BGH Beschluss v. - VII ZB 65/17

Zwangsvollstreckungsverfahren: Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde im Verfahren gegen die Anordnung eines Gerichtsvollziehers zur Vorschusszahlung vor Durchführung eines Vollstreckungsauftrags; Umdeutung in eine weitere Beschwerde

Leitsatz

1. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof ist im Verfahren betreffend die Anordnung eines Gerichtsvollziehers, die Durchführung eines Vollstreckungsauftrags von der Zahlung eines Vorschusses abhängig zu machen, auch dann nicht statthaft, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht sie in dem angefochtenen Beschluss zugelassen hat (Anschluss an , DGVZ 2008, 187).

2. Eine derartige unstatthafte Rechtsbeschwerde kann regelmäßig in eine weitere Beschwerde umgedeutet und die Sache an das zuständige Oberlandesgericht abgegeben werden.

Gesetze: § 4 Abs 1 S 2 GvKostG, § 5 Abs 2 S 2 GvKostG, § 5 Abs 3 GvKostG, § 66 Abs 3 S 3 GKG, § 66 Abs 4 GKG

Instanzenzug: Az: 4 T 103/16vorgehend AG Göppingen Az: 1 M 591/16

Gründe

I.

1Der Gläubiger, der die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreibt, wendet sich dagegen, dass die Obergerichtsvollzieherin M. die Durchführung eines Vollstreckungsauftrags von der Zahlung eines Vorschusses in Höhe von 150 € abhängig gemacht hat.

2Der Gläubiger, der die Bezeichnung "Sondervermögen Studienfonds im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg" trägt, ist der Ansicht ist, als Teil des Landes Baden-Württemberg von der Zahlung von Gerichtsvollzieherkosten befreit zu sein. Er hat daher gegen die Vorschussanforderung Erinnerung eingelegt.

3Mit Beschluss vom hat das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - G. die Erinnerung des Gläubigers gegen die Vorschussanforderung der Obergerichtsvollzieherin M. vom zurückgewiesen.

4Die sofortige Beschwerde des Gläubigers gegen diesen Beschluss hat das Landgericht U. mit Beschluss vom zurückgewiesen.

5Mit der vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Gläubiger sein vorinstanzliches Begehren weiter.

II.

61. Gegen die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts bezüglich der Anforderung eines Kostenvorschusses seitens der Obergerichtsvollzieherin ist die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof nicht statthaft.

7a) Auf die Erinnerung des Kostenschuldners gegen die Anordnung des Gerichtsvollziehers, die Durchführung des Auftrags von der Zahlung eines Vorschusses abhängig zu machen (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 GvKostG), und auf die Beschwerde ist § 5 Abs. 2 GvKostG entsprechend anzuwenden, § 5 Abs. 3 GvKostG. Für die Erinnerung und die Beschwerde gilt nach § 5 Abs. 2 Satz 2 GvKostG die Regelung in § 66 Abs. 2 bis 8 GKG entsprechend. Nach § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG findet eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes nicht statt. Damit ist auch eine Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof ausgeschlossen (, DGVZ 2008, 187, juris Rn. 7 m.w.N.; Beschluss vom - I ZB 71/14, DGVZ 2014, 257, juris Rn. 3). Dieser Ausschluss gilt auch hinsichtlich der Anforderung eines Kostenvorschusses seitens eines Gerichtsvollziehers im Zusammenhang mit der Durchführung eines Vollstreckungsauftrags. Aus dem in § 5 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 GvKostG geregelten Vorrang des § 766 Abs. 2 ZPO folgt nicht, dass damit der gegen die Entscheidung über die Erinnerung nach § 766 Abs. 2 ZPO vorgesehene Rechtsmittelweg eröffnet wäre. Soweit § 5 Abs. 3 i.V.m. § 5 Satz 2 Satz 1 GvKostG auf § 766 Abs. 2 ZPO verweist, ist damit allein die Zuständigkeit für die Entscheidung über die Erinnerung geregelt, nicht hingegen der Rechtsmittelweg (vgl. , aaO S. 187 f., juris Rn. 8 ff.; Beschluss vom - I ZB 71/14, DGVZ 2014, 257, juris Rn. 4, jeweils zum Ansatz von Gerichtsvollzieherkosten, bei denen es sich um Vollstreckungskosten handelt).

