BFH Urteil v. - VII R 35/01 BFHE S. 247 Nr. 198

Leitsatz

Die Voraussetzung für die Gewährung einer nach einem einheitlichen Erstattungssatz für alle Drittländer festgelegten Ausfuhrerstattung ist erfüllt, wenn das für die Ausfuhrerstattung in Betracht kommende Erzeugnis innerhalb der vorgeschriebenen Frist im Rahmen eines normalen Handelsgeschäfts aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft ausgeführt worden ist. Die weiteren Voraussetzungen, dass das Erzeugnis innerhalb der vorgeschriebenen Frist auch in ein Drittland eingeführt wurde und in unverändertem Zustand auf dessen Markt gelangt ist, können zusätzlich nur vor Zahlung der Ausfuhrerstattung geltend gemacht werden.

Gesetze: VO (EWG) Nr. 3665/87 VO (EWG) Nr. 3665/87 Art. 4, 5, 16VO (EG) 800/1999 Art. 20MOG § 10 Abs. 1

Instanzenzug: FG Hamburg (Verfahrensverlauf),

Gründe

I.

In den Jahren 1991 und 1992 führte die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) unter Vorlage der in der Anlage zum Rückforderungsbescheid des Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt —HZA—) aufgeführten Kontrollexemplare T5 Zuchtrinder auf dem Seewege nach Jordanien, Kuwait und Tunesien aus. Das HZA gewährte für diese Sendungen die von der Klägerin beantragte Ausfuhrerstattung. Anlässlich einer Marktordnungsprüfung wurde festgestellt, dass ein bestimmter Teil der ausgeführten Tiere auf dem Transportweg bzw. während der Quarantäne im jeweiligen Bestimmungsland verendet bzw. dort notgeschlachtet worden war. Auf Grund dieser Feststellungen forderte das HZA mit dem angefochtenen Rückforderungsbescheid vom für 53 verendete bzw. 32 notgeschlachtete Zuchtrinder die gezahlte Ausfuhrerstattung in Höhe von insgesamt 109 374,12 DM zurück. Einspruch und Klage hiergegen blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) führte aus, das HZA habe die Ausfuhrerstattungen zu Recht zurückgefordert. Rechtsgrundlage für den angefochtenen Rückforderungsbescheid sei § 10 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen (MOG). Soweit exportierte Rinder auf dem Transport oder im Bestimmungsland in der Quarantäne verendet oder notgeschlachtet worden seien, habe die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung der Ausfuhrerstattung gehabt. Die Erstattungsbescheide seien deshalb insoweit rechtswidrig gewesen und hätten vom HZA mit der Folge zurückgenommen werden müssen, dass die gewährte Ausfuhrerstattung von der Klägerin insoweit erstattet werden müsse.

