnabführungen i.S. der §§ 14 ff. KStG 1991 mit der Folge, dass die Ausschüttungsbelastung nicht herzustellen ist.
b) Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an.
aa) Bei einer Gewinnabführung gemäß § 291 Abs. 1 des Aktiengesetzes (AktG) kann nicht danach differenziert werden, ob Teilbeträge steuerlich gesehen ihre Veranlassung in vororganschaftlicher Zeit haben. Denn was als Gewinnabführung i.S. von § 14 KStG 1991 zu verstehen ist, bestimmt sich allein nach Maßgabe des Zivilrechts. § 14 KStG 1991 setzt u.a. für die Anerkennung eines körperschaftsteuerlichen Organschaftsverhältnisses den Abschluss eines Gewinnabführungsvertrages nach § 291 Abs. 1 AktG voraus. Ein solcher Gewinnabführungsvertrag verpflichtet das Unternehmen, seinen ganzen Gewinn an ein anderes Unternehmen abzuführen. Maßgeblich für den Umfang der Gewinnabführungspflicht ist allein der handelsbilanzielle Jahresüberschuss. Dies ergibt sich zwingend aus § 301 AktG. Danach kann eine Gesellschaft als ihren Gewinn höchstens den —ohne die Gewinnabführung— entstehenden Jahresüberschuss, vermindert um einen Verlustabzug aus dem Vorjahr und den Betrag, der nach § 300 AktG in die gesetzliche Rücklage einzustellen ist, abführen. Die organschaftliche Gewinnabführung hat damit ihre Veranlassung insgesamt ausschließlich in dem abgeschlossenen Gewinnabführungsvertrag.
Im Streitfall verpflichtete der Gewinnabführungsvertrag die Klägerin zur Abführung der ”ganzen Gewinne”. Diese abzuführenden Gewinne sind der organschaftlichen Zeit zuzuordnen, d.h. auch die Mehrabführungen sind nicht in vororganschaftlicher, sondern in organschaftlicher Zeit entstanden. Die Ergebnisabweichung ist allein durch die Besonderheiten der steuerlichen Gewinnermittlung bedingt. Die abweichende steuerliche Gewinnermittlung darf jedoch nicht mit der für die Gewinnabführung maßgeblichen wirtschaftlichen Veranlassung verwechselt werden. Zwar ist es richtig, das sich die Organschaft nach ihrem Sinn und Zweck nur auf das innerhalb der organschaftlichen Zeit erwirtschaftete Ergebnis beziehen kann.
bb) Handelsrechtlich erstreckt sich die Gewinnabführung auf den bilanziell im jeweiligen Jahr ausgewiesenen Jahresüberschuss vor Gewinnabführung. Von der Gewinnabführung sind nur die vororganschaftlichen Gewinnrücklagen sowie die der Organgesellschaft vor- bzw. innerorganschaftlich zugeführten Kapitalrücklagen ausgeschlossen, während innerorganschaftlich aufgedeckte stille Reserven —unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Entstehung— abgeführt werden dürfen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 196, 485, BFH/NV 2002, 461). Die Behandlung der stillen Reserven in der Steuerbilanz ist für den Umfang der handelsrechtlich zulässigen Gewinnabführung ohne Bedeutung (so auch Jonas, StbJb 1996/1997, 99, 108; Fuchs, DB 1995, Beilage Nr. 12 S. 5; Winter in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 14 KStG Rz. 31 ”vorvertragliche stille Rücklagen”). Im Interesse einer klaren Abgrenzung erstreckt sich § 301 AktG nur auf die bilanzielle Substanzerhaltung, nicht hingegen auf die Erhaltung stiller Reserven. Dabei kommt es aber allein auf den aus handelsrechtlicher Sicht bestehenden Zeitbezug an (Knepper in Festschrift für L. Schmidt, a.a.O., S. 734, m.w.N., zur handelsrechtlichen Literatur; Fuchs, DB 1995, Beilage Nr. 12 S. 5; Preißer/ Seeliger, BB 1999, 393, 396; Kroppen, JbFStR 2000/2001, 675; Winter in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 14 KStG Rz. 31).
