Trotz nachträglich als teilweise rechtswidrig eingestufter Durchsuchungsanordnung durchgeführte Pfändungsmaßnahmen nicht rückwirkend
rechtswidrig
Voraussetzungen einer Überpfändung
Verhältnismäßigkeit des mehrstündigen Einsatzes eines Abschleppdienstes sowie eines Schlüsselöffnungsdienstes zur Pfändung
eines älteren PKW sowie eines Motorrads bei Vollstreckung wegen rd. 1.700 EUR
Leitsatz
1. Wird eine den vollstreckbaren Anspruch nach Grund und unter Angabe der jeweiligen Vollstreckungsersuchen mit Datum und
Geschäftszeichen bezeichnende, jedoch die Höhe des vollstreckbaren Anspruchs nicht benennende Durchsuchungsanordnung nach
der Durchführung von Pfändungsmaßnahmen durch das ordentliche Gericht aufgehoben, werden die während des Bestehens der Durchsuchungsanordnung
durchgeführten Pfändungsmaßnahmen nicht rückwirkend rechtswidrig. Die wegen der Nichtbezeichnung der beizutreibenden Beträge
formfehlerhafte Durchsuchungsanordnung des Amtsgerichts steht einer Pfändung ohne richterliche Durchsuchungsanordnung nicht
gleich.
2. Um eine Überpfändung zu verhindern, ist der Vollziehungsbeamte angewiesen, die von ihm geschätzten Werte der gepfändeten
Gegenstände laufend zusammenzurechnen und mit dem beizutreibenden Betrag zu vergleichen. Bei der Schätzung ist nach wirtschaftlicher
Betrachtungsweise auf die vermutlichen Verwertungserlöse abzustellen. Erforderlichenfalls ist für die Schätzung, vor allem
bei Kostbarkeiten, ein Sachverständiger heranzuziehen oder zu befragen.
3. Eine Überpfändung liegt nicht schon dann vor, wenn der von einem Sachverständigen ermittelte Schätzwert des Pfandgegenstands
den Gläubigeranspruch samt Vollstreckungskosten übersteigt (vgl. ). Wird im Einspruchsverfahren
Überpfändung geltend gemacht, so hat der Vollstreckungsschuldner unter Darlegung des Werts des gepfändeten Gegenstands die
Überpfändung substantiiert darzulegen und der Vollstreckungsgläubiger seine Schätzung offen zu legen. Nur bei offensichtlichen
und erheblichen Verstößen ist die Pfändung aufzuheben.
4. Für eine Anschlusspfändung (§ 307 AO) gilt das Verbot der Überpfändung in noch geringerem Maße, weil diese Pfändung ohnehin
nachrangig ist und erst mit Wegfall des vorrangigen Pfandrechts dessen Stelle einnehmen soll.
5. Will das FA wegen Forderungen von rd. 1.700 EUR ein 13 Jahre altes gepfändetes Auto sowie ein gepfändetes Motorrad zur
Verwertung abholen lassen, ist der PKW vom Schuldner jedoch absichtlich in der Garage so quer eingeparkt worden, dass ein
reguläres Entfernen durch den vom FA beauftragten Abschleppdienst sowie die Mitnahme des dahinter stehenden Motorrads ohne
Schäden für den PKW nicht möglich ist, und muss die Vollstreckungsbeamte deswegen im Rahmen der mehrstündigen Suche nach dem
Autoschlüssel die Haustür und fünf weitere Sicherheitstüren in der Wohnung des Schuldners öffnen lassen, so verstoßen die
vom FA durchgeführten Sachpfändungen auch unter dem Gesichtspunkt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass
aufgrund der Einsatzzeit von dreieinhalb Stunden Kosten für den Abschleppdienst von über 1.000 EUR und für die Türöffnungen
Kosten von mehr als 400 EUR angefallen sind.
Tatbestand
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n): EFG 2018 S. 521 Nr. 7 DAAAG-77970
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