Die Voraussetzungen für die Gewährung der Ausfuhrerstattung seien nicht erfüllt, weil die betreffenden Zuchtrinder die Bestimmungsländer nicht tatsächlich erreicht hätten, um dort vermarktet zu werden. Das Erfordernis des tatsächlichen Marktzugangs in unverändertem Zustand sei auch bei Erzeugnissen mit einheitlicher Erstattung zu erfüllen. Zwar könne bei der nicht differenzierten Ausfuhrerstattung die Zahlung der Erstattung in der Regel bereits beansprucht werden, wenn das Erzeugnis das Zollgebiet der Gemeinschaft verlassen habe. Auf den Nachweis der Einfuhr des Erzeugnisses in ein Drittland werde dann verzichtet, weil unterstellt werde, dass die jeder Ausfuhrerstattung immanente Voraussetzung erfüllt werde. Ergäbe sich jedoch später, dass die Tiere den Drittlandsmarkt nicht erreicht hätten, weil sie entweder schon auf dem Transport oder in der Quarantäne im Bestimmungsland geschlachtet worden oder verendet seien, so sei die gewährte Ausfuhrerstattung zurückzuzahlen. Auf dem Transport bzw. während der Quarantäne eingetretene Todesfälle könnten auch nicht als Fälle höherer Gewalt angesehen werden.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts durch das FG. Sie führt u.a. aus, anders als das FG meine, könne nicht zwischen der Gewährung der Ausfuhrerstattung und ihrer Rückforderung unterschieden werden. Nach § 10 Abs. 1 MOG könnten nur rechtswidrige begünstigende Bescheide zurückgenommen werden. Erstattungsbescheide, mit denen Ausfuhrerstattungen zu Recht gewährt worden seien, blieben rechtmäßig. Deshalb könnten nach § 10 Abs. 1 MOG Ausfuhrerstattungen, die auf entstandene Ansprüche gewährt worden seien, nicht zurückgefordert werden. Die Voraussetzungen für die Zahlung der nicht differenzierten Ausfuhrerstattung seien gegeben, wenn die in Art. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 (VO Nr. 3665/87) der Kommission vom (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— Nr. L 351/1 mit Änderungen) festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind, d.h. der Nachweis erbracht ist, dass die Erzeugnisse, für die die Ausfuhranmeldungen angenommen worden sind, spätestens 60 Tage nach dieser Annahme das Zollgebiet der Gemeinschaft in unverändertem Zustand verlassen haben. Dieser Nachweis sei im Streitfall erbracht. Auch aus der Zielsetzung des Systems der Ausfuhrerstattung ergebe sich nicht, dass die Erzeugnisse selbst bei einheitlicher Ausfuhrerstattung den Bestimmungsmarkt des Drittlandes in unverändertem Zustand erreichen müssten.

Soweit es entgegen der von der Revision vertretenen Meinung doch auf die Einfuhr der von der Klägerin ausgeführten Zuchtrinder in Drittländer ankomme, könne dies allenfalls die Ausfuhrerstattung für die beiden auf dem Transportweg verendeten Tiere in Frage stellen, nicht aber die Ausfuhrerstattungen für die während der Quarantäne verendeten oder notgeschlachteten Rinder. Denn das FG habe bindend festgestellt, dass sich die Quarantäne an die Abfertigung der Rinder zum freien Verkehr im Bestimmungsland angeschlossen habe. Dafür, dass es schon bei der Ausfuhr der Rinder Gesundheitsbeeinträchtigungen gegeben habe, gebe es keine Feststellungen. Die einheitliche Ausfuhrerstattung könne auch nicht mit der Begründung in Frage gestellt werden, die Ausfuhrware sei infolge nachträglicher Qualitätsminderungen nicht mehr von gesunder und handelsüblicher Qualität gewesen. Im Falle einheitlicher Ausfuhrerstattung bleibe der Erstattungsanspruch in diesen Fällen in voller Höhe bestehen.

Nach Meinung des HZA ist das angefochtene Urteil nicht zu beanstanden. Ein Verstoß gegen Art. 4 und 5 VO Nr. 3665/87 sowie gegen § 10 MOG sei nicht zu erkennen. Es sei zwischen dem materiellen Anspruch auf Ausfuhrerstattung und der verfahrensmäßigen Ausgestaltung der Gewährung der Ausfuhrerstattung zu unterscheiden. Der materielle Anspruch setze voraus, dass das Erzeugnis das Zollgebiet der Gemeinschaft verlassen und seine tatsächliche Bestimmung in geographischer und funktionaler Hinsicht erreicht habe, wozu die Einfuhr in ein Drittland und der tatsächliche Marktzugang gehöre.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht bestehe hingegen die Erleichterung, dass bei Erzeugnissen mit einheitlicher Erstattung quasi gesetzlich vermutet werde, dass die Voraussetzungen der Einfuhr in ein Drittland und der Marktzugang dort erfüllt seien, wenn das Erzeugnis das Zollgebiet der Gemeinschaft verlassen habe.

