BFH Urteil v. - X R 20/01

Umbau- und Renovierungskosten nach Erwerb eines Hausgrundstücks als Vorkosten gemäß § 10e Abs. 6 EStG

Gesetze: EStG § 10e Abs. 6

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden im Streitjahr 1993 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Der Kläger erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom ... September 1993 ein im Jahr 1958 errichtetes Zweifamilienhaus. Die Erdgeschosswohnung stand im Zeitpunkt des Übergangs von Besitz, Nutzen und Lasten leer, die Wohnung im 1. Obergeschoss war bis vermietet. Nach der Renovierung und dem Umbau zu einem Einfamilienhaus nutzten die Kläger das Gebäude vom an zu eigenen Wohnzwecken.

Für die Umbau- und Renovierungsarbeiten wendeten die Kläger im Streitjahr 1993 25 221,74 DM und im Jahr 1994 71 970,37 DM auf. Neben allgemeinen Schönheitsreparaturen wurden insbesondere die Fenster, die Heizung und die Sanitäreinrichtungen erneuert. Das Dach des Hauses wurde ausgebessert.

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1993 machten die Kläger die Umbauaufwendungen von 25 221,74 DM und Schuldzinsen in Höhe von 3 392 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) berücksichtigte in dem —unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der AbgabenordnungAO 1977—) ergangenen— Einkommensteuerbescheid für 1993 den Verlust aus Vermietung und Verpachtung zunächst antragsgemäß. In dem nach § 164 Abs. 2 AO 1977 geänderten Einkommensteuerbescheid für 1993 ließ das FA nur noch die Schuldzinsen (3 392 DM) zum Abzug als Werbungskosten zu. Die Aufwendungen für Umbau und Modernisierung seien keine sofort abziehbaren Erhaltungsaufwendungen, sondern anschaffungsnaher Herstellungsaufwand.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Die Aufwendungen seien nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar, weil sie weder mit erzielten noch mit künftig zu erzielenden Einnahmen zusammenhingen. Die Kläger hätten von vornherein beabsichtigt, das Haus zu eigenen Wohnzwecken zu nutzen. Ein Abzug als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) komme nicht in Betracht, weil die Aufwendungen als anschaffungsnahe Herstellungskosten zu beurteilen seien. Reparatur- und Modernisierungsaufwendungen, die in zeitlicher Nähe zur Anschaffung —regelmäßig innerhalb von drei Jahren— anfielen und im Verhältnis zum Kaufpreis hoch seien, seien auch nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) Herstellungsaufwand.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung von § 10e Abs. 6 EStG. Sie beantragen, das FG-Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer für das Jahr 1993 nach einem zu versteuernden Einkommen in Höhe von 118 066 DM auf 26 174 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Zu Unrecht hat das FG den Abzug der streitigen Aufwendungen als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG allein wegen ihrer Höhe und zeitlichen Nähe zur Anschaffung des Gebäudes versagt.

1. Aufwendungen, die vor der erstmaligen Nutzung einer Wohnung zu eigenen Wohnzwecken entstehen, sind nur dann nach § 10e Abs. 6 EStG als Vorkosten abziehbar, wenn sie nicht zu den Herstellungs- oder Anschaffungskosten der Wohnung oder zu den Anschaffungskosten des Grund und Bodens gehören. Welche Aufwendungen dies sind, bestimmt sich bei den Gewinn- und Überschusseinkünften nach § 255 des HandelsgesetzbuchsHGB— (vgl. , BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, zu II. 3. b). § 10e Abs. 6 EStG enthält keine davon abweichende Definition. Vielmehr folgt aus der Bezugnahme zum Begriff der Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, dass die Begriffe Anschaffungskosten und Herstellungskosten in dem im Einkommensteuerrecht verwendeten Sinn zu verstehen sind (Senatsbeschluss vom X B 5/91, BFH/NV 1992, 379).

2. Anschaffungskosten gemäß § 255 Abs. 1 HGB sind die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, ferner die Nebenkosten und nachträglichen Anschaffungskosten.

a) Ein Vermögensgegenstand (Wirtschaftsgut, hier: ein Gebäude) ist betriebsbereit, wenn er entsprechend seiner Zweckbestimmung genutzt werden kann (BFH-Urteil in BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, zu II. 2. b; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl., § 255 HGB Tz. 13). Zu den Anschaffungskosten zählen daher die Aufwendungen, die erforderlich sind, um den erworbenen Vermögensgegenstand entsprechend seiner Bestimmung zu eigenen Wohnzwecken nutzen zu können.

b) Nutzt der Erwerber ein Hausgrundstück ab dem Zeitpunkt des Erwerbs, d.h. ab Übergang der Nutzungen und Lasten, hat er eine solche Zweckbestimmung getroffen; das genutzte Wirtschaftsgut befindet sich bereits in einem betriebsbereiten Zustand und kann nicht mehr in diesen Zustand versetzt werden (vgl. im Einzelnen , BFHE 198, 85, BFH/NV 2002, 966, zu II. 2. b aa).

