Eingruppierung in der Brot- und Backwarenindustrie
Gesetze: § 1 TVG
Instanzenzug: Az: 2 Ca 772/16 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 3 Sa 958/16 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers und damit zusammenhängende Entgeltdifferenzansprüche.
2Der Kläger ist seit 2003 bei der Beklagten, die in ihrem Betrieb an insgesamt 10 „Linien“ Brot- und Backwaren (Schnittbrot, Ganzbrot, Baguette, Brötchen und Spezialbrötchen) in industrieller Fertigung produziert, beschäftigt. Er ist an einer Maschine in der Brötchenverpackung tätig.
3Für das Arbeitsverhältnis gelten kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer in den Betrieben und Betriebsabteilungen der Brot- und Backwarenindustrie, in den Betrieben der Großbäckereien und in den Betrieben des Brot- und Backwarenvertriebs Nordrhein-Westfalen (MTV) sowie der Lohn- und Gehaltstarifvertrag vom (LTV). Der Kläger wird von der Beklagten derzeit nach der Lohngruppe IV b LTV vergütet.
4Der Kläger hat - nach vorheriger erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung - mit seiner Klage zuletzt noch die Auffassung vertreten, er sei in der Lohngruppe III/1 LTV eingruppiert und hat die entsprechende Feststellung sowie hieraus resultierende Entgeltdifferenzansprüche für den Zeitraum von Juli 2015 bis Februar 2016 geltend gemacht. Er übe Tätigkeiten aus, die über den Rahmen der Richtbeispiele der niedrigeren Lohngruppe IV LTV hinausgingen, zumal der LTV die maschinelle Verpackung in dem Richtbeispiel zur Lohngruppe IV LTV („Einpacken“) gar nicht erfasse. Auch erschöpfe sich seine Tätigkeit nicht im Einpacken von Brot. Er führe ua. auch Einrichtungs- und Umrüsttätigkeiten sowie Qualitätskontrollen aus, behebe Störungen und sei für die Dokumentation verantwortlich. Er sei deshalb als „Maschinenbediener“ einzustufen.
5Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Bedeutung - beantragt,
6Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag vorrangig damit begründet, dass der Kläger keine Arbeiten im Backbetrieb leiste und das Richtbeispiel „Einpacken“ der Lohngruppe IV LTV erfülle, weshalb er ausschließlich nach dieser Lohngruppe zu vergüten sei. Im Übrigen lasse sein Vortrag keinen wertenden Vergleich zu, da er lediglich schlagwortartig bestimmte Tätigkeiten anführe.
7Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Gründe
8Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers im Ergebnis und weitgehend mit zutreffender Begründung rechtsfehlerfrei zurückgewiesen.
9I. Die Klage ist auch nach der gebotenen Auslegung nur teilweise zulässig.
101. Der Feststellungsantrag zu 2. ist als üblicher Eingruppierungsfeststellungsantrag auszulegen (vgl. dazu zB - Rn. 14 mwN). Zwar begehrt der Kläger nach dem Wortlaut dieses Antrags die Feststellung der Verpflichtung zur Eingruppierung in eine bestimmte Entgeltgruppe. Dabei handelte es sich nicht um ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis, da die Eingruppierung keine vom Arbeitgeber vorzunehmende Handlung ist (st. Rspr., zB - BAGE 67, 59). Aus dem Gesamtzusammenhang und dem Antragswortlaut im Übrigen ist aber ersichtlich, dass er das Ziel verfolgt, die Vergütungsverpflichtung der Beklagten nach einer bestimmten Entgeltgruppe feststellen zu lassen.
112. Der Feststellungsantrag zu 2. ist gleichwohl nur teilweise, nämlich für den Zeitraum ab dem , zulässig. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist für den Zeitraum bis zum nicht gegeben, da dieser hinsichtlich des Vergütungsinteresses schon durch den Zahlungsantrag abgedeckt ist und ein darüber hinausgehendes Interesse weder dargelegt noch sonst ersichtlich ist.
12II. Die im Übrigen zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung eines Entgelts nach der Lohngruppe III/1 LTV. Er erfüllt die dort genannten Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals dieser Lohngruppe nicht.
131. Die für die Eingruppierung des Klägers maßgebenden Regelungen ergeben sich kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit aus dem MTV und dem LTV.
