Aufwendungen für Modernisierung nach Erwerb eines vermieteten Wohngrundstücks als Vorkosten
Gesetze: EStG § 10e Abs. 6
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Mit notariellem Kaufvertrag vom erwarb die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ein bis einschließlich vermietetes Reihenhaus für 270 000 DM. Vor Eigenbezug ließ sie das Gebäude renovieren. Im Erdgeschoss tauschte sie das Wohnzimmerfenster, einzelne Heizkörper und Rollläden aus. Anstelle des Teppichbodens wurde Parkettboden verlegt. Im 1. Obergeschoss erneuerte die Klägerin Fliesen und Sanitärobjekte im Badezimmer sowie einzelne Rollläden und ließ neue Teppichböden verlegen. Im Dachgeschoss ersetzte sie die Dachflächenfenster und tauschte den Teppichboden gegen einen Korkboden aus. Die Holztreppe wurde abgeschliffen und neu lackiert. Im ganzen Haus wurden Malerarbeiten durchgeführt. Daneben ließ die Klägerin im Erdgeschoss einen Kamin sowie im Dachgeschoss eine Zwischenwand einbauen. Ab nutzte sie das Haus zu eigenen Wohnzwecken.
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1991 machte die Klägerin u.a. die Renovierungskosten als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend und beantragte einen Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) berücksichtigte die Aufwendungen für den Einbau des Kamins und der Zwischenwand antragsgemäß als nachträgliche Anschaffungskosten. Die übrigen Aufwendungen in Höhe von insgesamt 88 126,02 DM ließ er jedoch nicht nach § 10e Abs. 6 EStG als Vorkosten zum Abzug zu, sondern behandelte sie als anschaffungsnahe Herstellungskosten und rechnete sie der Bemessungsgrundlage für den Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG zu. Das Einspruchsverfahren hatte im Streitpunkt lediglich in Höhe von 3 887,16 DM Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage —abgesehen von einem Betrag in Höhe von 117,32 DM, den das FA in der Einspruchsentscheidung bereits berücksichtigt hatte— statt. In Höhe von 14 955,24 DM ergebe sich die Abziehbarkeit der Aufwendungen unbeschadet der Rechtsprechung zum anschaffungsnahen Aufwand daraus, dass sie der Beseitigung versteckter Mängel gedient hätten. Die restlichen Aufwendungen seien als —sofort abziehbare— Erhaltungsaufwendungen und nicht als anschaffungsnaher Herstellungsaufwand zu beurteilen. Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf die Veröffentlichung des Urteils in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 647 verwiesen.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 10e Abs. 6 EStG. Entgegen der Auffassung des FG sei für die Beurteilung als anschaffungsnaher Herstellungsaufwand nicht entscheidend, ob im Zeitpunkt des Erwerbs erhebliche Instandsetzungs- oder Modernisierungsaufgaben objektiv erforderlich gewesen seien. Entscheidend sei vielmehr nur, ob der Steuerpflichtige solche Maßnahmen durchgeführt habe. Zu Unrecht habe das FG ein Vorliegen versteckter Mängel angenommen.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet. Zu Recht hat das FG die Aufwendungen für die Modernisierung und Instandsetzung des Gebäudes als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG berücksichtigt. Sie sind keine Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Gebäudes.
1. Aufwendungen, die vor der erstmaligen Nutzung einer Wohnung zu eigenen Wohnzwecken entstehen, sind nur dann nach § 10e Abs. 6 EStG als Vorkosten abziehbar, wenn sie nicht zu den Herstellungs- oder Anschaffungskosten der Wohnung oder zu den Anschaffungskosten des Grund und Bodens gehören. Welche Aufwendungen dies sind, bestimmt sich bei den Gewinn- und Überschusseinkünften nach § 255 des Handelsgesetzbuchs —HGB— (vgl. , BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, zu II. 3. b). § 10e Abs. 6 EStG enthält keine davon abweichende Definition. Vielmehr folgt aus der Bezugnahme zum Begriff der Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, dass die Begriffe Anschaffungskosten und Herstellungskosten in dem im Einkommensteuerrecht verwendeten Sinn zu verstehen sind (Senatsbeschluss vom X B 5/91, BFH/NV 1992, 379).
