Nebenintervenient - "Partei" iSv. § 547 Nr. 4 ZPO
Leitsatz
Der absolute Revisionsgrund nach § 547 Nr. 4 ZPO liegt auch dann vor, wenn der Nebenintervenient vom Landesarbeitsgericht entgegen § 71 Abs. 3 ZPO nicht zur mündlichen Verhandlung geladen wurde.
Gesetze: § 547 Nr 4 ZPO, § 71 Abs 3 ZPO
Instanzenzug: ArbG Mainz Az: 4 Ca 1560/16 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Az: 2 Sa 73/17 Urteil
Gründe
1I. Die Beschwerde der Beklagten zu 2. ist zulässig und begründet. Der von ihr geltend gemachte absolute Revisionsgrund in entsprechender Anwendung von § 547 Nr. 4 ZPO (§ 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG) liegt vor. Dies führt zur Aufhebung des anzufechtenden Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung (zur analogen Anwendung von § 72a Abs. 7 ArbGG bei einem Verstoß gegen § 547 Nr. 1 bis 5 ZPO vgl. - Rn. 36, BAGE 148, 206; vgl. auch - Rn. 6).
21. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig. Der Zulässigkeit der Beschwerde steht insbesondere nicht entgegen, dass die Klägerin ihrerseits keine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt hat. Entgegen der Rechtauffassung der Beklagten zu 1. fehlt es der Beklagten zu 2. auch nicht an der für ihre Nichtzulassungsbeschwerde erforderlichen Beschwer. Die Beschwer der Beklagten zu 2. richtet sich nach der Beschwer der Hauptpartei, mithin der Klägerin. Diese wurde durch die Abweisung ihrer Klage gegen die Beklagte zu 1. beschwert.
3a) Die Beschwerde ist nicht deshalb unzulässig, weil die Klägerin ihrerseits keine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt hat. Die Beklagte zu 2. hatte im Berufungsverfahren die Stellung einer Nebenintervenientin. Als solche war es ihr nach § 67 ZPO unbenommen, den der Klägerin zustehenden Rechtsbehelf einzulegen, auch wenn diese hiervon abgesehen hatte.
4aa) Nachdem die Klägerin der Beklagten zu 2. in der Berufungsinstanz den Streit verkündet hatte, war diese mit Schriftsatz vom wirksam dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetreten und hatte hierdurch die Stellung eines Nebenintervenienten erlangt.
5Gegen die Wirksamkeit der Streitverkündung bestehen keine Bedenken, insbesondere war die Beklagte zu 2. „Dritter“ iSv. § 72 ZPO. Die Beklagte zu 2. ist erstinstanzlich Partei des Verfahrens geworden, obwohl der gegen sie gerichtete Antrag unzulässig war. Die Klägerin hat die Beklagte zu 2. nämlich nicht unbedingt in Anspruch genommen, sondern nur unter der Bedingung der Erfolglosigkeit ihrer gegen die Beklagte zu 1. gerichteten Klage. Damit lag insoweit eine unzulässige eventuelle subjektive Klagehäufung vor (vgl. hierzu etwa - Rn. 35 mwN; - 7 AZR 759/06 - Rn. 30). Auch durch eine solche unzulässige Klage wird ein Prozessrechtsverhältnis begründet ( - zu B II 2 b aa der Gründe, BAGE 73, 30). Dieses Prozessrechtsverhältnis ist allerdings in der Folge erloschen. Das Arbeitsgericht hatte rechtsfehlerhaft nicht über die Klage gegen die Beklagte zu 2. entschieden und weder die Klägerin noch die Beklagte zu 2. hatten einen Antrag auf Ergänzung des Urteils gemäß § 321 ZPO gestellt. Damit war mit Ablauf der Antragsfrist des § 321 Abs. 2 ZPO die Rechtshängigkeit der gegen die Beklagte zu 2. gerichteten Klage entfallen und sie wurde „Dritter“ iSv. § 72 ZPO (vgl. etwa - Rn. 63; - Rn. 5).
6bb) Die Beklagte zu 2. ist kraft ihrer Stellung als Nebenintervenientin nach § 67 ZPO berechtigt, den der Klägerin zustehenden Rechtsbehelf einzulegen, auch wenn diese hiervon abgesehen hatte.
7Dem Nebenintervenienten ist es nach § 67 ZPO unbenommen, das einer Hauptpartei zustehende Rechtsmittel oder einen dieser zustehenden Rechtsbehelf einzulegen, auch wenn die Hauptpartei hiervon absieht ( - Rn. 17 für eine Rechtsmitteleinlegung; für eine Nichtzulassungsbeschwerde vgl. - Rn. 3). Etwas Anderes gilt zwar, wenn die Hauptpartei der Einlegung des Rechtsmittels oder Rechtsbehelfs widerspricht, wobei dieser Widerspruch nicht ausdrücklich erklärt werden muss, sondern auch durch schlüssiges Verhalten der Hauptpartei zum Ausdruck gebracht werden kann ( - Rn. 19 mwN). Die Klägerin hat der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde durch die Beklagte zu 2. indes weder ausdrücklich widersprochen noch lässt sich ein sonstiges Verhalten der Klägerin feststellen, aus dem ein entsprechender entgegenstehender Wille der Klägerin erkennbar würde.