14a) Der MTV sieht in § 6 Nr. 2 vor, dass die Arbeitnehmer entsprechend der Art ihrer Tätigkeit in die vereinbarten Lohn- bzw. Gehaltsgruppen eingestuft werden. Dabei sollen nicht die beruflichen Bezeichnungen, sondern allein die Tätigkeitsmerkmale der zu verrichtenden Arbeit und die beruflichen Anforderungen maßgebend sein. Nach § 6 Nr. 4 MTV enthalten die Gruppenpläne die Merkmale der tariflichen Lohn- und Gehaltsgruppen sowie Beispiele für typische Tätigkeiten, die „als Richtlinie“ gelten sollen. Maßgebend für die Eingruppierung sind die Gruppenmerkmale. Nach § 6 Nr. 5 MTV erfolgt die Eingruppierung im Fall der gleichzeitigen Ausübung mehrerer Tätigkeiten, die in verschiedene Entgeltgruppen fallen, entsprechend der überwiegenden Tätigkeit.
15b) Die im MTV erwähnten Merkmale der tariflichen Lohngruppen sind im LTV näher bestimmt. Sie lauten auszugsweise:
162. Der Kläger erfüllt die Anforderungen der Lohngruppe III/1 LTV nicht.
17a) Das Landesarbeitsgericht hat die vom Kläger in der Revision allein noch geltend gemachte Vergütungsverpflichtung nach der Lohngruppe III/1 LTV zutreffend verneint.
18Das Berufungsgericht hat angenommen, der Kläger erfülle ein Regelbeispiel der Lohngruppe IV LTV, in der ua. das „Einpacken“ genannt sei. „Einpacken“ sei nach allgemeinem Sprachgebrauch, etwas mit einer Hülle zu versehen oder in ein Behältnis zu tun oder mit einem besonderen Papier zu umwickeln. Der LTV erfasse dabei auch nicht nur das manuelle „Einpacken“, sondern auch das maschinelle Verpacken. Das ergebe sich bereits aus dem Geltungsbereich des Tarifvertrags, der auch die industrielle Fertigung umfasse. Deshalb falle auch die Tätigkeit des Klägers bei der maschinellen Verpackung unter dieses Regelbeispiel und es fänden die allgemeinen Anforderungen der Tätigkeitsmerkmale anderer Entgeltgruppen keine Anwendung. Der Kläger habe auch nicht dargelegt, inwieweit sich seine Tätigkeit aus der in der Lohngruppe IV LTV genannten einfachen Tätigkeit heraushebe. Sein Vortrag zu seinen Tätigkeiten bei dem „Überwachen“ der Anlage, ihrer Befüllung, der Metalldetektorenkontrolle, dem Folienwechsel, der Dokumentation und der Störungsbehebung sei nicht hinreichend detailliert. Er benenne lediglich die aufgeführten Tätigkeiten als solche und mache überdies zu den zeitlichen Anteilen beim „Einrichten“ der Maschine keine Angaben.
19b) Dem folgt der Senat im Ergebnis und weitgehend in der Begründung. Die Revision zeigt keinen revisiblen Rechtsfehler in der angefochtenen Entscheidung auf. Der Kläger hat schon nicht dargelegt, dass er zeitlich überwiegend Tätigkeiten ausübt, die, wie das Tätigkeitsmerkmal der begehrten Tarifgruppe fordert, über den Rahmen der Richtbeispiele der Lohngruppe IV LTV hinausgehen.