2. Anschaffungskosten gemäß § 255 Abs. 1 HGB sind die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, ferner die Nebenkosten und nachträglichen Anschaffungskosten.
a) Ein Vermögensgegenstand (Wirtschaftsgut, hier: ein Gebäude) ist betriebsbereit, wenn er entsprechend seiner Zweckbestimmung genutzt werden kann (vgl. BFH-Urteil in BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, zu II. 2. b; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl., § 255 HGB Tz. 13). Zu den Anschaffungskosten zählen daher die Aufwendungen, die erforderlich sind, um das erworbene Wirtschaftsgut bestimmungsgemäß nutzen zu können. Auf die Frage, ob Reparatur- und Modernisierungsaufwendungen in zeitlicher Nähe zur Anschaffung anfallen und im Verhältnis zum Kaufpreis hoch sind bzw. ob sie durch versteckte Mängel, die zu keiner Kaufpreisminderung geführt haben, verursacht sind (so noch , BFH/NV 1996, 116), kommt es nach alledem nicht mehr an (vgl. Senatsurteil vom X R 9/99, www.bundesfinanzhof.de, Entscheidungen, Datum der Veröffentlichung: ).
b) Nutzt der Erwerber ein Hausgrundstück ab dem Zeitpunkt des Erwerbs, d.h. ab Übergang der Nutzungen und Lasten, hat er eine solche Zweckbestimmung getroffen; das genutzte Wirtschaftsgut befindet sich bereits in einem betriebsbereiten Zustand und kann nicht mehr in diesen Zustand versetzt werden (vgl. im Einzelnen , BFHE 198, 85, BFH/NV 2002, 966, zu II. 2. b aa).
Wird hingegen —wie im Streitfall— ein bestehendes Mietverhältnis wenige Monate nach Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten aufgelöst und soll das Gebäude nun erstmals zu eigenen Wohnzwecken genutzt werden, zählen die Aufwendungen zu den Erhaltungs- oder Anschaffungskosten. Da der Nutzungszweck des Gebäudes durch den Erwerber bestimmt wird und bereits im Zeitpunkt der Anschaffung die Eigennutzung und nicht die weitere Vermietung des Gebäudes geplant war, dienen die von vornherein beabsichtigten und nach Beendigung des Mietverhältnisses durchgeführten Baumaßnahmen dazu, das Wirtschaftsgut entsprechend den Anforderungen und Bedürfnissen der neuen Eigentümer nutzen zu können (vgl. , BFH/NV 2003, 103, unter II. 1. a). Der gegenteiligen Auffassung von Wolff-Diepenbrock (Der Betrieb —DB— 2002, 1286) ist nicht zu folgen, weil das Gebäude aus Sicht der Erwerberin nicht zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung bestimmt war, auch wenn diese während einer kurzen, einige Monate umfassenden Übergangszeit tatsächlich erzielt wurden.
c) Zur Zweckbestimmung eines Gebäudes, das Wohnzwecken dient, gehört auch die Entscheidung, welchem Standard es entsprechen soll (sehr einfach, mittel oder sehr anspruchsvoll). Eine Steigerung des Wohnstandards setzt voraus, dass die Kernbereiche der Ausstattung einer Wohnung wesentlich verbessert werden; das ist der Fall, wenn bei mindestens drei der Bereiche Heizung, Sanitär- und Elektroinstallation sowie Fenster der Nutzungswert durch die Baumaßnahmen deutlich gesteigert wird. Reparaturen oder auch das Ersetzen des Vorhandenen durch Gleichwertiges in zeitgemäßer Form erweitern den Nutzungswert nicht (vgl. dazu im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, zu II. 3. a).