Zwar könne nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) der Nachweis nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. a VO Nr. 3665/87 (Einfuhr in ein Drittland) nur bis zur endgültigen Auszahlung der Ausfuhrerstattung und nur auf Grund ernster Zweifel am tatsächlichen Erreichen der Bestimmung des Erzeugnisses gefordert werden (, Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern —ZfZ— 2001, 92). Dies gelte aber dann nicht, wenn wie im Streitfall feststehe, dass die Erzeugnisse ihre Bestimmung tatsächlich nicht erreicht hätten.

II.

Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und der Klage ist stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Anders als das HZA und das FG meinen ist der angefochtene Bescheid, mit dem das HZA die gezahlte Ausfuhrerstattung für die Zuchtrinder zurückgefordert hat, die nach ihrer Ausfuhr aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft während des Transports bzw. der Quarantäne im Bestimmungsland verendet bzw. notgeschlachtet worden sind, rechtswidrig, weil die Klägerin auch insoweit einen Anspruch auf Gewährung der Ausfuhrerstattung hatte, der nicht nachträglich wieder entfallen ist.

1. Zutreffend ist, dass im Streitfall als Rechtsgrundlage für den angefochtenen Rückforderungsbescheid nur § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG i.d.F. der Bekanntmachung vom (BGBl I, 1397) in Betracht kommt. Danach sind rechtswidrige begünstigende Bescheide über u.a. Ausfuhrerstattung (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 MOG), auch nachdem sie unanfechtbar geworden sind, zurückzunehmen; § 48 Abs. 2 bis 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) sind anzuwenden. Nach § 48 Abs. 2 Satz 5 VwVfG sind bereits gewährte Leistungen zu erstatten, soweit der die Leistung gewährende Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Die zu erstattenden Beträge sind gemäß § 10 Abs. 3 MOG durch Bescheid festzusetzen.

Die Voraussetzungen für den geltend gemachten Erstattungsanspruch des HZA sind jedoch nicht erfüllt, weil die Klägerin einen Anspruch auf Gewährung der Ausfuhrerstattung auch für die verendeten bzw. notgeschlachteten Zuchtrinder hat, der Bescheid, mit dem die Ausfuhrerstattung gewährt wurde, daher rechtmäßig ist und somit nicht nach § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG zurückgenommen werden durfte.

2. a) Der Anspruch der Klägerin auf Gewährung der Ausfuhrerstattung für die aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft ausgeführten Zuchtrinder ergibt sich aus Art. 18 der Verordnung (EWG) Nr. 805/68 (VO Nr. 805/68) des Rates vom (ABlEG Nr. L 148/24) i.V.m. Art. 6 der Verordnung (EWG) Nr. 885/68 (VO Nr. 885/68) des Rates vom (ABlEG Nr. L 156/2) und i.V.m. Art. 4 VO Nr. 3665/87. Danach ist die Zahlung der gemäß Art. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2985/91 (VO Nr. 2985/91) der Kommission vom (ABlEG Nr. L 284/16) einheitlichen Ausfuhrerstattung unbeschadet der Art. 5 und 16 VO Nr. 3665/87 von dem Nachweis abhängig, dass die Erzeugnisse, für welche die Ausfuhrerklärung angenommen wurde, spätestens 60 Tage nach dieser Annahme das Zollgebiet der Gemeinschaft verlassen haben. Im Streitfall sind die Voraussetzungen für die Zahlung der einheitlichen Ausfuhrerstattung erfüllt, weil die Klägerin nachgewiesen hat, dass die Zuchtrinder das Zollgebiet der Gemeinschaft innerhalb der vorgeschriebenen Frist verlassen haben. Zwar fehlen Feststellungen des FG dazu, dass dieser Nachweis erbracht worden ist. Aus dem Gesamtzusammenhang der angefochtenen Entscheidung ist aber zu entnehmen, dass stillschweigend davon ausgegangen wurde, dass dieser Nachweis erbracht worden ist. Denn anderenfalls würden sich die weiteren Ausführungen des FG erübrigen, weil schon der Grundtatbestand für die Gewährung der Ausfuhrerstattung nicht erfüllt wäre.

