Handelsregisterverfahren auf Bestellung eines Abschlussprüfers für eine insolvente GmbH: Wirksamkeit der erfolgen Bestellung eines Abschlussprüfers für vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegende Geschäftsjahre
Leitsatz
Die gesetzliche Anordnung in § 155 Abs. 3 Satz 2 InsO, dass die Wirksamkeit der Bestellung eines Abschlussprüfers für ein vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens endendes Geschäftsjahr durch die nach der Bestellung erfolgte Eröffnung nicht berührt wird, gilt nicht nur für das Geschäftsjahr vor der Eröffnung des Verfahrens, sondern auch für die davor liegenden Geschäftsjahre.
Gesetze: § 155 Abs 3 S 2 InsO, § 318 Abs 1 HGB
Instanzenzug: Az: 14 W 21/17 (Wx) Beschlussvorgehend AG Freiburg (Breisgau) Az: HRB 711635
Gründe
1I. Die Antragstellerin ist eine GmbH. Ihr satzungsgemäßes Geschäftsjahr entspricht dem Kalenderjahr. Über ihr Vermögen wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Freiburg vom das Insolvenzverfahren eröffnet. Am wurde Eigenverwaltung angeordnet und ein Sachwalter bestellt. Vor der Verfahrenseröffnung hatten die Gesellschafter der Antragstellerin die Beteiligte zu 3 zur Abschlussprüferin für das zum endende Geschäftsjahr gewählt; der Beteiligten zu 3 war ein Prüfungsauftrag erteilt worden. Mit Schriftsatz vom beantragte die Antragstellerin mit Zustimmung des Sachwalters unter anderem, die Beteiligte zu 2 gerichtlich zur neuen Abschlussprüferin für den Jahresabschluss zum zu bestellen. Die Beteiligte zu 2 hat sich mit ihrer Bestellung einverstanden erklärt. Die Beteiligte zu 3 ist dem Antrag entgegengetreten. Das Amtsgericht hat die Bestellung abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.
2II. Das Beschwerdegericht (OLG Karlsruhe, ZIP 2017, 1431) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
3Die Voraussetzungen für die gerichtliche Bestellung des Abschlussprüfers nach § 155 Abs. 3 Satz 1 InsO in Verbindung mit § 318 HGB lägen nicht vor. Abweichend von § 155 Abs. 3 Satz 1 InsO regle § 155 Abs. 3 Satz 2 InsO, dass dann, wenn für das Geschäftsjahr vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits ein Abschlussprüfer bestellt worden sei, die Wirksamkeit dieser Bestellung durch die Eröffnung nicht berührt werde. Dies gelte nicht nur für das Jahr vor der Eröffnung, sondern für die vorhergehenden Jahre entsprechend.
4III. Die aufgrund der Zulassung durch das Beschwerdegericht statthafte und auch im Übrigen gemäß § 70 Abs. 1, § 71 FamFG zulässige Rechtsbeschwerde der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg.
5Das Beschwerdegericht hat zu Recht angenommen, dass § 155 Abs. 3 Satz 2 InsO nicht nur für das Geschäftsjahr vor der Eröffnung des Verfahrens gilt, sondern für die Geschäftsjahre davor entsprechende Anwendung findet. Ist für ein vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens endendes Geschäftsjahr im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits ein Abschlussprüfer bestellt, so wird die Wirksamkeit dieser Bestellung durch die Eröffnung nicht berührt.
61. Die Antragstellerin war befugt, die Bestellung eines neuen Abschlussprüfers für das Geschäftsjahr 2014 beim Amtsgericht zu beantragen.
