Gründe
I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) pfändete mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung einen Erstattungsanspruch in Amtshilfe für die Industrie- und Handelskammer wegen rückständiger Beiträge der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin). Die Klägerin hielt die Pfändungsverfügung für rechtswidrig. Nach Ergehen einer abweisenden Einspruchsentscheidung beantragte die Klägerin bei dem Finanzgericht (FG), die Verfügung in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben. Das FA, das den gepfändeten Betrag vor Klageerhebung an die Industrie- und Handelskammer überwiesen hatte, hielt die Klage für unzulässig, weil die Pfändungsverfügung durch Auszahlung der gepfändeten Forderung vor Klageerhebung erledigt gewesen sei. Das FG hat die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnis als unzulässig abgewiesen.
Am letzten Tag der Rechtsmittelfrist legte der Prozessvertreter der Klägerin die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) ein, in der zwar das —nicht beigefügte— Urteil des FG, gegen das sich die Beschwerde richtet, nicht aber das beklagte FA ordnungsgemäß bezeichnet war. Die ebenfalls am letzten Tag der Begründungsfrist mittels Telefax übermittelte Begründungsschrift des Prozessvertreters trägt lediglich am Ende des Schriftsatzes den maschinenschriftlichen Vermerk ”gez. Stempel ...,…Rechtsanwalt”. Eine form- und inhaltsgleiche, vom Prozessvertreter eigenhändig unterzeichnete Beschwerdebegründungsschrift ist am nächsten Tage beim BFH eingegangen. Von der Geschäftsstelle des erkennenden Senats auf den verspäteten Eingang einer ordnungsgemäß unterschriebenen Beschwerdebegründung hingewiesen, stellte der Prozessvertreter innerhalb der Frist des § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vorsorglich den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, den er damit begründete, dass die Begründungsschrift im Original und mit einer Abschrift, insgesamt 4 Seiten, per Telefax an den BFH gesandt worden sei. Offenbar sei beim Telefaxgerät des Prozessbevollmächtigten die zweite (unterschriebene) Seite des Originalschriftsatzes gleichzeitig mit der ersten Seite des Originalschriftsatzes eingezogen worden. Aufgrund des Sendeprotokolls sei der Klägervertreter davon ausgegangen, dass das vollständige Original gefaxt worden sei.
Grundsätzlich sei er jedoch der Auffassung, dass die Revisionsbegründungsfrist durch die Übermittlung des Begründungsschriftsatzes auch ohne eigenhändige Unterschrift gewahrt worden sei. Aus der zweiten Seite der Abschrift, die mit dem Namensstempel des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ”gez. ...” gesendet worden sei, sei eindeutig zu ersehen, dass es sich nicht nur um einen Entwurf (dieser wäre gar nicht unterzeichnet gewesen), sondern um das Endprodukt, aus dem die Urheberschaft und Verantwortlichkeit des Prozessbevollmächtigten eindeutig hervorgehe, gehandelt habe. Insoweit sei auch den Anforderungen, die der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmS-OGB) im GmS-OGB 1/98 (Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 2000, 2340) aufgestellt habe, genügt, der sogar die eingescannte Unterschrift auf einem per Computerfax übermittelten Schriftsatz ausreichen lasse.
Mit der Beschwerde wird die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage geltend gemacht, ob der Schuldner aus dem Steuerschuldverhältnis nach Zahlung der zu vollstreckenden Forderung im Hinblick auf die mit einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss verbundenen Kosten und dem Makel einer solchen Maßnahme ein rechtliches Interesse daran hat, dass dieser von Anfang an aufgehoben wird.
II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist eine der Formvorschrift des § 116 Abs. 3 Sätze 2 und 3 FGO genügende Begründungsschrift beim BFH nicht eingegangen ist. Sie ist auch deshalb unzulässig, weil die Klägerin keinen der Gründe, die nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO die Zulassung der Revision rechtfertigen würden, entsprechend den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt hat.
1. Der Senat hält die Beschwerde nicht schon deshalb für unzulässig, weil in dem Beschwerdeschriftsatz das beklagte FA unrichtig bezeichnet worden ist. § 116 Abs. 2 Satz 2 FGO verlangt lediglich die genaue und richtige Bezeichnung des angefochtenen Urteils des FG, gegen das sich die Beschwerde richtet. Aus diesem Urteil lässt sich die beklagte Behörde als Beschwerdegegner leicht und einwandfrei bestimmen (vgl. zu den Anforderungen der Beklagtenbezeichnung bei Klageerhebung , BFH/NV 1995, 279). Das gilt auch dann, wenn der Beschwerdeschrift die Urteilsausfertigung oder eine Abschrift des Urteils wie im Streitfall nicht beigefügt worden ist; denn insoweit handelt es sich lediglich um eine Sollvorschrift (§ 116 Abs. 2 Satz 3 FGO), deren Nichtbeachtung die Zulässigkeit der Beschwerde nicht berührt (vgl. Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 116 FGO Rz. 120).