Weitere Nachweise hat das HZA vor Zahlung der Ausfuhrerstattung nicht verlangt, sie können daher auch nachträglich nicht mehr verlangt werden. Selbst wenn feststeht, dass die ausgeführten Zuchtrinder den Markt des Bestimmungslandes tatsächlich nicht erreicht haben, ändert dies nichts daran, dass die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung der Ausfuhrerstattung hatte.

b) Dem steht der in Art. 4 VO Nr. 3665/87 gemachte Vorbehalt in Bezug auf Art. 16 VO Nr. 3665/87 nicht entgegen, weil die Vorschrift nur für Erzeugnisse gilt, bei denen sich die Ausfuhrerstattung nach je nach Bestimmung unterschiedlichen Erstattungssätzen richtet, die Ausfuhrerstattung aber für die hier in Rede stehenden Zuchtrinder nach einheitlichen Erstattungssätzen bestimmt wird.

c) Anders als das HZA und das FG meinen, steht dem Anspruch der Klägerin auf Ausfuhrerstattung auch der weitere nach Art. 4 VO Nr. 3665/87 bestehende Vorbehalt aus Art. 5 VO Nr. 3665/87 nicht entgegen.

Art. 5 VO Nr. 3665/87 bestimmt u.a., dass die Zahlung der einheitlichen oder unterschiedlichen Erstattung außer von der Voraussetzung, dass das Erzeugnis das Zollgebiet der Gemeinschaft verlassen hat, davon abhängig ist, dass das Erzeugnis innerhalb einer Frist von zwölf Monaten nach Annahme der Ausfuhranmeldung in ein Drittland eingeführt wurde, es sei denn, dass es im Laufe der Beförderung infolge höherer Gewalt untergegangen ist,

- "a) wenn ernste Zweifel am Erreichen der tatsächlichen Bestimmung des Erzeugnisses bestehen

oder

- b) wenn bei dem Erzeugnis aufgrund des Unterschieds zwischen dem für das ausgeführte Erzeugnis anzuwendenden Erstattungsbetrag und den für ein gleichartiges Erzeugnis zum Zeitpunkt der Annahme der Ausfuhranmeldung geltenden Eingangsabgaben die Möglichkeit besteht, dass es in die Gemeinschaft wieder eingeführt wird.

...

Außerdem können die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zusätzliche Beweismittel fordern, mit denen ihnen gegenüber nachgewiesen werden kann, dass das betreffende Erzeugnis tatsächlich in unverändertem Zustand auf den Markt des einführenden Mitgliedstaats gelangt ist.”

Diese in Art. 5 VO Nr. 3665/87 genannten zusätzlichen Voraussetzungen hätte das HZA jedoch, wie der EuGH zu der inhaltlich im Wesentlichen gleichlautenden Vorschrift des Art. 10 der Verordnung (EWG) Nr. 2730/79 (VO Nr. 2730/79) der Kommission vom (ABlEG Nr. L 317/1) ausgeführt hat (Urteil in ZfZ 2001, 92, Rndnr. 48; vgl. auch Urteil vom Rs. C-347/93, EuGHE 1994, I-3933, Rndnr. 30), nur vor Zahlung der Erstattung geltend machen können. Dies ergibt sich nach den Ausführungen des EuGH bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, dem zufolge die Zahlung davon abhängig ist, dass das Erzeugnis in ein Drittland eingeführt wurde. Bestätigt wird diese Auslegung auch durch die Erwägungsgründe der VO Nr. 3665/87. Denn aus Abs. 4 und 5 dieser Gründe, in denen die in Art. 4 und 5 VO Nr. 3665/87 getroffenen Regelungen begründet werden, wird ebenfalls das diesen Vorschriften systematisch zugrunde liegende Stufenverhältnis deutlich. Grundsätzlich ist danach die nicht differenzierte Erstattung schon zu gewähren, wenn nachgewiesen ist, dass die Erzeugnisse aus der Gemeinschaft ausgeführt worden sind. Nur im Falle bestimmter Ausfuhren, die Anlass zu Missbrauch geben können, kann die Zahlung der Ausfuhrerstattung von der weiteren Bedingung abhängig gemacht werden, dass das Erzeugnis in ein Drittland eingeführt und —ggf.— dort tatsächlich in den Verkehr gebracht worden ist. Diese zusätzlichen Voraussetzungen, deren Erfüllung ausnahmsweise gefordert werden kann, müssen dem Antragsteller aber vor Zahlung der Ausfuhrerstattung mitgeteilt werden (vgl. auch Senatsurteil vom VII R 5/98, BFH/NV 2001, 1308 im Anschluss an EuGH-Urteil in ZfZ 2001, 92).

