Gewerbsmäßiger Schmuggel: Gesetzeskonkurrenz zur Steuerhinterziehung
Gesetze: § 370 Abs 1 Nr 1 AO, § 373 Abs 1 AO
Instanzenzug: LG Frankfurt (Oder) Az: 22 Wi KLs 7/15
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten W. und den Mitangeklagten G. jeweils wegen gewerbsmäßigen Schmuggels in Tateinheit mit Steuerhinterziehung und mit Urkundenfälschung in 61 Fällen verurteilt. Gegen den Angeklagten W. hat es deswegen eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten festgesetzt. Gegen den Mitangeklagten G. hat es eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verhängt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Im Hinblick auf eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung hat das Landgericht hiervon bei beiden Angeklagten jeweils acht Monate Freiheitsstrafe für vollstreckt erklärt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte W. mit seiner auf Verfahrensrügen und sachlich-rechtliche Beanstandungen gestützten Revision. Der Mitangeklagte G. hat kein Rechtsmittel eingelegt. Die Revision des Angeklagten W. führt nach einer Teileinstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 2 StPO zu einer Abänderung des Schuldspruchs und hat im Übrigen zum Strafausspruch Erfolg; die weitergehende Revision des Angeklagten W. ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Gemäß § 357 StPO ist die Schuldspruchänderung und in der Folge auch die Aufhebung des Strafausspruchs auf den Mitangeklagten G. zu erstrecken.
21. Aus prozessökonomischen Gründen wird das Verfahren, soweit es den Angeklagten W. betrifft, auf Antrag des Generalbundesanwalts in den Fällen II.1. bis II.38. der Urteilsgründe gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.
32. In den (verbleibenden) Fällen II.39. bis II.61. der Urteilsgründe ist der Schuldspruch - gemäß § 357 StPO auch hinsichtlich des Mitangeklagten G. - dahin abzuändern, dass die Verurteilung jeweils wegen tateinheitlich begangener Steuerhinterziehung entfällt.
4a) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen verkürzten der Angeklagte W. und der Mitangeklagte G. in diesen Fällen jeweils dadurch Zoll und Einfuhrumsatzsteuer, dass sie bei der Einfuhr von Honig aus der Ukraine im Rahmen der Abgabe von Zollanmeldungen durch eine Zollspedition einen erheblich unter dem Einkaufspreis liegenden Warenwert anmelden ließen und dabei von gefälschten Rechnungen Gebrauch machten. Das Landgericht hat diese Taten jeweils als gewerbsmäßigen Schmuggel in Tateinheit mit Steuerhinterziehung und mit Urkundenfälschung gewertet.
5b) Die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) entfällt, weil es sich bei Schmuggel (§ 373 AO) um einen Qualifikationstatbestand handelt, der den Grundtatbestand des § 370 AO verdrängt. Dies gilt für vor dem begangenen Taten selbst dann, wenn - was hier nicht der Fall ist - die Voraussetzungen eines besonders schweren Falls der Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 Abs. 3 AO gegeben sind (BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 11/15, NStZ 2016, 47 und vom - 1 StR 267/14, NStZ 2015, 285, jeweils mwN). Neben dem Zoll stellt auch die Einfuhrumsatzsteuer eine Einfuhrabgabe dar, die vom Qualifikationstatbestand des § 373 Abs. 1 AO erfasst wird (vgl. Jäger in Klein, AO, 13. Aufl., § 373 Rn. 25). Der Angeklagte ist damit - nach Teileinstellung des Verfahrens - des gewerbsmäßigen Schmuggels in Tateinheit mit Urkundenfälschung in 23 Fällen schuldig.
63. Gemäß § 357 StPO ist die Schuldspruchänderung in den Fällen II.39. bis II.61. der Urteilsgründe auch auf den als Mittäter verurteilten Mitangeklagten G. zu erstrecken. Soweit das Verfahren gegen den Angeklagten W. gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist, greift § 357 StPO für den Mitangeklagten nicht ein.
74. Die Einzelstrafen in den Fällen II.39. bis II.61. der Urteilsgründe haben - gemäß § 357 StPO auch hinsichtlich des Mitangeklagten G. - keinen Bestand. Denn das Landgericht hat ausdrücklich zum Nachteil beider Angeklagter berücksichtigt, dass diese mit jeder Tat jeweils drei Straftatbestände verwirklichten. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Es liegt ein Fall der Gesetzeskonkurrenz vor, bei der das verdrängte Delikt nur dann bei der Strafzumessung berücksichtigt werden darf, wenn und soweit Umstände, die die erhöhte Schuld begründen sollen, nicht schon - wie aber hier - zu den Merkmalen des vorrangigen Tatbestands gehören (vgl. LK-Rissing-van Saan, 12. Aufl., Vor §§ 52 ff. Rn. 95). Damit hat das Landgericht in allen Fällen gegen das Verbot der Doppelverwertung (§ 46 Abs. 3 StGB) verstoßen. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht in diesen Fällen ohne diesen Wertungsfehler jeweils niedrigere Einzelstrafen verhängt hätte. Da hinsichtlich des Angeklagten W. - nach Teileinstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 2 StPO - alle verbliebenen Einzelstrafen betroffen sind, kann auch die Gesamtstrafe keinen Bestand haben. Hinsichtlich des Mitangeklagten G. hebt der Senat den Strafausspruch ebenfalls insgesamt auf, um dem neuen Tatgericht eine neue und widerspruchsfreie Strafzumessung zu ermöglichen.
85. Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da diese von dem Wertungsfehler nicht betroffen sind.
96. Die weitergehende Revision des Angeklagten W. ist aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom genannten Gründen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:091117B1STR204.17.0
Fundstelle(n):
BFH/NV 2018 S. 400 Nr. 3
PStR 2018 S. 27 Nr. 2
wistra 2018 S. 133 Nr. 3
YAAAG-71427