Beschwerde gegen AdV-Beschl.
Gesetze: FGO § 128 Abs. 3, § 69
Gründe
Das Finanzgericht (FG) hat den Antrag der Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Haftungsbescheids laut Rubrum des Antragsgegners und Beschwerdegegners (Finanzamt —FA—) teilweise abgelehnt, ohne die Beschwerde zuzulassen.
Gegen diesen Beschluss des FG hat die Antragstellerin Beschwerde ”gegen die Nichtzulassung der Beschwerde” eingelegt, mit der sie die Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend macht. Zudem führt sie aus, die Beschwerde sei (entgegen dem , BFH/NV 2000, 986) nicht unstatthaft, da erhebliche Verfahrensmängel des FG vorlägen. Das FG habe vorgelegte Beweise nicht berücksichtigt und sich über gerichtsbekannte Tatsachen hinweggesetzt.
Das Rechtsmittel war wieder an das zuständige FG zurückzugeben. Der BFH ist für die Entscheidung nicht zuständig.
1. Nach § 128 Abs. 3 FGO steht den Beteiligten gegen die Entscheidung des FG über eine AdV gemäß § 69 Abs. 3 FGO die Beschwerde nur zu, wenn sie in der Entscheidung selbst oder nachträglich (vgl. , BFHE 186, 236, BStBl II 1998, 721) vom FG zugelassen worden ist. Vorliegend hat das FG die Beschwerde weder im angegriffenen Beschluss noch nachträglich zugelassen.
2. Eine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Beschwerde sieht die FGO bei Entscheidungen des FG über einen Antrag auf AdV nicht vor. § 128 Abs. 3 Satz 2 FGO ordnet lediglich die entsprechende Anwendung des § 115 Abs. 2 FGO in dem Sinne an, dass die dort genannten Kriterien für die Zulassung der Beschwerde durch das FG maßgebend sind (BFH-Beschlüsse vom V B 18/95, BFH/NV 1995, 715; vom I B 83/02, BFH/NV 2003, 61). Die entsprechende Anwendung des § 116 Abs. 1 FGO —die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision betreffend— ist in § 128 Abs. 3 FGO nicht vorgesehen (BFH-Beschlüsse vom III B 1/00, BFH/NV 2000, 1111; in BFH/NV 2003, 61). Gegen diese Regelung bestehen keine verfassungsmäßigen Bedenken; das Grundgesetz (GG) garantiert keine Mehrstufigkeit der jeweiligen gerichtlichen Verfahren (vgl. , Steuerrechtsprechung in Karteiform —StRK—, Gesetz zur Entlastung des Bundesfinanzhofs, Rechtsspruch 39).
3. Auch eine außerordentliche Beschwerde kommt entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht in Betracht. Allerdings hat der BFH in der Vergangenheit eine derartige Beschwerde, die in der FGO selbst nicht vorgesehen ist, ausnahmsweise in Fällen für zulässig erachtet, in denen der angefochtene Beschluss unter schwerwiegender Verletzung von Verfahrensvorschriften zustandegekommen ist oder auf einer Gesetzesauslegung beruhte, die offensichtlich dem Wortlaut und dem Zweck des Gesetzes widersprach. Jedoch ist ein solcher Rechtsbehelf im Finanzgerichtsverfahren seit dem In-Kraft-Treten des Zivilprozessreformgesetzes (ZPO-RG) vom (BGBl I 2001, 1887) mit der Einfügung eines § 321a in die Zivilprozessordnung (ZPO) nicht mehr statthaft (, BFHE 200, 42, BStBl II 2003, 269).
Gemäß § 321a Abs. 1 ZPO ist auf Rüge der durch ein unanfechtbares Urteil beschwerten Partei der Prozess vor dem Gericht des ersten Rechtszuges fortzuführen, wenn dieses Gericht den Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Darüber hinaus ist § 321a ZPO der allgemeine Rechtsgrundsatz zu entnehmen, dass die Beseitigung von Verfahrensfehlern nach Ergehen einer mit förmlichen Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbaren Entscheidung durch das entscheidende Gericht selbst (iudex a quo) zu erfolgen hat (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 200, 42, BStBl II 2003, 269). Damit entfällt das Bedürfnis, das nächsthöhere Gericht (iudex ad quem) mit einer außerordentlichen Beschwerde zu befassen (, BGHZ 150, 133). Dies gilt nicht nur im Zivilprozess, sondern auch in allen anderen Fällen, in denen eine Prozessordnung —wie für den Finanzprozess durch § 155 FGO geschehen— die ZPO für entsprechend anwendbar erklärt (, Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 2002, 2657).
4. Der Rechtsbehelf des Antragstellers ist somit als Gegenvorstellung analog § 321a ZPO zu werten, da die Antragstellerin, soweit erkennbar, im Ergebnis eine Abänderung der Vorentscheidung und damit nicht ausschließlich eine Entscheidung durch den BFH begehrt (vgl. , nicht veröffentlicht —n.v.—). Als solcher ist er statthaft, da gegen die angefochtene Entscheidung kein förmlicher Rechtsbehelf gegeben ist. Die Entscheidung darüber, ob die Gegenvorstellung vorliegend aufgrund der von der Antragstellerin vorgetragenen Rüge von Verfahrensfehlern zulässig (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom VII B 35/02, n.v.; vom II B 57/94, BFH/NV 1995, 333; vom V R 22, 23/93, BFH/NV 1998, 32) und zudem begründet ist, obliegt dem Ausgangsgericht; darüber zu befinden ist der Senat gehindert.
Eine erneute Entscheidung des FG über die Gegenvorstellung erübrigt sich nicht deshalb, weil es mit Beschluss vom der von der Antragstellerin erhobenen Beschwerde nicht abgeholfen hat. Bei einem Nichtabhilfebeschluss i.S. des § 130 Abs. 1 FGO handelt es sich lediglich um eine Entschließung der Vorinstanz, keine andere Entscheidung zu treffen, nicht hingegen um eine selbständige ”Entscheidung” i.S. des § 128 Abs. 1 FGO. Zudem braucht der Nichtabhilfebeschluss regelmäßig weder begründet zu werden noch ist er den Beteiligten bekannt zu geben (vgl. dazu , BFHE 105, 333, BStBl II 1972, 575; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 130 Anm. 7). Auch vorliegend ist eine Begründung unterblieben.
5. Das Verfahren wird somit an das funktional zuständige FG zurückgegeben. Der Senat entscheidet über die Abgabe durch Beschluss (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 200, 42, BStBl II 2003, 269).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 1431
BFH/NV 2003 S. 1431 Nr. 11
PAAAA-69952