Der Grundsatz, dass im Rahmen der Rindfleischmarktordnung die Ausfuhrerstattung nach einheitlichen Sätzen bereits zu zahlen ist, wenn die Erzeugnisse aus der Gemeinschaft ausgeführt worden sind, ist außerdem schon ausdrücklich in Art. 6 Abs. 1 VO Nr. 885/68 festgelegt. Dabei wird nicht zwischen materiellen und verfahrensmäßigen Voraussetzungen für das Bestehen eines solchen Anspruchs im Sinne der Ausführungen des HZA unterschieden. Vielmehr besteht der materielle Anspruch, wenn die verfahrensmäßigen Voraussetzungen (in der Regel Nachweis der Ausfuhr) in Bezug auf das erstattungsfähige Erzeugnis erfüllt sind.

Etwas anderes ist auch dem (EuGHE 1999, I-35) nicht zu entnehmen. Dort ging es —soweit hier von Belang— nur um die Frage, ob und inwieweit der betreffende Mitgliedstaat auf Grund von Art. 5 VO Nr. 3665/87 verpflichtet war, vor Auszahlung der beantragten Ausfuhrerstattung Nachweise für die besondere Verwendung der betreffenden Rinder zu Zuchtzwecken zu verlangen (Rndnr. 39). Für die im Streitfall entscheidende Frage, ob nach Zahlung der Ausfuhrerstattung noch weitere Nachweise verlangt werden können, insbesondere ob Feststellungen von Bedeutung sein können, nach denen die Erzeugnisse das Bestimmungsland nicht erreicht haben, lässt sich dieser Entscheidung hingegen nichts entnehmen.

Auch soweit die Entscheidung Ausführungen dazu enthält, was unter dem Erreichen einer Bestimmung zu verstehen ist und dass dieser Begriff im funktionellen und nicht nur im geografischen Sinne zu verstehen ist (EuGH in EuGHE 1999, I-35, Rndnr. 45), lässt sich daraus für den Streitfall nichts herleiten. Denn hier steht zum einen fest, dass es sich bei den ausgeführten Rindern um Zuchtrinder gehandelt hat, was in dem jener Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt zweifelhaft war, und zum anderen hatte das HZA vor Zahlung der Ausfuhrerstattung keine Zweifel, dass es zum Missbrauch der Regelung kommen könnte, so dass es vor Zahlung der Ausfuhrerstattung keine zusätzlichen Nachweise gefordert hat. Letzteres ist aber im Verhältnis der Klägerin zum HZA allein entscheidend. Eine andere Frage ist, ob das HZA im Falle von Zuchtrindern hätte Zweifel haben und deshalb vor Zahlung der Ausfuhrerstattung weitere Nachweise i.S. von Art. 5 VO Nr. 3665/87 hätte verlangen müssen. Dies wäre aber eine Frage, die nur das Verhältnis zwischen dem die Ausfuhrerstattung gewährenden Mitgliedstaat und der Gemeinschaft beträfe und die deshalb im Streitfall unerheblich ist.