20aa) In der - höchsten - Lohngruppe I LTV sind die einfachen und qualifizierten Facharbeiter zu finden. Lohngruppe II LTV listet das Fahrpersonal auf. Die Lohngruppen III und IV LTV regeln die Vergütung der ungelernten Arbeitskräfte. Bei diesen unterscheiden die Tarifvertragsparteien zwischen denen mit „einfacher Arbeit“ (mit Beispielen) und einer „Grundeingruppierung“ in Lohngruppe IV LTV sowie - ersichtlich darauf aufbauend - ungelernten Arbeitskräften mit Tätigkeiten, die über den Rahmen der Richtbeispiele in Lohngruppe IV LTV hinausgehen; soweit dort Tätigkeiten im Backprozess angesprochen werden, ist dies vorliegend ohne Bedeutung. Dabei sind die Beispielstätigkeiten zur Lohngruppe IV LTV einerseits tatsächlich nur Beispiele insofern, als es auch weitere „einfache Arbeiten“ gibt, die dort nicht aufgeführt sind. Andererseits handelt es sich auch um Richtbeispiele im tariflichen Sinne mit der Folge, dass auch die Lohngruppe IV LTV zutreffend ist, wenn diese durch die Tätigkeit erfüllt sind. Nach der Senatsrechtsprechung haben die Tarifvertragsparteien mit der Benennung von Richtbeispielen für die Zuordnung bestimmter Tätigkeiten zu einzelnen Tätigkeitsmerkmalen deutlich gemacht, dass sie im Regelfall davon ausgehen, bei der Ausübung der genannten Tätigkeit seien die Anforderungen dieser Gruppe erfüllt. Das bedeutet - von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen -, dass eine andere Entgeltgruppe oder ein anderes Tätigkeitsmerkmal für diese Tätigkeit grundsätzlich nicht in Betracht kommt ( - Rn. 16 mwN). Dem entspricht im Streitfall die tarifliche Systematik, nach der gerade ein Übersteigen der Anforderungen von Beispielstätigkeiten der Lohngruppe IV LTV das „Heraushebungsmerkmal“ von Tätigkeiten der Lohngruppe III LTV begründet.
21bb) Der an einer Maschine in der Brötchenverpackung eingesetzte Kläger hat keine hinreichenden Tatsachen vorgetragen, um dem Gericht die Feststellung zu ermöglichen, seine Tätigkeit gehe über das Richtbeispiel „Einpacken“ der Lohngruppe IV LTV hinaus und erfülle die Anforderungen der Lohngruppe III/1 LTV.
22(1) Es spricht bereits vieles dafür, sämtliche vom Kläger aufgeführten Tätigkeiten dem Richtbeispiel des „Einpackens“ der Lohngruppe IV/1 LTV zuzuordnen.
23(a) Der die Tätigkeitsmerkmale enthaltende LTV umfasst auch die industrielle Fertigung und Verarbeitung von Backwaren. Er ist auf Arbeitgeberseite vom Verband Deutscher Großbäckereien e.V. geschlossen worden und erfasst nach seinem Geltungsbereich die Betriebe der Großbäckereien und des Brot- und Backwarenvertriebs. Angesichts dessen ist die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, der Tarifbegriff des „Einpackens“ erstrecke sich auch auf die Bedienung entsprechender Maschinen und die damit verbundenen Einzeltätigkeiten, nicht zu beanstanden. Das mag nicht zwingend ausschließen, Tätigkeiten an Einpackmaschinen tariflich auch höher zu bewerten. Dies bedürfte jedoch einer entsprechend substantiierten Darlegung.
24(b) Dies gilt umso mehr als die Tätigkeitsmerkmale für die Eingruppierung in der Backwarenindustrie nicht in einem langfristig geltenden Manteltarifvertrag, sondern in den teilweise nur sehr kurzfristig geltenden Lohntarifverträgen jeweils neu vereinbart werden. Von daher ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien ihren tariflichen Begriffen auch jeweils die aktuelle technische Entwicklung der Produktion zugrunde legen.
25(2) Selbst wenn man jedoch zugunsten des Klägers seinen weiteren pauschalen Vortrag unterstellt, zu seinen Aufgaben gehöre im Wesentlichen auch das Einrichten der Maschinen im Rahmen des Produktionsplans, das Durchführen der vorgegebenen QS-Kontrollen nach Prozesskarten und das Führen der relevanten Dokumente sowie das Befüllen der Anlage, das Wechseln der Folien und die Überprüfung der Brötchenpakete auf Fremdkörper mittels eines Metalldetektors, und deshalb nicht alle diese Einzeltätigkeiten positiv dem Tarifbegriff des „Einpackens“ zugeordnet werden können, folgt daraus noch nicht die Begründetheit seiner Klage. Die entsprechenden Darlegungen des Klägers sind nicht so detailliert, dass dem Senat die Feststellung ermöglicht würde, es handele sich dabei um relevante Tätigkeiten, die über den Rahmen des Richtbeispiels der Lohngruppe IV LTV hinausgingen und damit eine tarifliche Zuordnung zu den - höherwertigen - Gruppenmerkmalen iSd. Lohngruppe III/1 LTV ermöglichten. Konkrete Tätigkeiten, aus denen sich eine höhere Eingruppierung des Klägers ergeben könnte, sind nicht vorgetragen.
