Reichweite der Verpflichtung zur Vorlage von elektronischen Aufzeichnungen bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG
Leitsatz
1. Die Befugnisse aus § 147 Abs. 6 AO stehen der Finanzbehörde nur in Bezug auf solche Unterlagen zu, die der Steuerpflichtige
nach § 147 Abs. 1 AO aufzubewahren hat (Anschluss an ).
2. Für Steuerpflichtige mit selbstständigen oder gewerblichen Einkünften, die zulässigerweise gem. § 4 Abs. 3 EStG als Gewinn
den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen, ist der sachliche Umfang der Aufbewahrungspflicht
– und mithin zugleich der sachliche Umfang der Zugriffsbefugnis der Finanzbehörde nach § 147 Abs. 6 AO – im Regelfall auf
solche Unterlagen begrenzt, die zum Verständnis und zur Überprüfung der für sie geltenden steuergesetzlichen Aufzeichnungspflichten,
z. B. in § 4 Abs. 3 S. 5, Abs. 7 EStG und § 22 UStG, von Bedeutung sind. Eine steuerliche Relevanz von elektronisch gespeicherten
Daten allein reicht dabei nicht aus. Soweit keine Aufzeichnungspflicht besteht, ist auch der Datenzugriff ausgeschlossen.
Eine weitergehende Aufbewahrungspflicht ergibt sich für einen Steuerpflichtigen, der seinen Gewinn mittels einer EÜR ermittelt,
weder aus der Vorschrift des § 146 Abs. 6 AO noch aus § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO.
3. Hat sich der Steuerpflichtige aber entschieden, steuergesetzlich erforderliche Aufzeichnungen sowohl in Papierform als
auch in elektronischer Form zu führen und die notwendigen Unterlagen in beiden Formen aufzubewahren, erstreckt sich die Pflicht
zur Aufbewahrung – in Abhängigkeit vom Umfang der gesetzlichen Aufzeichnungspflicht – nach § 147 Abs. 1 AO auf sämtliche vorhandenen
Aufzeichnungen und Unterlagen. Diese hat der Steuerpflichtige auf Verlangen (§ 200 Abs. 1 S. 2 AO) vorzulegen; in demselben
Umfang hat er – unter den weiteren Voraussetzungen des § 147 Abs. 6 AO – den Datenzugriff zu dulden und die Finanzbehörde
dabei zu unterstützen.
4. Dem Datenzugriffsrecht des FA nach § 147 Abs. 5 AO unterliegen demnach insbesondere die vom Einnahme-/Überschussrechner
nach den einzelsteuergesetzlichen Vorschriften der § 4 Abs. 3 S. 5 und Abs. 7 EStG sowie § 22 UStG zu führenden elektronischen
Aufzeichnungen, etwa die (elektronischen) Aufzeichnungen über die vereinbarten Entgelte je Leistung nach Steuersätzen, die
Entgelte für die ausgeführten Bauleistungen nach § 13b UStG, die Bemessungsgrundlage für den Eigenverbrauch, die geltend gemachten
Vorsteuerbeträge mit Bezeichnung des Leistenden sowie die Aufzeichnungen über die Aufwandsposten GWG und die Sammelposten
GWG, ferner die nach § 4 Abs. 3 S. 5 EStG besonders und laufend zu führenden Verzeichnisse der nicht abnutzbaren Wirtschaftsgüter
des Anlage- und Umlaufvermögens einschließlich der nach § 7g EStG zu führenden Aufzeichnungen über die Sonderabschreibungen
sowie die nach § 143 Abs. 1 AO im Betrieb des Klägers gesondert aufgezeichneten Daten über den Wareneingang, sofern diese
Aufzeichnungen auch in elektronischer Form geführt worden sind.
5. Dem Datenzugriffsrecht des FA unterliegt nach § 22 Abs. 2 Nr. 5 UStG neben der reinen Aufzeichnung der abziehbaren Vorsteuer
die Aufzeichnung der Entgelte, aber auch die Vorlage der zum Verständnis und zur Überprüfung der aufgezeichneten Entgelte
erforderlichen Unterlagen; das alle sind „vorsteuerbehafteten” Betriebsausgaben, nicht aber die nicht vorsteuerbehafteten
Betriebsausgaben wie Versicherungen, Steuern und Beiträge, Zinsaufwendungen, Nebenkosten Geldverkehr.
Tatbestand
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n): BBK-Kurznachricht Nr. 9/2018 S. 395 EFG 2018 S. 717 Nr. 9 GStB 2018 S. 341 Nr. 10 KÖSDI 2018 S. 20775 Nr. 6 StuB-Bilanzreport Nr. 8/2019 S. 334 XAAAG-79352
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