3. Aus dem Sinn und Zweck der Ausfuhrerstattung folgt entgegen der Auffassung des FG nichts, was eine andere Auslegung der Art. 4 und 5 VO Nr. 3665/87 nahe legt. Insbesondere lässt sich allein aus dem Sinn und Zweck der Ausfuhrerstattung kein Tatbestand entnehmen, der über den des § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG hinaus eine Rechtsgrundlage für die Rückforderung der gezahlten Ausfuhrerstattung bieten könnte. Richtig ist zwar, dass es Zweck der Ausfuhrerstattungsregelung ist, den Unterschied zwischen dem höheren Gemeinschaftspreis und dem niedrigeren Weltmarktpreis auszugleichen. Das bedeutet aber nicht, dass das Erzeugnis unter allen Umständen auch auf den Markt eines Drittlandes gelangen muss. Diese Voraussetzung ist in der Regel nur dann von Bedeutung, wenn eine Ausfuhrerstattung in Rede steht, der Sätze zugrunde liegen, die je nach Bestimmungsland unterschiedlich sind. Im Falle der Ausfuhrerstattung nach, wie im Streitfall, einheitlichen Sätzen ist dagegen zunächst entscheidend, dass das Erzeugnis dadurch vom Markt der Gemeinschaft genommen wird, dass es im Rahmen eines normalen Handelsgeschäfts (vgl. dazu z.B.  23/79, EuGHE 1979, 2789; Erwägungsgrund Nr. 24 der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 (VO Nr. 800/1999) der Kommission vom (ABlEG Nr. L 102/11) ausgeführt wird. Was danach mit dem Erzeugnis geschieht, hat im Regelfall unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten keinen Einfluss auf den Gemeinschaftsmarkt mehr und ist daher im Rahmen des mit der Gewährung der einheitlichen Ausfuhrerstattung verbundenen Zwecks ohne Bedeutung. Das ist nur dann anders, wenn ein Missbrauch der Vergünstigungsregelung zu befürchten ist, weil die Gefahr besteht, dass das Erzeugnis unter Erlangung nicht gerechtfertigter finanzieller Vorteile auf den Gemeinschaftsmarkt zurückverbracht wird oder sonst zu befürchten ist, dass die an dem Geschäft beteiligten Personen vom Gemeinschaftsgesetzgeber unbeabsichtigte Vorteile dadurch erhalten, dass sie das Erzeugnis nicht wie von der Erstattungsregelung unterstellt, auf den Markt eines Drittlandes bringen. Einem solchen Missbrauch vorzubeugen, ist Sinn der in Art. 5 VO Nr. 3665/87 getroffenen Regelung. Diese Funktion kann die Vorschrift aber in für den Ausführer zumutbarer Weise nur dann erfüllen, wenn die darin vorgesehenen Nachweise vor Zahlung der Ausfuhrerstattung an den Antragsteller verlangt werden. Ergeben erst danach getroffene Feststellungen, dass die Erzeugnisse nicht auf den Markt eines Drittlandes gelangt sind, so kommt eine Rückforderung der gezahlten Ausfuhrerstattung allenfalls in Betracht, wenn der Klägerin nachgewiesen werden kann, dass sie die Ausfuhrerstattung missbräuchlich in Anspruch genommen hat (vgl. EuGH, Urteil in ZfZ 2001, 92, Rndnrn. 50, 51). Dafür bestehen aber im Streitfall keinerlei Anhaltspunkte.

Da es im Falle einer Ausfuhrerstattung nach einheitlichen Sätzen somit nicht systemimmanent ist, dass ein Ausfuhrerstattungsanspruch letztlich nur dann gerechtfertigt ist, wenn das Erzeugnis in ein Drittland eingeführt wurde, lässt sich auch ein Widerruf der Ausfuhrerstattungsbescheide in Bezug auf die hier in Rede stehenden Zuchtrinder nach § 10 Abs. 2 MOG nicht rechtfertigen. Denn nach dieser Vorschrift kann ein —wie gezeigt— rechtmäßiger begünstigender Bescheid nur dann widerrufen werden, wenn eine Voraussetzung für den Erlass des Bescheides nachträglich entfallen oder nicht eingehalten worden ist. Wie ausgeführt war im Streitfall für die Zahlung der Ausfuhrerstattung gemäß Art. 6 VO Nr. 885/68 i.V.m. Art. 4 VO Nr. 3665/87 aber nur die Ausfuhr der Zuchtrinder aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft Voraussetzung für die Gewährung der Ausfuhrerstattung. Diese Voraussetzung ist nach wie vor erfüllt.

