Die Zeiten ändern sich
Bundesfinanzhof stärkt Position der Steuerpflichtigen
Nicht selten erweist sich die Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen in der Praxis als zeitraubend und mühsam. Insbesondere wenn der zu beurteilende Sachverhalt bereits lange zurück liegt, ist dessen Aufklärung nicht nur mit einem hohen Aufwand verbunden, sondern es besteht auch das Risiko kostspieliger Einspruchs- und Gerichtsverfahren mit ungewissem Ausgang. Um langwierigen Auseinandersetzungen mit der Finanzverwaltung vorzubeugen, wird in der steuerlichen Beratungspraxis daher zunehmend auf die sog. tatsächliche Verständigung zurückgegriffen. Ziel dieses von der Rechtsprechung entwickelten Instituts ist die zwischen der Finanzbehörde und dem Steuerpflichtigen einvernehmliche Festlegung eines Sachverhalts, dessen Klärung schwierig, aber zur Festsetzung der Steuer notwendig ist. Die „tatsächliche Verständigung“ meint somit nicht, dass es „tatsächlich“ gelungen ist, sich zu verständigen, sondern, dass eine Verständigung über „Tatsächliches“, also über die tatsächlichen, der Steuer zugrunde zu legenden Merkmale erzielt wurde. Was aber, wenn sich nach dem Abschluss der tatsächlichen Vereinbarung herausstellt, dass sie sich verfahrensrechtlich gar nicht mehr umsetzen lässt? Zum Beispiel, weil der betreffende Steuerbescheid nicht mehr änderbar ist. Und wer trägt hierfür das Risiko: die Finanzbehörde oder der Steuerpflichtige? Für einen solchen Fall einer Fehleinschätzung hat der die Position der Steuerpflichtigen gestärkt. Welche praktischen Auswirkungen das neue Urteil hat, stellt Billau auf dar.
Als unklar lassen sich die Verhältnisse auch bei der Abgrenzung von Lieferungen, die dem reduzierten Umsatzsteuersatz unterliegen, von denen, die dem vollen Steuersatz unterfallen, beschreiben. Der Katalog der begünstigten Gegenstände geht im Wesentlichen zurück auf das Jahr 1968 (für einen historischen Überblick s. Sikorski, NWB 1-2/2018 S. 1). Sinn und Zweck dieser im Zuge des Übergangs zum Allphasen-Netto-Mehrwertsteuersystem eingeführten Regelung war nach dem damaligen Gesetzentwurf der Bundesregierung, „bestimmte Güter des lebensnotwendigen Bedarfs“ aus sozialpolitischen Gründen zu verbilligen. Doch wie verhält es sich heute tatsächlich mit der Einordnung dieser so genannten alltäglichen Lebensmittel? Bereits vor über zehn Jahren hat das Bundesfinanzministerium hierzu in seinem Bericht über die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes (vom ) festgestellt, dass „nicht alle Gründe, die vor rund vierzig Jahren für einzelne Vergünstigungen ausschlaggebend waren, bis heute Bestand“ haben. Es sei „einzuräumen, dass die Begründungen für das Gewähren oder Versagen des ermäßigten Umsatzsteuersatzes nicht immer leicht nachvollziehbar sind.“ Dass diese Aussage leider auch für die Abgrenzung zwischen Speisenlieferungen und Restaurationsleistungen gilt, veranschaulicht Becker .
Beste Grüße
Claudia Kehrein
Fundstelle(n):
NWB 2018 Seite 225
NWB AAAAG-70933