BFH Beschluss v. - I B 35/02

Rüge fehlerhafter Rechtsanwendung rechtfertigt keine Revisionszulassung

Gesetze: FGO § 116 Abs. 3

Gründe

I. Streitig ist die Frage, mit welchen Kapitalanteilen eine als ”Vorabausschüttung” bezeichnete Ausschüttung zu verrechnen ist.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine GmbH, die Chemikalien herstellt und vertreibt sowie analytische Untersuchungen durchführt. In ihrer Gesellschafterversammlung vom wurde folgender Beschluss gefasst:

”Nachdem für 1998 erneut ein gutes Ergebnis zu erwarten ist, beschließen die Gesellschafter eine sofortige Vorabausschüttung für 1998 in Höhe von DM 300 000 zuzüglich Körperschaftsteuer-Minderung von DM 120 000, also insgesamt DM 420 000. Die Ausschüttung wird noch im Dezember 1998 ausgeführt.”

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) erließ daraufhin einen Bescheid über die Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals (vEK) zum , in welchem das noch vorhandene Eigenkapital i.S. des § 30 Abs. 1 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1991— (EK 50) in Höhe von 358 458 DM nach § 54 Abs. 11 a Satz 2 KStG 1996 in Eigenkapitalbeträge nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1996 (EK 45) und solche nach § 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG 1996 (EK 02) umgegliedert wurde. Parallel wurde die Vorabausschüttung in Höhe von 420 000 DM mit dem umgegliederten EK 45 verrechnet. Auf Grund der vorgenommenen Verrechnung erließ das FA einen Körperschaftsteuerbescheid für das Streitjahr, in dem u.a. eine Körperschaftsteuerminderung in Höhe von 90 000 DM festgestellt wurde.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Klägerin vor dem Finanzgericht (FG) Klage gegen die vorgenannten Bescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung, welche allerdings erfolglos blieb. Das FG behandelte die Vorabausschüttung als andere Ausschüttung i.S. des § 28 Abs. 2 Satz 2 KStG 1996, welche nach den Grundsätzen des (BFHE 187, 440, BStBl II 1999, 171) mit dem umgegliederten vEK zum zu verrechnen sei. Das FG ließ die Revision gegen sein Urteil nicht zu.

Dagegen wehrt sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde, mit der sie sinngemäß beantragt, die Revision gegen das Urteil des FG München, Außensenate Augsburg, vom 22. Januar 2002 6 K 1490/00 zuzulassen.

Dem ist das FA entgegengetreten. Es beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist unzulässig und war daher zu verwerfen. Die Klägerin hat keinen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise dargelegt.

1. Soweit sich die Klägerin darauf stützt, das FG habe dadurch gegen Denkgesetze verstoßen, dass es ein mathematisch unmögliches Ergebnis rechtlich zu begründen versucht habe, kann damit ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nicht dargelegt werden. Der Verstoß gegen Erfahrungssätze und Denkgesetze verletzt nicht Verfahrensrecht, sondern materielles Recht (BFH-Beschlüsse vom VIII B 49/90, BFHE 167, 488, BStBl II 1992, 671; vom V B 13/89, BFH/NV 1992, 668).

2. Auch durch die Einlassung, das FG habe durch fehlerhafte Würdigung des Gesellschafterbeschlusses vom § 28 Abs. 3 KStG 1996 nicht beachtet, hat die Klägerin keinen Zulassungsgrund in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise dargelegt. Mit ihrer Einlassung rügt die Klägerin die fehlerhafte Rechtsanwendung im Einzelfall, die auch nach neuem Recht eine Zulassung der Revision nicht rechtfertigt, sofern es sich nicht um einen schwerwiegenden Rechtsfehler handelt (BFH-Beschlüsse vom X B 46/01, BFH/NV 2001, 1596, und vom IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837).

Einen solchen (möglichen) schwerwiegenden Rechtsfehler hat die Klägerin aber nicht dargelegt. Sie hat lediglich ausgeführt, dass der streitbefangene Gesellschafterbeschluss neben dem Wort ”Vorabausschüttung” auch Zahlen enthält, die dagegen sprächen, dass eine Vorabausschüttung gemeint gewesen sei. Damit macht sie zwar geltend, das FG habe den Gesellschafterbeschluss zu Unrecht als Vorabausschüttungsbeschluss gewertet, nicht jedoch —wie erforderlich—, dass das Auslegungsergebnis des FG unvertretbar oder willkürlich sei. Ein solcher Fall liegt dann ersichtlich nicht vor, wenn die auszulegende Urkunde Umstände enthält, die für das Auslegungsergebnis des FG sprechen.

Das FG hat im Streitfall maßgeblich auf die Bezeichnung ”Vorabausschüttung” in der streitbefangenen Urkunde abgestellt. Diese Bezeichnung steht im Einklang mit dem —ebenfalls in der Urkunde zum Ausdruck kommenden— Umstand, dass die Gesellschafter Gewinn vorab, d.h. noch im Verlaufe des Streitjahres, ausschütten wollten. Wenn die Gesellschafter bei dieser Sachlage davon ausgegangen sind, dass eine Verrechnung der Ausschüttung mit dem EK 50 zu erfolgen habe, spricht dies nicht —wie die Klägerin meint— gegen das Vorliegen einer Vorabausschüttung, sondern dafür, dass sich die Gesellschafter nicht über die gliederungsrechtlichen Folgen einer Vorabausschüttung klar waren. Das FG ist demnach zu einem rechtlich möglichen Auslegungsergebnis gelangt.

3. Der Beschluss ergeht im Übrigen nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ohne weitere Begründung.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 784
BFH/NV 2003 S. 784 Nr. 6
VAAAA-69950