7Der Abschlussprüfer einer Kapitalgesellschaft wird gem. § 318 Abs. 1 Satz 1 HGB von den Gesellschaftern gewählt, sofern nicht von der Gestaltungsmöglichkeit des § 318 Abs. 1 Satz 2 HGB Gebrauch gemacht worden ist. Nach der Wahl haben die gesetzlichen Vertreter, bei Zuständigkeit des Aufsichtsrats dieser, unverzüglich den Prüfungsauftrag zu erteilen (§ 318 Abs. 1 Satz 4 HGB). Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegt nach § 155 Abs. 3 Satz 1 InsO die Zuständigkeit zur Bestellung des Abschlussprüfers nicht mehr bei den Gesellschaftern, sondern die Bestellung kann nur auf Antrag des Insolvenzverwalters durch das Gericht erfolgen. Dies gilt im Fall der Eigenverwaltung nach §§ 270 ff. InsO entsprechend. In der Insolvenz einer Kapitalgesellschaft gilt bei angeordneter Eigenverwaltung für die Bestellung des Abschlussprüfers § 318 HGB mit der Maßgabe, dass die Bestellung ausschließlich durch das Amtsgericht auf Antrag der Schuldnerin erfolgt (vgl. § 281 Abs. 3 Satz 1, § 270 Abs. 1 InsO; BeckOKInsO/Kreutz/Ellers, 9. Ed. , § 281 Rn. 14; aA Beck BilKomm/Schmidt/Heinz, 11. Aufl., § 318 HGB Rn. 149).
82. Das Amtsgericht hat die Bestellung der Beteiligten zu 2 als neue Abschlussprüferin für das mit dem endende Geschäftsjahr der Schuldnerin zu Recht abgelehnt, weil die Wirksamkeit der vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgten Bestellung der Beteiligten zu 3 entsprechend § 155 Abs. 3 Satz 2 InsO durch die Verfahrenseröffnung nicht berührt wurde.
9a) § 155 Abs. 3 Satz 2 InsO wird als gesetzliche Durchbrechung der §§ 115, 116 InsO angesehen, wonach Geschäftsbesorgungsaufträge durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlöschen (Uhlenbruck/Sinz, InsO, 14. Aufl., § 155 Rn. 24; Kübler in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 75. Lieferung 03.2018, § 155 Rn. 70; K. Schmidt/Schmittmann, InsO, 19. Aufl., § 155 Rn. 58; MünchKommInsO/Füchsl/Weishäupl/Jaffé, 3. Aufl., § 155 Rn. 21). Die Vorschriften über das Erlöschen von Geschäftsbesorgungsverträgen gelten auch, wenn Eigenverwaltung angeordnet wurde mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Insolvenzverwalters der Schuldner tritt (§ 279 Satz 1 InsO).
10b) Es ist umstritten, ob § 155 Abs. 3 Satz 2 InsO nur für das durch die Insolvenzeröffnung regelmäßig entstehende Rumpfgeschäftsjahr (§ 155 Abs. 2 Satz 1 InsO) bis zur Insolvenzeröffnung gilt oder ob die Regelung auch auf die davorliegenden Geschäftsjahre anzuwenden ist. Der Senat hat die Frage bisher nicht entschieden (insoweit offen , BGHZ 190, 291 Rn. 13).
11Einerseits wird vertreten, dass nach § 155 Abs. 3 Satz 2 InsO die Wirksamkeit einer bereits vor der Verfahrenseröffnung vorgenommenen Bestellung eines Abschlussprüfers durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur dann nicht berührt werde, wenn sie das mit ihr endende Geschäftsjahr betreffe. Für davor liegende Geschäftsjahre habe die Bestellung nach § 155 Abs. 3 Satz 1 InsO auf Antrag des Insolvenzverwalters durch das Amtsgericht (neu) zu erfolgen (OLG Dresden, ZIP 2009, 2458; Froehner, GWR 2017, 282; Kaiser/Berbuer, ZIP 2017, 161, 163; Kniebes, ZInsO 2015, 383, 385; BeckOKInsO/von Bodungen, 9. Ed. , § 155 Rn. 36; Lind in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 3. Aufl., § 155 Rn. 9; Depré in Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 8. Aufl., § 155 Rn. 16; Uhlenbruck/Sinz, InsO, 14. Aufl., § 155 Rn. 24; MünchKommInsO/Füchsl/Weishäupl/Jaffé, 3. Aufl., § 155 Rn. 21). Andererseits wird vertreten, dass auch die Bestellung eines Abschlussprüfers für frühere Jahre von § 155 Abs. 3 Satz 2 InsO erfasst und deren Wirksamkeit durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt werde (OLG Frankfurt am Main, ZIP 2004, 1114, 1115; Göb/Ossendot, NZI 2017, 730; BeckBilKomm/Schmidt/Heinz, 11. Aufl., § 318 HGB Rn. 148; Haffa/Leichtle in Braun, InsO, 7. Aufl., § 155 Rn. 12; Graf-Schlicker/Breitenbücher, InsO, 4. Aufl., § 155 Rn. 26; Kübler in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 75. Lieferung 03.2018, § 155 Rn. 69; wohl auch Merkt in Baumbach/Hopt, 38. Aufl., § 318 Rn. 13; MünchKommHGB/Ebke, 3. Aufl., § 318 Rn. 66).