cc) Es ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber in §§ 14 ff. KStG 1991 einen von § 291 Abs. 1, § 301 AktG abweichenden, originär steuerrechtlichen Umfang der Gewinnabführungsverpflichtung regeln wollte. Den Gesetzesmaterialien (BTDrucks 7/1470) lässt sich eine derartige Intention nicht entnehmen. Vielmehr enthält schon § 14 KStG 1991 durch Verweis auf § 291 Abs. 1 AktG eine Anknüpfung an das Zivilrecht, wenn dort von einem Gewinnabführungsvertrag (GAV) i.S. des § 291 Abs. 1 AktG gesprochen wird. Gleiches ergibt sich aus § 17 Satz 2 Nr. 1 KStG 1996, wonach Gewinnabführungen den in § 301 AktG genannten Betrag nicht übersteigen dürfen. Dem entspricht es, wenn der Senat mit Urteil in BFHE 196, 485, BFH/NV 2002, 461 ausgeführt hat, dass der nach § 14 Satz 1 KStG 1991 abzuführende Gewinn durch einen Mindest- und einen Höchstbetrag begrenzt wird: Danach dürfen Beträge aus dem Jahresüberschuss gemäß § 14 Nr. 5 KStG 1991 nur insoweit in die Gewinnrücklagen (§ 272 Abs. 3 des Handelsgesetzbuchs —HGB—) eingestellt werden, als dies bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung wirtschaftlich begründet ist. Andererseits darf die Gewinnabführung gemäß § 17 Satz 2 Nr. 1 KStG 1991 den in § 301 AktG genannten Betrag nicht überschreiten.
dd) Dem vorgenannten Ergebnis lässt sich nicht entgegenhalten, es führe zu dem unsystematischen Ergebnis, dass vororganschaftlich gezahlte Körperschaftsteuer ggf. definitiv werden kann (so aber Hübel, StBp 1984, 78, 82; Schröder, StBp 1986, 269, 273). Zwar hat die Finanzverwaltung diesen Bedenken entgegen der eigenen vorherigen Praxis ( BStBl I 1981, 44) durch Abschn. 59 Abs. 4 Satz 3 KStR 1995 und die dazu ergangenen (BStBl I 1996, 695) und vom (BStBl I 1997, 939) Rechnung getragen. Dies geschah jedoch zu Unrecht. Denn die Belastung mit Körperschaftsteuer kann schon dadurch definitiv werden, dass die Organschaftsregelungen dem Anrechnungsverfahren generell vorgehen. § 37 Abs. 2 KStG 1991 zeigt, dass der Gesetzgeber dies bewusst in Kauf genommen hat: Auch in den dort genannten Fällen, in denen die dem Organträger zuzurechnenden Vermögensmehrungen den Gewinnabführungsbetrag unterschreiten und in Höhe der Differenz —unter Beachtung des § 28 Abs. 3 KStG 1991— eine Verrechnung des verwendbaren Eigenkapitals (vEK) der Organgesellschaft zu erfolgen hat, kann es zur Vernichtung von Körperschaftsteuerguthaben kommen (vgl. dazu auch Fuchs, DB 1995, Beilage Nr. 12 S. 8, m.w.N.). Umgekehrt kann die Auffassung der Finanzverwaltung durch Körperschaftsteuer-Erhöhungen systemwidrige Doppelbelastungen zur Folge haben (vgl. dazu Walter in Arthur Andersen, a.a.O., § 14 Rz. 894.1; Preißer/Seeliger, BB 1999, 393 ff.; Schneck/Hirsch, GmbHR 1999, 898, 901).
3. Nichts anderes ergibt sich aus §§ 27 ff. bzw. 41 KStG 1991.
a) Die Gewinnabführung gemäß § 291 Abs. 1 AktG ist weder eine offene Ausschüttung i.S. des § 27 Abs. 3 Satz 1 KStG 1991 noch eine andere Ausschüttung i.S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG 1991 noch eine sonstige Leistung i.S. des § 41 KStG 1991. Handelsrechtlich ist sie Betriebsausgabe (vgl. Frotscher, a.a.O., § 27 KStG a.F. Rz. 46). Steuerrechtlich ist sie eine Gewinnverwendung eigener Art, für die nach dem zuvor Gesagten die §§ 14 ff. KStG 1991 gelten.
b) Es gibt keine Rechtsgrundlage dafür, den Betrag der Gewinnabführung in das zuzurechnende Einkommen und sog. Mehrabführungen aufzuteilen und nur auf letztere § 27 Abs. 1 KStG 1991 anzuwenden.
