BFH Beschluss v. - X B 56/02

Gründe

I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) als unzulässig abgewiesen, weil der Gegenstand des Klagebegehrens innerhalb der gesetzten Ausschlussfrist nicht hinreichend bezeichnet worden sei. Einem Antrag auf Terminsaufhebung hatte es nicht stattgegeben. Das Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten der Kläger am zugestellt.

Dagegen haben die Kläger durch ihren Prozessbevollmächtigten rechtzeitig Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision eingelegt, diese aber nicht innerhalb der Frist des § 116 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) begründet. Nach Hinweis auf die Fristversäumnis durch Schreiben des Senatsvorsitzenden vom beantragte der Prozessvertreter mit Schreiben vom Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und begründete die Nichtzulassungsbeschwerde.

Wiedereinsetzung sei deshalb zu gewähren, weil sein Mitarbeiter, Herr S, am Sonntag, den 28. April 2002, einen schweren Autounfall erlitten habe und mehrere Wochen stationär habe behandelt werden müssen. Herr S sei Steuergehilfe und führe in seiner Steuerkanzlei das Fristenbuch. Er, der Prozessbevollmächtigte, habe seinem Mitarbeiter die Beschwerdeschrift vom zum Eintrag ins Fristenbuch gegeben; wegen des Unfalls sei der Eintrag aber unterblieben. Die Stellvertreterin des Herrn S leide an ”MS” und sei durch diese Beeinträchtigung ebenfalls ausgefallen.

Die Nichtzulassungsbeschwerde wird damit begründet, dass die abgelehnte weitere Fristverlängerung zur Bezeichnung des Klagebegehrens unverhältnismäßig und nicht sachgerecht gewesen sei. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger sei aufgrund krankheitsbedingter unerwarteter Beendigung der Tätigkeit seines jahrzehntelangen Mitarbeiters, des Steuerberaters A, der sich auch der hier anstehenden Angelegenheit angenommen habe, zusätzlich beansprucht worden. Dem FG sei auch des Öfteren mitgeteilt worden, dass eine außergerichtliche Erledigung angestrebt worden sei.

Der Termin zur mündlichen Verhandlung habe deswegen abgesagt werden müssen, weil seine Frau zu dieser Zeit wegen psychischer Erkrankung in einer Klinik untergebracht gewesen sei und er einen unaufschiebbaren Gesprächstermin mit dem behandelnden Arzt habe wahrnehmen müssen.

II. Die Beschwerde ist unzulässig.

1. Nach § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des angefochtenen Urteils zu begründen. Diese Frist war im Streitfall am abgelaufen. Die Begründung ist erst nach Ablauf der Begründungsfrist beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen.

2. Die Fristversäumnis kann nicht nach § 56 FGO geheilt werden. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nach dieser Vorschrift nur zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist —hier: die Begründungsfrist— einzuhalten. Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten ist den Klägern nach § 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung zuzurechnen. Die Fristversäumnis ist nicht unverschuldet.

a) Angehörige der rechts- und steuerberatenden Berufe müssen für eine zuverlässige Fristenkontrolle sorgen und die Organisation des Bürobetriebes so gestalten, dass Fristversäumnisse vermieden werden (z.B. Senatsurteil vom X R 112/92, BFH/NV 1994, 328). Für den Fall der Verhinderung oder Abwesenheit eines mit der Fristenkontrolle betrauten Mitarbeiters muss außerdem durch organisatorische Maßnahmen die Weiterbearbeitung, zumindest aber die Einhaltung von Fristen, sichergestellt werden (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 56 Rz. 20, Stichwort ”Büroorganisation”, m.w.N. der Rechtsprechung).

b) Im Streitfall ist bereits zweifelhaft, ob der Autounfall des mit der Führung des Fristenbuches betrauten Mitarbeiters ursächlich für die Fristversäumnis war, weil der Ablauf der Begründungsfrist schon mit Zustellung des angefochtenen Urteils, spätestens aber weisungsgemäß am , dem Tag der Fertigung der Beschwerdeschrift, im Fristenbuch hätte vermerkt werden müssen. Jedenfalls aber hätte der Prozessvertreter in Folge des krankheitsbedingten wochenlangen Ausfalls seines Mitarbeiters für eine zuverlässige Weiterbearbeitung und Fristüberwachung sorgen müssen, zumal nach seinen eigenen Angaben auch die Vertreterin des Mitarbeiters hierzu wegen Krankheit nicht in der Lage war. Allein dieses Organisationsverschulden schließt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus.

3. Im Übrigen hätte die Nichtzulassungsbeschwerde auch ansonsten keinen Erfolg, weil die Begründung nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entspricht bzw. kein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO vorliegt.

a) Soweit die Kläger rügen, die vom FG für die Unzulässigkeit der Klage angeführten Gründe seien unverhältnismäßig und nicht sachgerecht, wenden sie sich gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Derartige Einwände sind im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich unbeachtlich (z.B. Senatsbeschluss vom X B 71/01, BFH/NV 2002, 527). Es fehlt insoweit auch an einer substantiierten und schlüssigen Darlegung eines Zulassungsgrundes (vgl. Gräber/ Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 25 ff.). Zudem hatten die Kläger genügend Zeit, ihre am erhobene Klage zu begründen. Das FG hatte ihnen hierfür die Frist großzügig mehrmals, zuletzt bis zum , verlängert.

b) Es hatte für das FG auch kein Anlass bestanden, den Termin zur mündlichen Verhandlung vom aufzuheben (§ 155 FGO i.V.m. § 227 ZPO). Eine insoweit gerügte Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor. Das FG konnte den erst am Vortag per Telefax um 15.57 Uhr gestellten Antrag auf Terminsaufhebung ablehnen, weil dieser den Anforderungen an eine aussagefähige Begründung nicht genügte und die Aufhebungsgründe nicht zugleich mit der Antragstellung glaubhaft gemacht wurden (, BFH/NV 2002, 1047). Weder der Hinweis auf eine bevorstehende außergerichtliche Einigung noch der auf einen anderen Termin von ”existenzieller Bedeutung” waren hierfür ausreichend.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO abgesehen.

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 199
BFH/NV 2003 S. 199 Nr. 2
SAAAA-69604