8b) Der Beklagten zu 2. fehlt es auch nicht an der für ihre Nichtzulassungsbeschwerde erforderlichen Beschwer. Das Rechtsmittel des Nebenintervenienten ist stets ein Rechtsmittel für die Hauptpartei ( - Rn. 17 ff. mwN). Entsprechendes muss für einen Rechtsbehelf wie die Nichtzulassungsbeschwerde gelten. Die Beschwer richtet sich damit nach der Beschwer der Hauptpartei (vgl. - Rn. 39), hier mithin der Klägerin, die durch die Abweisung ihrer Klage gegen die Beklagte zu 1. beschwert ist.
92. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist auch begründet. Der von der Beschwerde geltend gemachte absolute Revisionsgrund in entsprechender Anwendung von § 547 Nr. 4 ZPO (§ 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG) liegt vor. Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte zu 2. nicht zum Termin zur mündlichen Verhandlung am geladen. Infolgedessen hat diese an der mündlichen Verhandlung, aufgrund derer das Berufungsurteil ergangen ist, nicht teilgenommen und war damit in dem Verfahren nicht nach den gesetzlichen Vorschriften vertreten.
10a) Der absolute Revisionsgrund nach § 547 Nr. 4 ZPO erfasst als besondere Ausprägung der Versagung des rechtlichen Gehörs auch den Fall, dass eine Partei nicht zur mündlichen Verhandlung geladen wurde und deshalb hieran weder selbst noch durch einen gesetzlichen Vertreter teilnehmen konnte (Stein/Jonas/Jacobs ZPO 22. Aufl. § 547 Rn. 16; Musielak/Voit/Ball ZPO 13. Aufl. § 547 Rn. 9; vgl. zur gleichlautenden Regelung des § 133 Nr. 3 VwGO in der bis zum geltenden Fassung - mwN).
11b) Zwar war die vormalige Beklagte zu 2. vom Landesarbeitsgericht nicht als Partei im engeren Sinne zu laden. Sie war erstinstanzlich Partei des Verfahrens geworden. Die Rechtshängigkeit des gegen sie gerichteten Anspruchs war aber - wie unter Rn. 5 ausgeführt - mit Ablauf der Antragsfrist des § 321 Abs. 2 ZPO erloschen.
12c) Die Beklagte zu 2. hatte im Berufungsverfahren aber - wie unter Rn. 4 ausgeführt - die Stellung einer Nebenintervenientin erlangt und war in dieser Stellung als „Partei“ iSv. § 547 Nr. 4 ZPO zu behandeln.
13§ 547 Nr. 4 ZPO ist entsprechend auch auf Dritte anwendbar, die entgegen zwingenden Vorschriften nicht beteiligt wurden ( - zu 1 der Gründe mwN; - XII ZR 203/99 - zu 4 der Gründe mwN; Stein/Jonas/Jacobs ZPO 22. Aufl. § 547 Rn. 15; MüKoZPO/Krüger 5. Aufl. § 547 Rn. 13). Vor dem Hintergrund, dass sich der absolute Revisionsgrund nach § 547 Nr. 4 ZPO - wie unter Rn. 10 ausgeführt - als besondere Ausprägung der Versagung des rechtlichen Gehörs darstellt, muss dies auch für den Nebenintervenienten gelten, weil dieser gemäß § 71 Abs. 3 ZPO im Hauptverfahren hinzuzuziehen ist, solange nicht die Unzulässigkeit der Intervention rechtskräftig ausgesprochen ist. Die Verpflichtung, den Nebenintervenienten am Verfahren zu beteiligen, ist eine Ausprägung des diesem originär zustehenden Anspruchs auf rechtliches Gehör (Zöller/Althammer ZPO 32. Aufl. § 72 Rn. 8). Danach hat der Nebenintervenient ein Recht auf Teilnahme an der mündlichen Verhandlung und auf Beteiligung an ihrer schriftsätzlichen Vorbereitung. Alle Schriftsätze, Ladungen und Bekanntmachungen von Terminen sind ihm zu übermitteln. Er ist auch berechtigt, in den Grenzen des § 67 ZPO Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend zu machen und alle Prozesshandlungen wirksam vorzunehmen (vgl. etwa - Rn. 14 mwN; -, BAGE 56, 214).
143. Auf die Frage, ob das Landesarbeitsgericht die Beklagte zu 2. darüber hinaus dadurch in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat, dass es diese nicht darauf hingewiesen hat, dass es nicht von einem Betriebsübergang auf die Beklagte zu 1. ausgehe, kommt es nach alledem nicht an.
15II. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2018:260418.B.8AZN974.17.0
Fundstelle(n):
BB 2018 S. 1459 Nr. 25
DB 2018 S. 6 Nr. 22
NJW 2018 S. 10 Nr. 23
AAAAG-83968