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FG München Urteil v. - 10 K 712/17 EFG 2018 S. 521 Nr. 7

Gesetze: AO § 287 Abs. 4 S. 1, AO § 287 Abs. 4 S. 2, AO § 346 Abs. 1, AO § 281 Abs. 2, AO § 295 S. 1, AO § 307, AO § 337 Abs. 1, ZPO § 813 Abs. 1, VollzA Abschn. 41 Abs. 1, VollzA Abschn. 41 Abs. 2

Trotz nachträglich als teilweise rechtswidrig eingestufter Durchsuchungsanordnung durchgeführte Pfändungsmaßnahmen nicht rückwirkend rechtswidrig

Voraussetzungen einer Überpfändung

Verhältnismäßigkeit des mehrstündigen Einsatzes eines Abschleppdienstes sowie eines Schlüsselöffnungsdienstes zur Pfändung eines älteren PKW sowie eines Motorrads bei Vollstreckung wegen rd. 1.700 EUR

Leitsatz

1. Wird eine den vollstreckbaren Anspruch nach Grund und unter Angabe der jeweiligen Vollstreckungsersuchen mit Datum und Geschäftszeichen bezeichnende, jedoch die Höhe des vollstreckbaren Anspruchs nicht benennende Durchsuchungsanordnung nach der Durchführung von Pfändungsmaßnahmen durch das ordentliche Gericht aufgehoben, werden die während des Bestehens der Durchsuchungsanordnung durchgeführten Pfändungsmaßnahmen nicht rückwirkend rechtswidrig. Die wegen der Nichtbezeichnung der beizutreibenden Beträge formfehlerhafte Durchsuchungsanordnung des Amtsgerichts steht einer Pfändung ohne richterliche Durchsuchungsanordnung nicht gleich.

2. Um eine Überpfändung zu verhindern, ist der Vollziehungsbeamte angewiesen, die von ihm geschätzten Werte der gepfändeten Gegenstände laufend zusammenzurechnen und mit dem beizutreibenden Betrag zu vergleichen. Bei der Schätzung ist nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise auf die vermutlichen Verwertungserlöse abzustellen. Erforderlichenfalls ist für die Schätzung, vor allem bei Kostbarkeiten, ein Sachverständiger heranzuziehen oder zu befragen.

3. Eine Überpfändung liegt nicht schon dann vor, wenn der von einem Sachverständigen ermittelte Schätzwert des Pfandgegenstands den Gläubigeranspruch samt Vollstreckungskosten übersteigt (vgl. ). Wird im Einspruchsverfahren Überpfändung geltend gemacht, so hat der Vollstreckungsschuldner unter Darlegung des Werts des gepfändeten Gegenstands die Überpfändung substantiiert darzulegen und der Vollstreckungsgläubiger seine Schätzung offen zu legen. Nur bei offensichtlichen und erheblichen Verstößen ist die Pfändung aufzuheben.

4. Für eine Anschlusspfändung (§ 307 AO) gilt das Verbot der Überpfändung in noch geringerem Maße, weil diese Pfändung ohnehin nachrangig ist und erst mit Wegfall des vorrangigen Pfandrechts dessen Stelle einnehmen soll.

5. Will das FA wegen Forderungen von rd. 1.700 EUR ein 13 Jahre altes gepfändetes Auto sowie ein gepfändetes Motorrad zur Verwertung abholen lassen, ist der PKW vom Schuldner jedoch absichtlich in der Garage so quer eingeparkt worden, dass ein reguläres Entfernen durch den vom FA beauftragten Abschleppdienst sowie die Mitnahme des dahinter stehenden Motorrads ohne Schäden für den PKW nicht möglich ist, und muss die Vollstreckungsbeamte deswegen im Rahmen der mehrstündigen Suche nach dem Autoschlüssel die Haustür und fünf weitere Sicherheitstüren in der Wohnung des Schuldners öffnen lassen, so verstoßen die vom FA durchgeführten Sachpfändungen auch unter dem Gesichtspunkt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass aufgrund der Einsatzzeit von dreieinhalb Stunden Kosten für den Abschleppdienst von über 1.000 EUR und für die Türöffnungen Kosten von mehr als 400 EUR angefallen sind.

Tatbestand

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
EFG 2018 S. 521 Nr. 7
DAAAG-77970

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