12c) Die letztgenannte Auffassung ist richtig. Die gesetzliche Anordnung in § 155 Abs. 3 Satz 2 InsO, dass die Wirksamkeit der Bestellung eines Abschlussprüfers für ein vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens endendes Geschäftsjahr durch die nach der Bestellung erfolgte Eröffnung nicht berührt wird, gilt nicht nur für das Geschäftsjahr vor der Eröffnung des Verfahrens, sondern auch für die davor liegenden Geschäftsjahre.
13Für die gegenteilige Auffassung spricht zwar der Wortlaut des § 155 Abs. 3 Satz 2 InsO, der ausdrücklich das „Geschäftsjahr vor der Eröffnung“ nennt (auf den Wortlaut abstellend Froehner, GWR 2017, 282; Kaiser/Berbuer, ZIP 2017, 161, 163; Kniebes, ZInsO 2015, 383, 385). Richtigerweise ist aber im Hinblick auf die Geschäftsjahre, die vor dem letzten Geschäftsjahr vor der Insolvenzeröffnung liegen, von einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen, die durch eine analoge Anwendung des § 155 Abs. 2 Satz 2 InsO zu schließen ist. Ob eine derartige Lücke im Gesetz vorhanden ist, die im Wege der Analogie ausgefüllt werden kann, ist vom Standpunkt des Gesetzes und der ihm zugrunde liegenden Regelungsabsicht zu beurteilen. Das Gesetz muss also, gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht, unvollständig sein (, ZIP 2015, 88 Rn. 17; Urteil vom - II ZR 158/16, ZIP 2018, 870 Rn. 31, beide mwN). Das ist hier der Fall.
14Der Gesetzesbegründung lässt sich nicht entnehmen, dass eine Sonderregelung ausschließlich für das durch die Insolvenzeröffnung beendete Geschäftsjahr geschaffen werden sollte. Auch wenn das mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens endende - regelmäßig verkürzte - Geschäftsjahr dem Wortlaut der Norm entsprechend dort ausdrücklich erwähnt wird, schließt die Gesetzesbegründung die Ausdehnung auf frühere Geschäftsjahre nicht aus (aA Kaiser/Berbuer, ZIP 2017, 161, 163; Kniebes, ZInsO 2015, 383, 385). Eine Erstreckung des § 155 Abs. 3 Satz 2 InsO auf frühere Geschäftsjahre unterfällt der primären Regelungsabsicht des § 155 Abs. 3 InsO, die darin besteht, neben der zeitlichen Abgrenzung der Befugnisse zur Auswahl eines Abschlussprüfers mit dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits erfolgten Bestellungen eine von der Verfahrenseröffnung unberührte Bestandskraft zu verleihen.
