Frage der Zulässigkeit des Dividendenstripping ist geklärt
Gesetze: EStG § 5; HGB § 340b
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin), eine GmbH, ist als Börsenmaklerin tätig. Im Rahmen dieser Tätigkeit kaufte sie im Jahr 1990 Aktien der X-AG und der Y-AG von der Z-Bank AG (”cum Dividende”). Am Tag des Kaufs verkaufte sie sog. neue Aktien, also solche ohne Dividendenberechtigung für den nächsten Ausschüttungstermin (”ex Dividende”), derselben Gesellschaften und in demselben Umfang an die Z-Bank AG zurück. Hierbei handelte es sich um folgende Vorgänge:
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An- und Verkaufstag | Anzahl | Wertpapier-Kenn-Nr. | Kurs Ankauf (DM)
| Kaufpreis inkl. Provi-sion (DM) | Kurs Verkauf (DM) | Verkaufserlös nach Provi-sion (DM) | |
X-AG | 50 000 | ... | 293 | 14 655 860,00 | 277 | 13 844 460,00
| |
Y-AG | 57 258 | ... | 291 | 16 668 742,83 | 275 | 15 739 651,62 |
Für die Klägerin wurden sodann Dividendengutschriften einen Tag nach der jeweiligen Hauptversammlung in folgender Höhe vorgenommen: Am schüttete die X-AG eine Dividende in Höhe von 13 DM pro Aktie aus, wodurch die Klägerin eine Bruttodividende in Höhe von 650 000 DM erhielt, von der unter Einbehaltung einer Kapitalertragsteuer in Höhe von 162 500 DM ein Nettobetrag in Höhe von 487 500 DM ausbezahlt wurde. Die anrechenbare Körperschaftsteuer wurde mit 365 625 DM bescheinigt. Eine Dividendenzahlung der Y-AG am in Höhe von 13 DM pro Stück ergab einen Bruttobetrag in Höhe von 744 354 DM sowie eine einbehaltene Kapitalertragsteuer von 186 088,50 DM und eine anzurechnende Körperschaftsteuer in Höhe von 418 699,13 DM.
Die Klägerin berücksichtigte die Kursverluste (inkl. An- und Verkaufsposten) gewinnmindernd, während die Bruttodividende zuzüglich anrechenbarer Körperschaftsteuer als Ertrag erfasst
wurde. Die einbehaltene Kapitalertragsteuer und die anrechenbare Körperschaftsteuer rechnete die Klägerin unter Vorlage entsprechender Steuerbescheinigungen bei der Ermittlung der Körperschaftsteuer an.
Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt —FA—) vertrat demgegenüber die Auffassung, der Ankauf der Aktien und der gleichzeitige Verkauf neuer Aktien erfülle den Umgehungstatbestand des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977). Die getätigten An- und Verkäufe hätten auf Grund des kalkulierten Kurses zwingend zu einem erheblichen Verlust geführt, der nur durch die Erstattung von Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer habe ausgeglichen werden können. Andererseits hätten die nicht anrechnungsberechtigten Geschäftspartner über der zu erwartenden Nettodividende liegende Kursgewinne erzielt, so dass durch diese Gestaltung eine Umgehung des Ausschlusses der Körperschaftsteueranrechnung möglich gewesen sei. Des Weiteren spreche für ein Umgehungsgeschäft, dass die Klägerin weder an der Hauptversammlung teilgenommen noch ihr Stimmrecht ausgeübt und keine sich aus derartigen Aktienpaketen ergebenden Marktchancen wahrgenommen habe. Dementsprechend wurden die Aktienerwerbe, die Veräußerungen der Aktien und die Dividendenzuflüsse nicht anerkannt und zugleich die Anrechnung von Kapitalertragsteuer und Körperschaftsteuer abgelehnt. Dadurch ergaben sich für das Jahr 1990 und für die Folgejahre 1991 und 1992 (Streitjahre) Änderungen der Besteuerungsgrundlagen.
Die dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf gab ihr unter Hinweis auf das Senatsurteil vom I R 29/97 (BFHE 190, 446, BStBl II 2000, 527) statt. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgericht (EFG) 2003, 20 abgedruckt. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Seine Nichtzulassungsbeschwerde stützt das FA auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Klägerin ist dem entgegengetreten.
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Ein Zulassungsgrund gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO ist nicht gegeben.
1. Das FA sieht eine grundsätzliche Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zum einen in der Rechtsfrage, ob die über ein Kreditinstitut gleichzeitig angekauften und wieder zurückverkauften Aktien nebst Dividenden nach § 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in Verbindung mit den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung, wie sie in § 340b des Handelsgesetzbuchs (HGB) zum Ausdruck kommen, dem Nichtanrechnungsberechtigten zuzurechnen sind.