4. In der VO Nr. 800/1999, die die VO Nr. 3665/87 abgelöst hat, kommt noch deutlicher als in dieser zum Ausdruck, dass es Ziel der Regelung ist, den Gemeinschaftsmarkt von den betreffenden Erzeugnissen zu entlasten (2. Erwägungsgrund der VO Nr. 800/1999) und daher der Erstattungsanspruch im Falle eines einheitlichen Erstattungssatzes (schon) bei Verlassen des Zollgebiets der Gemeinschaft entsteht (Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 800/1999). Nach der Regelung in Art. 20 Abs. 4 Satz 1 VO Nr. 800/1999 (entspricht Art. 5 VO Nr. 3665/87) ist ausdrücklich vorgesehen, dass außer dem bereits von Art. 7 VO Nr. 800/1999 vorgeschriebenen Ausfuhrnachweis die in Art. 20 Abs. 1 der Verordnung vorgesehenen zusätzlichen Nachweise nur vor Zahlung der Erstattung verlangt werden können.

Im Gegensatz zu der im Streitfall noch anwendbaren VO Nr. 3665/87 regelt aber die VO Nr. 800/1999 in Art. 20 Abs. 4 Satz 2 bestimmte Fälle, in denen die gezahlte Ausfuhrerstattung als zu Unrecht gewährt gilt und zurückzuzahlen ist. Dazu gehört u.a. der Fall (Art. 20 Abs. 4 Satz 2 Buchst. a VO Nr. 800/1999), dass die zuständigen Behörden, ggf. auch nach erfolgter Zahlung, feststellen, ”dass das Erzeugnis zerstört oder beschädigt wurde, bevor es in einem Drittland vermarktet wurde…es sei denn, der Ausführer kann gegenüber den zuständigen Behörden nachweisen, dass die Ausfuhr unter solchen wirtschaftlichen Bedingungen erfolgt ist, dass das Erzeugnis…nach vernünftigem Ermessen in einem Drittland hätte vermarktet werden können”. Es kann dahinstehen, ob nach dieser Regelung, wäre sie im Streitfall anwendbar, ein Rückforderungsanspruch des HZA gerechtfertigt wäre. Daran bestehen erhebliche Zweifel, weil wohl davon auszugehen ist, dass die Ausfuhr auch der später verendeten oder notgeschlachteten Zuchtrinder unter solchen Bedingungen erfolgt ist, dass sie in ihren Bestimmungsländern hätten vermarktet werden können. Jedenfalls folgt aber daraus, dass es im Streitfall an einer solchen gesetzlichen Regelung überhaupt fehlt, dass ein entsprechender Rückforderungsanspruch des HZA nicht bestehen kann. Er lässt sich auch, ohne dass es eine entsprechende gesetzliche Regelung gibt, nicht aus übergeordneten Gesichtspunkten herleiten.

5. Der Senat hält es nicht für erforderlich, in dieser Sache eine Vorabentscheidung des EuGH nach Art. 234 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrages von Amsterdam vom (ABlEG Nr. C 340/1; 1999 Nr. L 114/56) einzuholen, weil insbesondere im Hinblick auf das EuGH-Urteil in ZfZ 2001, 92 keine Zweifel hinsichtlich der Auslegung der betreffenden Gemeinschaftsvorschriften (hier Art. 4 und 5 VO Nr. 3665/87) mehr in dem Sinne bestehen, dass mehrere Auslegungsmöglichkeiten denkbar wären ( 283/81, EuGHE 1982, 3415 bis 3442, und Senatsurteil vom VII R 107/81, BFHE 145, 266).

Fundstelle(n):
BB 2002 S. 1529 Nr. 30
BFH/NV 2002 S. 1114 Nr. 8
BFHE S. 247 Nr. 198
DStRE 2002 S. 1030 Nr. 16
BAAAA-69358