BFH Beschluss v. - VII B 8/02

Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) kaufte in den USA eine größere Menge Steinkohle, die in einer Kokerei zu abgabenbegünstigten Versuchszwecken verwendet werden sollte. Ein Teil dieser Kohle wurde im externen gemeinschaftlichen Versandverfahren in einem Schubverband von sechs Schubleichtern von den Niederlanden aus nach A befördert und im Werkshafen…entladen. Der Kapitän übergab den Beauftragten der Klägerin jedoch nur die Versandscheine für fünf Schubleichter. Erst im Suchverfahren wurde festgestellt, dass der Versandschein für die in dem ebenfalls zu dem Schubverband gehörenden Schubleichter…beförderte Kohle fehlte, die am Bestimmungsort auch keiner Zollbehandlung zugeführt worden war. Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Hauptzollamt —HZA—) nahm die Klägerin deshalb mit Steuerbescheid für die nach Art. 203 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex —ZK—) des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— Nr. L 302/1) entstandenen Einfuhrabgaben in Anspruch. Den Antrag der Klägerin auf Erstattung des Zolls nach Art. 239 ZK lehnte das HZA mit Bescheid vom…ab. Der dagegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos.

Die Klage hatte dagegen Erfolg; das Finanzgericht (FG) verpflichtete das HZA, der Klägerin den Zoll nach Art. 239 Abs. 1 Anstrich 2 ZK zu erstatten. Es führte im Einzelnen aus, dass die Klägerin den Erstattungsanspruch habe. Ihr sei keine, den Erstattungsanspruch ausschließende offensichtliche Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Außerdem sei die Zollschuldentstehung außergewöhnlich, weil die gesamte von der Klägerin eingeführte Kohle durch die Bewilligung einer abgabenbegünstigten Verwendung für diese Ware zollfrei bleiben sollte und im Streitfall die hier eingeführte Kohle auch mit Sicherheit in der bewilligten Weise verwendet worden sei. Damit sei kein Umstand eingetreten, für den die Zollerhebung zum Schutz der Gemeinschaftswirtschaft erforderlich sein könnte.

II. Die Beschwerde, mit der das HZA die Zulassung der Revision begehrt, ist als unzulässig zu verwerfen, weil es keinen der in § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ausreichend dargelegt hat (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

a) Das HZA hat ausdrücklich nur den Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) eines Verstoßes gegen die Sachaufklärungspflicht des FG (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) gerügt. Diesen meint es in der behaupteten und unterstellten, jedoch nicht nachgewiesenen zweckgerechten Verwendung der Kohle zu erkennen. Aus diesem Vortrag ergibt sich aber nicht der behauptete Verfahrensfehler, sondern der materielle Fehler, dass die Entscheidung des FG nicht auf ausreichenden Feststellungen beruht (vgl. Bundesfinanzhof —BFH—, Beschluss vom VII B 92/00, BFH/NV 2001, 605). Dies ist ein Begründungsmangel, der als Verfahrensfehler nur dann zur Zulassung der Revision führen könnte, wenn die Voraussetzungen des § 119 Nr. 6 FGO (fehlende Gründe der Entscheidung) erfüllt wären. Das ist aber nicht schon dann der Fall, wenn das Urteil nur lückenhaft begründet ist oder einzelne Tatbestandsmerkmale, die das FG —wie im Streitfall die zweckbegünstigte Verwendung— als gegeben erachtet, nicht durch ausreichende tatsächliche Feststellungen getragen werden (vgl. z.B. , BFHE 174, 391, BStBl II 1994, 707).

b) In seinen übrigen Beschwerdeausführungen nennt das HZA keinen weiteren Zulassungsgrund, sondern macht in Form einer Revisionsbegründung geltend, dass ein Erstattungsanspruch der Klägerin nach Art. 239 Abs. 1 Anstrich 2 ZK nicht in Betracht komme.

Soweit dem Vortrag des HZA, hinsichtlich der Wertung der offensichtlichen Fahrlässigkeit seitens des FG liege ein Verstoß gegen die übergeordnete Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vor, zu entnehmen sein sollte, das HZA wolle eine Abweichung der angefochtenen Entscheidung von der Rechtsprechung des EuGH rügen und damit den in § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO genannten Zulassungsgrund geltend machen, wäre ein solcher ebenfalls nicht hinreichend dargelegt. Denn dazu wäre es erforderlich gewesen, einen abstrakten Rechtssatz aus einer einschlägigen Entscheidung des EuGH einem solchen aus der angefochtenen Entscheidung so gegenüberzustellen, dass die Abweichung im Hinblick auf diese Rechtssätze deutlich wird. Das ist aber nicht damit getan, dass das HZA eine von dem EuGH abweichende Wertung einzelner Tatsachen in Bezug auf das Tatbestandsmerkmal der offensichtlichen Fahrlässigkeit vorträgt.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 1323 Nr. 10
DAAAA-68744