Dem FA ist jedoch bereits im Ausgangspunkt darin nicht zu folgen, dass es sich bei den von der Klägerin in den Streitjahren getätigten Wertpapiergeschäften um sog. echte Pensionsgeschäfte i.S. des § 340b HGB gehandelt hätte. Denn im Streitfall sind die in Rede stehenden Wertpapiergeschäfte von der (anrechnungsberechtigten) Klägerin nach den vom FG getroffenen und deshalb in einem nachfolgenden Revisionsverfahren bindenden (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) Feststellungen in jeweils voneinander separaten An- und Verkaufsgeschäften getätigt worden, ohne dass die Klägerin zur Rückübertragung identischer oder auch nur gattungsgleicher Wertpapiere (als vertretbarer Gegenstände, vgl. dazu Böcking/ Oldenburger in Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, § 340b Rz. 14) verpflichtet gewesen wäre. Sog. echte Wertpapierpensionsgeschäfte setzen jedoch gerade eine vertragliche Verbundenheit der Kauf- und Rückkaufvereinbarung in Gestalt einer entsprechenden Rückübertragungsverpflichtung des Pensionsnehmers voraus —§ 340b Abs. 2 HGB— (einhellige Meinung, vgl. z.B. Schmid/Stoll, Deutsches Steuerrecht —DStR— 2001, 2137; Häuselmann/Wagner, Finanz-Rundschau 2003, 331, 334; Treuberg/Scharpf, Der Betrieb 1991, 1233, 1235; Sorgenfrei, Internationales Steuerrecht 1998, 737; Mühlhäuser/Stoll, DStR 2002, 1597; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl., § 246 HGB Rz. 345 f., jeweils m.w.N.). Da es daran fehlt, wäre die vom FA aufgeworfene Rechtsfrage in einem nachfolgenden Revisionsverfahren nicht klärungsfähig.
2. Die zweite vom FA aufgeworfene und als grundsätzlich bedeutsam angesehene Rechtsfrage betrifft jene danach, ob die Klägerin bereits durch den Abschluss der Vereinbarungen und ungeachtet noch nicht erfolgter Umbuchungen das rechtliche und wirtschaftliche Eigentum an den Aktien gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 habe erwerben können, obwohl sie aus wirtschaftlicher Sicht keinerlei Kursrisiko getroffen habe. Für Letzteres gibt der vom FG festgestellte Sachverhalt ebenfalls keine Grundlage. Das FG ist im Gegenteil von dem Übergang auch der Kursrisiken und Chancen an den von der Klägerin erworbenen Aktien ausgegangen. Es hat zudem eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung zur unmittelbaren Rückübertragung der übertragenen Wertpapiere verneint. In Anbetracht dessen ist ein Unterschied zwischen dem hier und jenem im Urteil vom I R 29/97 (BFHE 190, 446, BStBl II 2000, 527) zu beurteilenden Sachverhalt nicht zu erkennen. Dementsprechend hat auch der III. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) die Revision gegen das Urteil des Hessischen (EFG 2001, 898) nicht zugelassen und die Beschwerde des dort beklagten FA zurückgewiesen, weil die Frage, ob bei einem taggleichen Ankauf und Verkauf von Aktien wirtschaftliches Eigentum an den erworbenen Aktien begründet werden kann, vom BFH geklärt sei (Beschluss vom III B 50/01, BFH/NV 2003, 55).
3. Schließlich erzwingt auch der Umstand, dass die Finanzverwaltung das Senatsurteil in BFHE 190, 446, BStBl II 2000, 527 bislang nicht anwendet (vgl. BStBl I 2000, 1392), keine Revisionszulassung. Zwar kann einer Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommen, weil die Finanzverwaltung bei einem gleichen Sachverhalt nicht nach den vom BFH entwickelten Rechtsgrundsätzen verfährt (vgl. , BFHE 93, 267, BStBl II 1968, 779, m.w.N.). Das FA hat jedoch keine beachtlichen, vom Senat bislang noch nicht berücksichtigten Gesichtspunkte vorgebracht, so dass es an der erforderlichen Klärungsbedürftigkeit auch insoweit fehlt. Weitere Revisionen in dieser Sache sind beim BFH derzeit nicht anhängig; das betrifft auch die vom FA insoweit angeführten Revisionen I R 89/01 und I R 97/01 zu angeblichen Parallelverfahren.
Im Übrigen ergeht dieser Beschluss gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ohne Begründung.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 1581
BFH/NV 2003 S. 1581 Nr. 12
WAAAA-69902