Wird hingegen —wie im Streitfall— ein bestehendes Mietverhältnis wenige Monate nach Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten aufgelöst und soll das Gebäude nun erstmals zu eigenen Wohnzwecken genutzt werden, zählen die Aufwendungen zu den Erhaltungs- oder Anschaffungskosten. Da der Nutzungszweck des Gebäudes durch den Erwerber bestimmt wird und bereits im Zeitpunkt der Anschaffung die Eigennutzung und nicht die weitere Vermietung des Gebäudes geplant war, dienen die von vornherein beabsichtigten und nach Beendigung des Mietverhältnisses durchgeführten Baumaßnahmen dazu, das Wirtschaftsgut entsprechend den Anforderungen und Bedürfnissen der neuen Eigentümer nutzen zu können (vgl. , BFH/NV 2003, 103, unter II. 1. a). Der gegenteiligen Auffassung von Wolff-Diepenbrock (Der Betrieb 2002, 1286) ist nicht zu folgen, weil das Gebäude aus Sicht des Erwerbers nicht zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung bestimmt war, auch wenn diese während einer kurzen, einige Monate umfassenden Übergangszeit tatsächlich erzielt wurden.

c) Zur Zweckbestimmung eines Gebäudes, das Wohnzwecken dient, gehört auch die Entscheidung, welchem Standard es entsprechen soll (sehr einfacher, mittlerer oder sehr anspruchsvoller Standard). Auf die Frage, ob Reparatur- und Modernisierungsaufwendungen in zeitlicher Nähe zur Anschaffung anfallen und im Verhältnis zum Kaufpreis hoch sind bzw. ob sie durch versteckte Mängel, die zu keiner Kaufpreisminderung geführt haben, verursacht sind (so noch , BFH/NV 1996, 116), kommt es nach alledem nicht mehr an (vgl. Senatsurteil vom X R 9/99).

d) Eine Steigerung des Wohnstandards setzt voraus, dass die Kernbereiche der Ausstattung einer Wohnung wesentlich verbessert werden; das ist der Fall, wenn bei mindestens drei der Bereiche Heizung, Sanitär- und Elektroinstallation sowie Fenster der Nutzungswert durch die Baumaßnahmen deutlich gesteigert wird. Reparaturen oder auch das Ersetzen des Vorhandenen durch Gleichwertiges in zeitgemäßer Form erweitern den Nutzungswert nicht (vgl. dazu im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, zu II. 3. a).

3. Zu den Herstellungskosten i.S. von § 255 Abs. 2 HGB zählen —unabhängig von der Erweiterung des Nutzungswerts (Gebrauchspotentials)— die Aufwendungen, die durch den Umbau eines Bürogebäudes in ein Wohngebäude (vgl. Senats-Urteil vom X R 151/94, BFH/NV 1998, 1086) oder eines Mehrfamilienhauses in ein Einfamilienhaus verursacht sind. Die Kosten, die für die Umgestaltung erforderlich sind (Errichten oder Entfernen von Trennwänden, Umgestaltung der Küche in einen weiteren Wohnraum usw.) erfüllen in aller Regel auch die Merkmale der Erweiterung i.S. von § 255 Abs. 2 HGB, da hierdurch die Substanz des Gebäudes vermehrt oder die nutzbare Fläche vergrößert wird (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 1998, 1086).

4. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann der Senat aufgrund der Feststellungen des FG für das Streitjahr nicht abschließend entscheiden, ob und ggf. welche Kosten der Baumaßnahme gemäß § 255 HGB als Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu werten sind (§ 118 Abs. 2 FGO).

a) Das FG wird im zweiten Rechtsgang sämtliche Kosten, die durch den Umbau des Zweifamilienhauses in ein Einfamilienhaus verursacht sind, zu ermitteln haben. Sofern sich —wie vom FA vorgetragen— vor dem Umbau auch zwei einzelne Büroräume im Erdgeschoss des Hauses befunden haben, rechnen auch hierdurch verursachte Umbaukosten zu den Herstellungskosten des Gebäudes.