15Bis zur Verfahrenseröffnung liegt die Befugnis zur Wahl des Abschlussprüfers grundsätzlich bei den Gesellschaftern. Ab der Insolvenzeröffnung liegt die Bestellungsbefugnis nach Antrag des Insolvenzverwalters beim Gericht. So formuliert der Regierungsentwurf, dass "… die Befugnis der Gesellschafter, den Abschlussprüfer zu wählen (…) wegen der wirtschaftlichen Bedeutung der Bestellung des Abschlussprüfers im Insolvenzverfahren nicht mehr angemessen (ist)", dass diese Befugnis "im Insolvenzverfahren nicht fortbestehen soll" (BT-Drucks. 12/2443 S. 173 zu § 174 RegE InsO). Die Bestellung habe in dieser Situation ausschließlich auf Antrag des Insolvenzverwalters zu erfolgen. Bezogen auf diese alleinige Antragsbefugnis des Insolvenzverwalters nach der Insolvenzeröffnung hat der Gesetzgeber dann weiter ausgeführt, wenn allerdings im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits ein Abschlussprüfer gewählt und ihm der Prüfungsauftrag erteilt worden sei, soll dieser Abschlussprüfer berechtigt bleiben, den Jahresabschluss des mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens endenden - regelmäßig verkürzten - Geschäftsjahres zu prüfen. Dieser Bezug macht unabhängig von seiner zeitlichen Eingrenzung deutlich, dass der Gesetzgeber bereits erfolgten Bestellungen durch § 155 Abs. 3 Satz 2 InsO eine von der Verfahrenseröffnung und der danach dem Insolvenzverwalter zukommenden Antragsbefugnis unbeeinflusste Bestandskraft zukommen lassen wollte.
16Diese Regelungsabsicht wird im Fall der bereits erfolgten Bestellung eines Abschlussprüfers für vor dem letzten Geschäftsjahr vor der Insolvenzeröffnung liegende Geschäftsjahre in § 155 Abs. 3 Satz 2 InsO nur unvollständig umgesetzt. Für eine zeitliche Beschränkung der Bestandskraft auf die für das letzte der Insolvenzeröffnung vorgelagerte Geschäftsjahr erfolgte Abschlussprüferbestellung ist nicht nur kein sachlicher Grund ersichtlich, sie hat auch keinen Sinn. Das für die begrenzte Anwendung des § 155 Abs. 3 Satz 2 InsO herangezogene Argument, die Erstreckung der Norm auf frühere Geschäftsjahre sei abzulehnen, weil sie dazu führe, dass der Insolvenzverwalter an den von den Gesellschaftern gewählten Prüfer gebunden bleibe, was in Fällen, in denen Zweifel an der bisherigen Arbeit der Prüfer bestehe, negativ sei (Kaiser/Berbuer, ZIP 2017, 161, 163), überzeugt nicht. Hätte der Gesetzgeber im Hinblick auf Zweifel an der Arbeit der bisherigen Prüfer die Stellung des Insolvenzverwalters stärken wollen, hätte es im Gegenteil nahegelegen, auf § 155 Abs. 3 Satz 2 InsO zu verzichten und dem Insolvenzverwalter insgesamt die Auswahl der Abschlussprüfer zuzuweisen, soweit eine Prüfung noch nicht stattgefunden hat. Es erscheint widersinnig, in der Insolvenz zwar eine Bindung an die Prüferbestellung der Gesellschafter für den unmittelbar vor der Eröffnung liegenden "Schlüsseljahresabschluss" anzunehmen, eine Bindung hingegen für die davorliegenden, für die Insolvenz regelmäßig weniger interessanten Jahre zu verneinen (vgl. Göb/Ossendot, NZI 2017, 730; Kniebes, ZInsO 2015, 383, 385; Wozniak, jurisPR-InsR 16/2017 Anm. 4). Sofern der Insolvenzverwalter der Auffassung ist, dass dies aus einem in der Person des gewählten Prüfers liegenden Grund geboten erscheint, kann er gemäß § 318 Abs. 3 HGB die gerichtliche Ersetzung des Abschlussprüfers beantragen.
17IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
18Die Wertfestsetzung folgt aus § 67 Abs. 1 Nr. 1 GNotKG.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:080518BIIZB17.17.0
Fundstelle(n):
BB 2018 S. 1904 Nr. 33
DB 2018 S. 1786 Nr. 30
DB 2018 S. 21 Nr. 30
DB 2018 S. 7 Nr. 27
DB 2018 S. 7 Nr. 29
DStR 2018 S. 1931 Nr. 37
DStR 2018 S. 2497 Nr. 47
GmbH-StB 2018 S. 281 Nr. 9
GmbHR 2018 S. 844 Nr. 16
NWB-Eilnachricht Nr. 31/2018 S. 2238
StuB-Bilanzreport Nr. 16/2018 S. 608
WM 2018 S. 1314 Nr. 28
ZIP 2018 S. 1358 Nr. 28
AAAAG-88073