aa) Der Senat entscheidet seit seinem Urteil vom I R 260/83 (BFHE 151, 560, BStBl II 1988, 460) in ständiger Rechtsprechung, dass ein tatsächlicher Mittelabfluss das die Herstellung der Ausschüttungsbelastung i.S. des § 27 Abs. 1 KStG 1991 auslösende Moment ist. Mit dieser Auffassung steht die Anweisung in Abschn. 59 Abs. 4 Satz 3 KStR 1995 nicht in Einklang. Dort geht die Finanzverwaltung davon aus, dass jede Mehrabführung steuerrechtlich als Ausschüttung i.S. des § 27 Abs. 1 KStG 1991 zu behandeln ist. Eine organschaftliche Mehrabführung bedeutet aber nicht notwendigerweise einen Mittelabfluss. Dies wird deutlich, wenn man an den Fall denkt, dass der ”ganze Gewinn” der Organgesellschaft i.S. des § 291 Abs. 1 AktG entweder negativ ist oder aber aus einem nur geringen positiven Betrag besteht. In diesem Fall kann das nach § 14 KStG 1991 zuzurechnende Einkommen auf Grund abweichender steuerlicher Gewinnermittlungsvorschriften aus einem höheren negativen Betrag bestehen. Die Finanzverwaltung behandelt dennoch stets die Differenz zwischen den beiden Beträgen (ganzer Gewinn abzüglich zuzurechnendes Einkommen) als andere Ausschüttung i.S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG 1991, obwohl tatsächlich nichts bzw. nur der geringere positive Betrag von der Organgesellschaft an den Organträger abzuführen ist. Die Überlegung macht deutlich, dass sich der Begriff ”Ausschüttung” einerseits an dem tatsächlich abgeführten Betrag und andererseits an der Zivilrechtslage orientieren muss. Zivilrechtlich besteht aber keine Verpflichtung des Organträgers, das (steuerliche) Negativeinkommen der Organgesellschaft auszugleichen.
bb) Es kommt hinzu, dass das Ende des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft (= die Entstehung der Gewinnabführungsverbindlichkeit) nicht mit dem für die Herstellung der Ausschüttungsbelastung allein maßgeblichen Mittelabfluss zeitlich zusammenfallen muss. Insbesondere dann, wenn die Gewinnabführung in Teilbeträgen vollzogen wird, die in verschiedenen Wirtschaftsjahren abfließen, lässt sich nicht bestimmen, welcher Teilbetrag die sog. Mehrabführung verkörpert. Dazu hätte es einer gesetzlichen Regelung analog § 28 KStG 1991 bedurft. Auch daran erweist sich, dass die von der Finanzverwaltung mit der angenommene Mehrabführung verknüpften Rechtsfolgen nicht den Kriterien entsprechen, an denen der Senat die Herstellung der Ausschüttungsbelastung i.S. des § 27 KStG a.F. in ständiger Rechtsprechung misst.
4. Auch aus § 37 Abs. 2 Satz 2 KStG 1991 folgt nichts anderes. Nach dieser Vorschrift gilt § 28 Abs. 3 KStG 1991 mit der Maßgabe, dass der in Satz 1 bezeichnete Teilbetrag i.S. des § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG 1991 vor den übrigen Teilbeträgen als verwendet gilt. Die Vorschrift regelt mit anderen Worten den hier interessierenden Fall, in dem das dem Organträger zuzurechnende Einkommen den Gewinnabführungsbetrag unterschreitet und in Höhe der Differenz —unter Beachtung des § 28 Abs. 3 KStG 1991— mit dem vEK der Organgesellschaft zu verrechnen ist. Die entsprechende Anwendung von § 28 Abs. 3 KStG 1991 bedeutet jedoch nur, dass die Mehrabführung bei der Organgesellschaft gliederungsrechtlich in einer bestimmten Weise zu erfassen ist. Die Vorschrift erlaubt es dagegen nicht, die Gewinnabführung auch innerhalb des § 27 KStG 1991 teilweise als Ausschüttung zu behandeln. Letztlich belegt damit die Existenz des § 37 Abs. 2 Satz 2 KStG 1991, dass eine entsprechende Regelung auch für den Bereich des § 27 KStG 1991 erforderlich gewesen wäre, wenn die in Abschn. 59 Abs. 4 Satz 3 KStR 1995 vertretene Auffassung dem gesetzten Recht entsprechen soll.
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Fundstelle(n):
PAAAA-70048