BFH Beschluss v. - III B 67/02

Therapiekosten zur Festigung der Abstinenzfähigkeit als agw. Bel.

Gesetze: EStG § 33

Gründe

Die Entscheidung ergeht gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne Darstellung des Sachverhalts.

Die Beschwerde ist unzulässig und deshalb durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 FGO).

1. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Hierfür reicht die bloße Behauptung, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, nicht aus. Für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung ist zunächst eine konkrete Rechtsfrage herauszustellen. Ferner ist auszuführen, weshalb diese Frage zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder für die Fortentwicklung des Rechts höchstrichterlich geklärt werden muss. Gibt es zu der betreffenden Rechtsfrage bereits Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH), so ist insbesondere zu begründen, weshalb trotzdem weiterer oder ggf. erneuter Klärungsbedarf bestehe (, BFH/NV 2002, 205). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

a) Es fehlt bereits an der Darlegung einer im Allgemeininteresse klärungsbedürftigen Rechtsfrage.

Im Kern wenden sich die Kläger gegen die Feststellung des Finanzgerichts (FG), dass der Kläger als seit Jahren trockener Alkoholiker seine akute Krankheit überwunden habe und Aufwendungen für Maßnahmen, die der Vermeidung eines Rückfalls dienen, nicht als Krankheitskosten steuermindernd berücksichtigt werden könnten.

Sie meinen sinngemäß, die Alkoholkrankheit sei auch nach den Jahren ohne Alkohol nicht überwunden, so dass Aufwendungen für die fortlaufende Nachbetreuung zur Festigung der Abstinenzfähigkeit zwangsläufig seien.

Damit rügen sie fehlerhafte Rechtsanwendung durch das FG. Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage haben sie nicht formuliert, sie ist auch nicht ersichtlich.

In der Rechtsprechung des , BFHE 149, 222, BStBl II 1987, 427) ist geklärt, dass Trunksucht oder chronischer Alkoholismus eine Krankheit ist, wenn sie das Stadium des Verlustes der Selbstkontrolle und der zwanghaften Abhängigkeit vom Alkohol erreicht hat. Aufwendungen für die Entziehungskur und die begleitende psychotherapeutische Behandlung sind als außergewöhnliche Belastung anerkannt.

Geklärt ist auch, dass Aufwendungen für eine Nachbehandlung Alkoholkranker den Krankheitskosten zuzurechnen und damit als außergewöhnliche Belastung abziehbar sein können, wenn diese Behandlung medizinisch indiziert ist. Der BFH hat jedoch in seiner Entscheidung Beispiele genannt, in denen die Teilnahme an therapeutischen Sitzungen andere Gründe hat, so insbesondere, wenn eine gesunde Person entweder vorbeugend der Gefahr, dem Alkoholismus zu verfallen, begegnen will oder nach überwundener Krankheit das Risiko eines Rückfalls abzufangen sucht. In einem solchen Fall handelt es sich ungeachtet der vorangegangenen Erkrankung um vorbeugende, der Gesundheit ganz allgemein dienende Maßnahmen, die nicht die Heilung einer Krankheit bewirken und daher mangels Zwangsläufigkeit aus tatsächlichen Gründen nicht zu einer außergewöhnlichen Belastung führen können.

Diese Grundsätze zur steuerlichen Berücksichtigung von Aufwendungen, die suchtgefährdeten Steuerpflichtigen für die Teilnahme an Gruppentreffen entstehen, hat der Senat in seinem Urteil vom III R 25/97 (BFH/NV 1999, 300) bestätigt.

b) Die von den Klägern gerügte fehlerhafte Rechtsanwendung durch das FG ist kein die Zulassung rechtfertigender Grund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO. Nur wenn dem FG bei der Auslegung und Anwendung des Rechts schwerwiegende Fehler unterlaufen sind, die geeignet sind, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen, kann eine Zulassung in Betracht kommen (z.B. , BFH/NV 2002, 798, m.w.N.). Einen schwerwiegenden Fehler in diesem Sinn haben die Kläger aber nicht dargelegt. Sie rügen, die Feststellung des FG, der Kläger sei als trockener Alkoholiker nicht mehr krank, treffe nicht zu. Zu Unrecht gehe das FG deshalb davon aus, dass Aufwendungen für die Nachbetreuung zur Festigung der Abstinenz nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar seien. Diese Rügen lassen ein besonderes, über den Einzelfall hinausreichendes Interesse an einer Korrektur der vermeintlich falschen Entscheidung des FG nicht erkennen.