3. Nach den Feststellungen des FG, die vom FA nicht angegriffen wurden und für den Senat bindend sind (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—), betrafen die streitigen Aufwendungen für das Gebäude übliche, regelmäßig wiederkehrende Instandsetzungsarbeiten. Insoweit liegen deshalb keine die Betriebsbereitschaft herstellenden Anschaffungskosten, sondern Vorkosten i.S. von § 10e Abs. 6 EStG vor. Der Austausch einzelner Rollläden und Heizkörper, die Erneuerung der Bodenbeläge, das Abschleifen der Treppe und deren Neulackierung betrifft ebenso wie die im gesamten Haus durchgeführten Malerarbeiten übliche, regelmäßig wiederkehrende Instandsetzungsarbeiten. Selbst wenn im Wohnzimmer anstelle eines einfachverglasten Fensters im Zuge der Renovierungsmaßnahmen ein isolierverglastes Fenster eingesetzt worden sein sollte, wird dadurch der Nutzungswert des Gebäudes nicht wesentlich gesteigert. Gleiches gilt für die Erneuerung der Dachflächenfenster. Lediglich die Renovierung des Badezimmers betrifft einen der Bereiche, die für den Wohnstandard eines Gebäudes von entscheidender Bedeutung sind. Selbst wenn die Klägerin im Badezimmer die Sanitärinstallationen deutlich erweitert oder ergänzt und damit den Komfort (z.B. durch zweckmäßigere und funktionstüchtigere Ausstattungsdetails) erheblich gesteigert hat, führt diese Maßnahme nicht dazu, dass sich der Charakter des Gebäudes verändert hätte. Nur ein Bündel von Baumaßnahmen, bei dem mindestens drei der o.g. wesentlichen Bereiche betroffen sind, kann ein Gebäude in seinem Standard heben und es betriebsbereit machen. Eine solche ”Bündelung” liegt im Streitfall nicht vor.
4. Die Aufwendungen sind auch keine Herstellungskosten i.S. von § 255 Abs. 2 HGB. Danach sind Herstellungskosten Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die für sich allein noch als Erhaltungsaufwendungen zu beurteilen wären, könnten in ihrer Gesamtheit zu einer wesentlichen Verbesserung i.S. des § 255 Abs. 2 HGB führen, wenn dadurch der Gebrauchswert (das Nutzungspotenzial) des Gebäudes gegenüber dem ursprünglichen Zustand, d.h. dem Zustand im Zeitpunkt des Erwerbs, deutlich erhöht wird (, BFHE 177, 454, BStBl II 1996, 632, zu I. 2. c und 3. b cc). Eine wesentliche Verbesserung ist danach immer dann gegeben, wenn der Gebrauchswert eines Gebäudes von einem sehr einfachen auf einen mittleren oder von einem mittleren auf einen sehr anspruchsvollen Standard gehoben wird (vgl. dazu im Einzelnen BFH in BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, zu II. 3.). Ob Baumaßnahmen an einem Wohngebäude zu einer wesentlichen Verbesserung i.S. des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB geführt haben, ist mithin im Wesentlichen nach den gleichen Maßstäben zu entscheiden, nach denen die Betriebsbereitschaft gemäß § 255 Abs. 1 HGB zu beurteilen ist (, BFH/NV 2003, 35).
5. Die Renovierungsaufwendungen hingen auch unmittelbar mit der Anschaffung zusammen. Zwar wird nach der Rechtsprechung dieser Zusammenhang gelöst, wenn der Steuerpflichtige
die Wohnung nach der Anschaffung zunächst vermietet hat (, BFH/NV 1995, 108; vom IX R 81/93, BFH/NV 1996, 533; vom IX R 48/93, BFHE 178, 155, BStBl II 1996, 151; vom X R 4/95, BFH/NV 1998, 1221),
die Wohnung wegen eines darauf lastenden Wohnungsrechtes zunächst nicht zu eigenen Wohnzwecken nutzen kann (, BFH/NV 1996, 472) oder
in einen nicht kurzfristig kündbaren Mietvertrag eintritt (BFH-Entscheidungen vom X R 98/92, BFH/NV 1996, 401, und vom X B 129/97, BFH/NV 1998, 699).
Da im Streitfall das Mietverhältnis jedoch bereits wenige Monate nach Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten beendet wurde, blieb der unmittelbare Zusammenhang der Modernisierungsmaßnahmen mit der Anschaffung erhalten.
Die der Höhe nach unstreitigen Aufwendungen sind daher als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG abziehbar.
Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 755
BFH/NV 2003 S. 755 Nr. 6
SAAAA-69643