b) Nach den Feststellungen des FG wurden neben allgemeinen Schönheitsreparaturen und Ausbesserungen am Dach im Zuge der Baumaßnahmen die Fenster, die Heizung und die Sanitärinstallationen erneuert. Während es sich bei den Aufwendungen für die Schönheitsreparaturen und die Instandsetzung des Daches in jedem Fall um Vorkosten i.S. von § 10e Abs. 6 EStG handelt, kommt es bei der Frage, ob die weiteren Aufwendungen Anschaffungskosten oder aber wie Sonderausgaben abziehbare Vorkosten sind, darauf an, ob diese Kernbereiche der Ausstattung nicht nur in zeitgemäßer Form ersetzt, sondern darüber hinaus in ihrer Funktion (Gebrauchswert) deutlich erweitert und ergänzt wurden und dadurch der Wohnkomfort des Hauses insgesamt deutlich gesteigert wurde. Wurde beispielsweise eine technisch überholte Heizung durch eine den heutigen Gewohnheiten und dem Stand der Technik entsprechende Heizungsanlage (z.B. witterungsgeführte Heizungsanlage mit Thermostatventilen, Wand- und/oder Fußbodenheizung) ersetzt, wurde die Sanitärinstallation deutlich erweitert oder ergänzt und ihr Komfort (z.B. durch zweckmäßigere und funktionstüchtigere Ausstattungsdetails: Doppelwaschtisch, zweites Waschbecken, zusätzliche Dusche etc.) erheblich gesteigert und wurden zusätzlich einfachverglaste Fenster gegen isolierverglaste Fenster ausgetauscht (vgl. BFH-Urteil in BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, unter II. 3. a cc), führt dieses Bündel von Maßnahmen, das mindestens drei der vier für den Gebrauchswert eines Gebäudes wesentlichen Bereiche betrifft, dazu, dass das Gebäude gegenüber seinem Zustand im Zeitpunkt des Erwerbs in seinem Standard gehoben wurde.

c) Das FG hat —aus seiner Sicht zu Recht— keine Feststellungen zum technischen Stand der Heizung, der Sanitärinstallation und der Fenster vor und nach den Modernisierungsmaßnahmen getroffen. Nicht geklärt ist auch, welche weiteren Baumaßnahmen ggf. mit der wesentlichen Verbesserung dieser Bereiche bautechnisch zusammenhängen. Im zweiten Rechtsgang wird das Gericht nun festzustellen haben, ob durch die Baumaßnahmen im Bereich Fenster, Heizung und Sanitärinstallation lediglich bereits Vorhandenes durch Gleichwertiges in zeitgemäßer Form ersetzt (dann sind die Aufwendungen als Vorkosten abziehbar) oder aber der Nutzungswert deutlich gesteigert wurde (insoweit wäre —auch hinsichtlich der bautechnisch zusammenhängenden Maßnahmen— von Anschaffungskosten auszugehen).

d) Die Kläger tragen die Feststellungslast hinsichtlich der tatsächlichen Voraussetzungen für den Abzug von Aufwendungen als Vorkosten (Veranlassungszusammenhang). Sie haben somit die Kosten nachzuweisen und darzulegen, dass die Baumaßnahmen nicht mit dem Umbau des Zweifamilienhauses in ein Einfamilienhaus in Zusammenhang standen. Die Feststellungslast hinsichtlich der Tatsachen, die eine wesentliche Verbesserung begründen und damit als Anschaffungskosten zu behandeln sind, trägt das FA (vgl. BFH-Urteil in BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, unter II. 4.). Da dieses in der Regel nicht in der Lage ist, den Zustand des Gebäudes im Zeitpunkt des Erwerbs festzustellen, trifft die Kläger insoweit eine erhöhte Mitwirkungspflicht (§ 90 Abs. 1 Satz 3 AO 1977).

5. Dem Abzug von Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG steht nicht entgegen, dass die Wohnung im 1. Obergeschoss im Zeitpunkt des Übergangs von Besitz, Nutzen und Lasten noch vermietet war. Zwar wird nach der Rechtsprechung der für den Vorkostenabzug erforderliche unmittelbare Zusammenhang von Modernisierungsaufwendungen mit der Anschaffung gelöst, wenn der Steuerpflichtige

  • die Wohnung nach der Anschaffung zunächst vermietet hat (, BFH/NV 1995, 108; vom IX R 81/93, BFH/NV 1996, 533; vom IX R 48/93, BFHE 178, 155, BStBl II 1996, 151; vom X R 4/95, BFH/NV 1998, 1221),

  • die Wohnung wegen eines darauf lastenden Wohnungsrechtes zunächst nicht zu eigenen Wohnzwecken nutzen kann (, BFH/NV 1996, 472) oder

  • in einen nicht kurzfristig kündbaren Mietvertrag eintritt (BFH-Entscheidungen vom X R 98/92, BFH/NV 1996, 401, und vom X B 129/97, BFH/NV 1998, 699).

Da im Streitfall das Mietverhältnis jedoch bereits wenige Monate nach Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten beendet wurde, blieb der unmittelbare Zusammenhang der Modernisierungsmaßnahmen mit der Anschaffung erhalten.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 763
BFH/NV 2003 S. 763 Nr. 6
IAAAA-69642