2. Nicht hinreichend dargelegt ist auch die grundsätzliche Bedeutung der von den Klägern sinngemäß aufgeworfenen Rechtsfrage, ob das Verlangen eines vor Beginn der Therapiemaßnahme einzuholenden amtsärztlichen Gutachtens bei einem gleich bleibenden Krankheitsstadium berechtigt sei. Diese Frage stellt sich hier nicht. Es ist nicht ersichtlich, dass das FG ein —weiteres— amtsärztliches Gutachten für erforderlich erachtet hat. Es hat vielmehr aufgrund der vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen festgestellt, dass die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen allein der Rückfallvorsorge dienten.

3. Selbst wenn diese Würdigung der Bescheinigungen —wie die Kläger meinen— falsch sein sollte, so wäre auch insoweit nicht schlüssig dargetan, dass das FG-Urteil auf schwerwiegenden Fehlern bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts beruhe, die das Vertrauen in die Rechtsprechung schädigen könnten (vgl. , BFH/NV 2002, 804, 805) oder dass es sich gar um eine willkürliche, jeglicher gesetzlicher Grundlage entbehrenden Entscheidung handle (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 798). Für die im Einzelfall schwierige Unterscheidung zwischen Krankheitskosten und vorbeugenden, lediglich gesundheitsfördernden Maßnahmen, fordert der BFH in ständiger Rechtsprechung die Vorlage eines vor Beginn der Therapie ausgestellten amts- oder vertrauensärztlichen Attestes, dem sich zweifelsfrei entnehmen lässt, dass der Steuerpflichtige krank und die den Aufwendungen zugrunde liegende Art und Dauer der Behandlung medizinisch indiziert ist (vgl. Urteil vom VI R 77/78, BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711, m.w.N.). Dementsprechend hat das FG seine Entscheidung ausdrücklich auch auf das amtsärztliche Schreiben vom gestützt. Es ist nicht dargelegt oder sonst ersichtlich, dass die Bewertung dieses Schreibens derart abwegig sei, dass das Vertrauen in die Rechtsprechung nur durch eine Korrektur gewahrt werden könnte.

4. Mit der Rüge, das FG sei den angebotenen Beweisen nicht nachgegangen, haben die Kläger einen Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nicht schlüssig dargelegt. Bei der Prüfung, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, ist von dem materiell-rechtlichen Standpunkt des FG auszugehen. Nach Auffassung des FG sind Kosten eines trockenen Alkoholikers zur Vorbeugung eines Rückfalls keine nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) abziehbaren Krankheitskosten. Aus Sicht des FG kam es daher auf die Einholung weiterer ärztlicher Gutachten oder auf die Vernehmung der Fachärztin, welche die im Einspruchsverfahren vorgelegte Bescheinigung ausgestellt hat, nicht an.

Im Übrigen hätten die Kläger für eine schlüssige Aufklärungsrüge (§ 76 FGO) vortragen müssen, was die beantragte Anhörung der Fachärztinnen vermutlich ergeben hätte und inwieweit die Aussagen zu einem von der Bescheinigung abweichenden Ergebnis geführt hätten. Sie hätten insbesondere dartun müssen, weshalb im vorliegenden Fall entgegen der ständigen Rechtsprechung (vgl. Urteil in BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711, m.w.N.) nachträglich ausgestellte Bescheinigungen von Fachärztinnen geeignet sein könnten, eine vorliegende und vom FG zur Begründung seiner Entscheidung herangezogene Bescheinigung des Gesundheitsamts zu entkräften.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 1167
NAAAA-69435