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FG München Urteil v. - 7 K 52/16 EFG 2018 S. 738 Nr. 9

Gesetze: EStG 1999/2005 § 50a Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG 1999/2005 § 50a Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG 1999/2005 § 50a Abs. 4 S. 5 Nr. 1 EStG 1999/2005 § 50a Abs. 5 S. 2 EStG 1999/2005 § 50a Abs. 5 S. 3 EStG 1999/2005 § 50a Abs. 5 S. 5 EStG 1999/2005 § 1 Abs. 4 EStG 1999/2005 § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG 1999/2005 § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG 1999/2005 § 50d Abs. 1 S. 1 EStDV§ 73g AO§ 90 Abs. 2 AO§ 162 Abs. 1 FGO§ 96 Abs. 1 S. 1 ZPO§ 444 AEUVArt. 56 AEUV Art. 57

Haftungsbescheid gegenüber ausländischem Vergütungsschuldner wegen Unterlassen des Steuerabzugs für künstlerische Darbietungen beschränkt steuerpflichtiger Künstler und Ensembles nach § 50a EStG 1999/2005

Leitsatz

1. Die Haftung nach § 50a Abs. 5 Satz 5 EStG 1999/2005 setzt voraus, dass die vom Vergütungsgläubiger erbrachten Leistungen zu beschränkt steuerpflichtigen Einkünften des Vergütungsgläubigers i. S. des § 49 EStG führen. Ob eine Tätigkeit der steuerrechtlich relevanten Einkunftserzielung oder dem Bereich der „Liebhaberei” zuzuordnen ist, muss bei beschränkt Steuerpflichtigen nach denselben Kriterien wie bei unbeschränkt Steuerpflichtigen beurteilt werden (Anschluss an ). Auch im Ausland ansässige Vergütungsschuldner (hier: österreichische GmbH), die im Inland über keine Betriebsstätte oder eine vergleichbare Einrichtung verfügen, sind zum Steuerabzug verpflichtet.

2. Bei professionellen ausländischen Theater- und Musikgruppen, die europaweite Tourneen durchführen, ist auch dann von einer Gewinnerzielungsabsicht auszugehen, wenn sie in ihren Heimatländern staatliche Subventionen oder Fördermittel erhalten. Das gilt insbesondere, wenn vor allem populäre Opern, Operetten, Musicals und Balletts gespielt werden, größtenteils von Bühnen, die für konventionelle und werktreue Inszenierungen bekannt sind, die ein möglichst breites Publikum ansprechen sollen und damit einen größtmöglichen kommerziellen Erfolg versprechen. Auch eine Arbeit nach dem „Non-Profit-System” schließt eine Gewinnerzielungsabsicht nicht generell aus (Abgrenzung zum Urteil des Hessischen ).

3. Hat eine klagende österreichische GmbH nachweislich Zahlungen an beschränkt steuerpflichtige Künstlergruppen für Auftritte in Deutschland geleistet, kommt sie jedoch ihrer Mitwirkungs- und Aufklärungspflicht zur Ermittlung der einzubehaltenden Abzugssteuern überhaupt nicht nach (z.B. keinerlei Angaben zu den vertraglichen Vereinbarungen mit den einzelnen Künstlern und Gruppen), so dass die Vollständigkeit der betroffenen Veranstaltungen, die genaue Höhe der Vergütungen einschließlich Nebenleistungen (z.B. erstattete Reise- und Übernachtungskosten) sowie die Höhe der den ausländischen Künstlern entstandenen Betriebsausgaben nicht aufgeklärt und ermittelt werden kann, so können die Grundlagen der Abzugsteuer geschätzt werden; die Klägerin muss es dabei hinnehmen, dass ein gröberes Schätzungsverfahren zur Anwendung kommt und die Schätzung dabei auch zu ihrem Nachteil ausfallen kann, indem z.B. keine Betriebsausgaben der ausländischen Ensembles berücksichtigt werden. Später vorgelegte Kostenzusammenstellungen mit pauschalen und im Einzelnen nicht überprüfbaren Zahlen können insoweit keine Herabsetzungen der Schätzung begründen.

4. Bei der Milderungsregelung in § 50a Abs. 4 Satz 5 Nr. 1 EStG 1999/2005 handelt es sich nicht um einen Freibetrag von 250 EUR je Künstler und Darbietung, sondern um einen gestaffelten Steuersatz, der den besonderen Risiken einer Überbesteuerung durch zu hohe Quellensteuersätze Rechnung trägt. Eine Aufteilung der Vergütung nach der Anzahl der die Darbietung umfassenden Personen ist nur vorzunehmen, wenn Gläubiger der Vergütung mehrere Personen sind (im Streitfall: keine Aufteilung bei kommunalen und staatlichen Ensembles als Vergütungsgläubigern).

5. Ob einzelne Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) das Besteuerungsrecht für die beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte der ausländischen Künstler dem ausländischen Wohnsitzstaat zuweisen, hat ebenso wenig Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des auf § 50a Abs. 5 Satz 5 EStG 1999/2005 beruhenden Haftungsbescheides wie die in den jeweiligen DBA verankerten Diskriminierungsverbote. Unerheblich für die Haftung der Klägerin für die nicht abgeführte Abzugssteuer auf von ihr gegenüber den ausländischen Künstlern geschuldete Vergütungen ist eine mögliche Freistellung der von ihr selbst im Inland erzielten gewerblichen Einkünfte aus der Durchführung der im Inland ausgeübten künstlerischen Darbietungen nach einem DBA (hier: DBA-Österreich) sowie ein diese eigenen gewerblichen Einkünfte betreffendes Verständigungsverfahren (hier: nach Art. 21 DBA Österreich).

6. Der Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 EStG 1999/2005 ist grundsätzlich gemeinschaftsrechtskonform (vgl. EuGH- und BFH-Rechtsprechung).

7. Auch bei pflichtwidrig unterlassener Vorlage der mit den ausländischen Künstlern geschlossenen Verträge kann im Rahmen der Schätzung der Abzugssteuer nicht unterstellt werden, dass der im Ausland ansässige Vergütungsschuldner sich zur Übernahme der Abzugssteuer verpflichtet und „Nettohonorarvereinbarungen” getroffen hat (Anschluss an FG-Berlin-Brandenburg, Beschluss v. – 12 V 12204/11).

8. In die der Abzugssteuern nach § 50a Abs. 4 EStG 1999/2005 unterliegenden Vergütungen ist auch die Umsatzsteuer einzubeziehen, die Teil des vom Vergütungsschuldner geschuldeten Entgelts ist, unabhängig davon, ob der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer an den Vergütungsgläubiger gezahlt hat oder ob auf Grund der sog. Nullregelung nach § 52 Abs. 2 UStDV a.F. von der Entrichtung der Umsatzsteuer und seiner Geltendmachung als Vorsteuer abgesehen wurde.

Tatbestand

Fundstelle(n):
EFG 2018 S. 738 Nr. 9
IStR 2018 S. 606 Nr. 15
IWB-Kurznachricht Nr. 11/2018 S. 410
DAAAG-80289

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