26(a) Wie schon das Arbeitsgericht festgestellt und das Landesarbeitsgericht bestätigt hat, hat der Kläger über die bloßen Stichworte hinaus keinen substantiierten Vortrag erbracht. So ist weder das „Bedienen der Verpackungsmaschinen“ noch die „Überwachung des Produktionsverlaufs“ noch das „Reinigen der Maschinen“ noch das „Führen der relevanten Dokumente“ aus sich heraus und ohne Darlegung der konkreten Tätigkeit in ihrem Zusammenhang einer tariflichen Bewertung zugänglich. Auch lassen sich allein durch die Aufzählung von Einzeltätigkeiten - zB Kartonaufrichter befüllen, Folie wechseln und einstellen, Kartonbeschriftungskontrolle, Überwachung der Anlage, Metalldetektor kontrollieren, Programmwechsel, Lichtschrankenreinigung usw. - deren Wertigkeiten nicht hinreichend eindeutig bestimmen. Ob es sich dabei (noch) um eine „einfache Arbeit“ iSd. Lohngruppe IV LTV oder eine tariflich höherwertige Arbeit handelt, kann aufgrund des unkonkreten, allgemeinen Vortrags nicht festgestellt und bewertet werden.
27(b) Soweit sich der Kläger auf eine von der Beklagten angefertigte „Arbeitsplatzbeschreibung“ beruft, lässt er außer Betracht, dass die Beklagte - von ihm im Folgenden unkommentiert gelassen - bereits in den Instanzen substantiiert und unter Beweisantritt vorgetragen hat, es handele sich um einen „Entwurf“ aus Anlass von Verhandlungen, der in der Sache jedoch niemals vereinbart, angewandt oder abgestimmt worden sei.
28(c) Auch der vom Kläger für seine Tätigkeit an anderer Stelle gewählte Begriff des „Maschineneinrichters“ ist in Bezug auf die maschinelle Verpackung von Backwaren ohne weitere konkrete Darlegung der dabei erforderlichen Tätigkeiten, die eine Beurteilung ihrer Wertigkeit als nicht mehr „einfache Arbeit“ ermöglicht, unergiebig. Das gleiche gilt für die von ihm vertretene Ansicht, er sei eigentlich als „Maschinenbediener“ einzustufen. Ein tarifliches Richtbeispiel mit dieser Bezeichnung gibt es nicht.
29(3) Überdies fehlt es an den ggf. nach § 6 Nr. 5 MTV erforderlichen Angaben zu den jeweiligen Zeitanteilen. Insoweit hat der Kläger lediglich vorgetragen, die Reinigungszeit umfasse täglich „maximal 30 Minuten“ sowie die Überwachung des Metalldetektors „stündlich 2 Minuten“. Die weitere allgemeine Behauptung, seine sonstigen Tätigkeiten, die er pauschal der Lohngruppe III/1 LTV zuordnet, seien „die ganz überwiegende Tätigkeit“ des Klägers, kann schon angesichts der als Ganzes nicht tariflich zu bewertenden Arbeitsaufgaben nicht genügen.
30cc) Soweit der Kläger meinen sollte, die tarifliche Bewertung seiner Tätigkeit an der Verpackungsmaschine sei unter den Bedingungen einer industriellen Brot- und Backwarenindustrie nicht mehr angemessen, mag dies verständlich erscheinen. Die Aktualisierung der Tätigkeitsmerkmale im Hinblick auf neue Produktionsmethoden und damit verbundene Anforderungen an die Tätigkeiten ist jedoch nicht die Aufgabe der Gerichte, sondern der Tarifvertragsparteien. Das gilt vorliegend umso mehr, als - wie dargelegt - die Tätigkeitsmerkmale im Geltungsbereich der Tarifverträge nicht in - langfristigen - Manteltarifverträgen vereinbart worden sind, sondern in den jeweils sehr kurzfristigen Entgelttarifverträgen festgehalten und fortgeschrieben werden. Strukturelle Veränderungen müssen ggf. in den Tarifverträgen umgesetzt werden, nicht aber in der hierzu ergehenden Rechtsprechung.
31III. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen, weil sein Rechtsmittel erfolglos bleibt, § 97 Abs. 1 ZPO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2018:310118.U.4AZR104.17.0
Fundstelle(n):
JAAAG-86946