8Danach findet gegen die Entscheidung über die Erinnerung des Kostenschuldners die (unbefristete) Beschwerde statt. Ferner ist gegen die Entscheidung über die Beschwerde unter den Voraussetzungen des § 66 Abs. 4 GKG die weitere Beschwerde zulässig, ohne dass es darauf ankommt, ob sich die Erinnerung oder die Beschwerde gegen den Ansatz von Vollstreckungskosten oder gegen den Ansatz von anderen Kosten richtet. Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts - Vollstreckungsgericht - über eine Erinnerung gegen die Anordnung des Gerichtsvollziehers, die Durchführung des Auftrags von der Zahlung eines Vorschusses abhängig zu machen, ist daher weder nach § 567 Abs. 1 Nr. 1, § 793 ZPO die sofortige Beschwerde zum Landgericht (§ 72 GVG) statthaft, noch kann das Landgericht gegen seine Beschwerdeentscheidung nach § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1 ZPO die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (§ 133 GVG) zulassen (vgl. , aaO S. 188, juris Rn. 12).

9b) Die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Landgericht bindet den Bundesgerichtshof nicht. Die Bindungswirkung des § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO tritt nur hinsichtlich des Vorliegens eines Zulassungsgrundes nach § 574 Abs. 2 ZPO ein, eröffnet aber nicht ein gesetzlich nicht vorgesehenes Rechtsmittel (vgl. , aaO S. 188, juris Rn. 15; Beschluss vom - VII ZB 58/12, NJW-RR 2013, 1081 Rn. 8).

102. Gegen die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts ist nach § 5 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 GvKostG i.V.m. § 66 Abs. 4 GKG die weitere Beschwerde zum Oberlandesgericht zulässig, weil das Landgericht sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat.

113. Die Rechtsbeschwerde ist mit Rücksicht darauf, dass gegen die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts nicht die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof, sondern nur die weitere Beschwerde zum Oberlandesgericht Stuttgart statthaft ist, nicht als unzulässig zu verwerfen, sondern in eine weitere Beschwerde umzudeuten. Bei Rechtsmittelerklärungen ist eine Umdeutung unter der Voraussetzung zulässig, dass es sich um vergleichbare Prozesserklärungen handelt, die sich in ihrer Intention und rechtlichen Wirkung entsprechen (vgl. , aaO S. 189, juris Rn. 17; Beschluss vom - VII ZB 58/12, aaO Rn. 9). So verhält es sich hier. Die weitere Beschwerde zielt ebenso wie die Rechtsbeschwerde auf die Änderung einer Beschwerdeentscheidung des Landgerichts durch ein übergeordnetes Gericht; die weitere Beschwerde setzt zudem wie die Rechtsbeschwerde voraus, dass das Landgericht die Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Die Sache ist danach zur Entscheidung über die weitere Beschwerde an das Oberlandesgericht Stuttgart abzugeben, dem auch die Entscheidung darüber obliegt, ob die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Vollstreckungsgericht - G. vom unbeschadet des Umstands zulässig ist, dass die Anforderung der Obergerichtsvollzieherin M. einen Kostenvorschuss zum Gegenstand hat, der 200 € nicht übersteigt (vgl. die Verweisung gemäß § 5 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 GvKostG auf § 66 Abs. 2 GKG sowie Schröder-Kay/Gerlach, Das Kostenwesen der Gerichtsvollzieher, 13. Aufl., § 4 GvKostG Rn. 64, der bei derartigen Anforderungen eines Vorschusses seitens eines Gerichtsvollziehers von einer Wertgrenze für die Beschwerde entsprechend § 67 GKG absehen will).

124. Wegen der im Rechtsbeschwerdeverfahren angefallenen Gerichtskosten macht der Senat von der Möglichkeit des § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG Gebrauch.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:100118BVIIZB65.17.0

Fundstelle(n):
NJW 2018 S. 10 Nr. 8
NJW 2018 S. 1606 Nr. 22
ZAAAG-71418