Spielregeln
[i]Steuerwettbewerb als faires Spiel mit wenigen Spielverderbern?Bisweilen kommt in der steuerpolitischen Diskussion das Gefühl auf, es gäbe einen fairen Steuerwettbewerb nach einhellig akzeptierten Regeln. Leider gebe es dort einige „Falschspieler“, die das Spiel verderben. Unbehagen löst bei vielen Steuerpflichtigen und politischen Verantwortungsträgern aus, dass die Lücken im internationalen Steuersystem Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen. Das gilt als „unfair“. Was mir beim „Prügeln“ (rein figurativ!) der immer gleichen Konzerne oft zu kurz kommt, ist, dass es zwar an regulatorischer Kohärenz mangelt, nicht aber an Konkurrenz. In harter Konkurrenz stehen aber nicht nur Unternehmen, sondern auch die Fisci, die die Unternehmenssteuern für staatliche Infrastruktur und weitere Aufgaben – im Grunde zur Gestaltung eines guten Lebens aller Menschen im jeweiligen Staat – einsetzen wollen.
[i]Unfair spielen nicht allein die globalen Unternehmen – es ist ein Verteilungskampf der StaatenWenn man Doppelbesteuerung nicht zulassen will, was ganz sicher gerecht ist, kann das globale steuerliche Substrat nur einmal verteilt werden. Nun ist es aber wohl so, dass sich der weltweite „Kuchen“ nicht vergrößern lässt, wohl aber verkleinern. Staatlicherseits geschieht dies durch niedrige Steuersätze, durch individuelle APA, durch Flat Tax-Regelungen, durch großzügige Abschreibungsmöglichkeiten etc. Die Unternehmen beteiligen sich daran mit Treaty Shopping und andere Gestaltungen. Günstigstenfalls handelt sich heute um ein Nullsummenspiel. Das Unternehmenssteueraufkommen lässt sich faktisch nicht steigern. Die Folge ist, dass viele Staaten um ihren Teil vom steuerlichen Aufkommen mit harten Bandagen kämpfen und dies auch in Abweichung vom System.
[i]Regelungen der OECD gelten sehr weitgehend, doch nicht allgemeinZwei Beispiele dafür liefert dieses Heft. Der Aufsatz von Faßbender/Lesova ab verdeutlicht die Annäherung der russischen Finanzverwaltung an den Authorized OECD Approach bei der Ermittlung des Betriebsstättengewinns; dennoch bestehen weiterhin methodische Unterschiede in der Gewinnabgrenzung, was zur doppelten Besteuerung der Gewinne führen kann, die Betriebsstätten in Russland erzielen. Der Beitrag von Sixdorf zum neuen UN-Musterabkommen von 2017 ab zeigt zum einen das Dilemma von Schwellen- und Entwicklungsländern im „fairen Spiel“ mit Industriestaaten, zum anderen zeigt er, dass der Art. 5 Abs. 3 Buchst. b UN-MA 2017 mit einem eigenständigen Tatbestand für Dienstleistungsbetriebsstätten sowie der neue Art. 12A UN-MA 2017 mit einem neuartigen Nexus für die Besteuerung von fachspezifischen Dienstleistungen im Quellenstaat im Gegensatz zu den Grundsätzen der OECD stehen. Die Spielregeln gelten nicht universell, sie werden noch ausgehandelt. Und ein level playing field findet man auch nicht.
Ich wünsche Ihnen viele hilfreiche Erkenntnisse
Nils Henrik Feddersen
Fundstelle(n):
IWB 12 / 2018 Seite 1
NWB KAAAG-86334