2. a) Die Klägerin hat jedoch die Frist zur Begründung der Beschwerde versäumt. Gemäß § 116 Abs. 3 Satz 1 und Satz 4 FGO ist die Beschwerde innerhalb von 2 Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils des FG zu begründen, sofern diese Frist nicht um einen weiteren Monat verlängert worden ist. Nach dem Wortlaut des § 116 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Satz 3 FGO (”Beschwerdeschrift”) ist die Beschwerde schriftlich beim BFH zu erheben. Da es sich um einen prozessleitenden Schriftsatz handelt, geschieht dies nach ständiger Rechtsprechung des BFH durch Übermittlung eines handschriftlich unterzeichneten Schriftsatzes (vgl. , BFH/NV 2002, 669). In Anknüpfung an § 126 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches hat die Rechtsprechung bisher stets eine bestimmten Formerfordernissen entsprechende eigenhändige Unterschrift verlangt (vgl. , BFHE 188, 528, BStBl II 1999, 565, 566, mit umfangreichen Nachweisen; s. auch Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 64 Rz. 5; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 64 FGO Rz. 2, und Hellwig in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, a.a.O., § 64 FGO Rz. 4, m.w.N.). Die eigenhändige Unterschrift muss vor Ablauf der Frist vorliegen; erst die Unterschrift macht den prozessbestimmenden Schriftsatz zur wirksamen Prozesshandlung. Wie die Beschwerde selbst ist auch die Begründung bei dem BFH einzureichen (§ 116 Abs. 3 Satz 2 FGO). In der Begründung müssen die Zulassungsgründe ebenfalls schriftlich dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Damit gilt für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde das Gleiche wie für die Begründung der Revision (vgl. § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO). Zu einer wirksamen Revisionsbegründung gehört aber wegen des bestehenden Vertretungszwanges vor dem BFH die Unterzeichnung der Begründungsschrift durch eine beim BFH postulationsfähige Person (BFH in ständiger Rechtsprechung, vgl. Beschluss vom I R 30/00, BFH/NV 2001, 1285, m.w.N.).
b) Der Senat hält auch nach der Entscheidung des GmS-OGB in NJW 2000, 2340 an dem Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift des Originalschriftsatzes für den Fall fest, dass die prozessbestimmende Schrift wie im Streitfall mittels Telefax oder mit der Post übermittelt wird. Es ist ein Gebot der Rechtssicherheit, soweit wie möglich jeden Zweifel darüber auszuschließen, ob eine für den Gang des Verfahrens wesentliche Prozesserklärung von der nach dem Gesetz befugten Person auch tatsächlich abgegeben worden ist und der Erklärende dafür die Verantwortung trägt (, Versicherungsrecht 1984, 1068, und BFH-Entscheidung vom V R 128/83, BFH/NV 1986, 737).
Zwar ist nach dem Beschluss des GmS-OGB in NJW 2000, 2340 dem gesetzlichen Schriftformerfordernis des § 116 Abs. 3 Sätze 1 und 3 FGO Genüge getan, wenn der Beschwerdeschriftsatz durch Computerfax —ohne eigenhändige Unterschrift aber mit eingescannter Unterschrift oder mit dem Hinweis, dass dieses Fax durch elektronische Medien übermittelt wird und deshalb keine Unterschrift trägt (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 108/97, BFH/NV 1998, 604, 605; BFH-Beschlüsse vom III B 41/00, BFH/NV 2001, 321, und vom I S 6/00, BFH/NV 2001, 479)— bei Gericht eingeht. Diese Rechtsprechung, die bereits seit langem für die Übermittlung prozessbestimmender Schriftsätze durch ein Telegramm oder mittels Fernschreiber entwickelt wurde (vgl. die Nachweise im Beschluss des GmS-OGB, NJW 2000, 2340), gilt nunmehr auch für die Formen der elektronischen Übertragung einer Textdatei, bei denen es aus technischen Gründen an dem Vorhandensein eines körperlichen Originalschriftstückes fehlt, das eigenhändig unterzeichnet werden könnte. Sie beruht auf dem Bestreben, den Prozessbeteiligten bei der Abgabe von Prozesserklärungen gegenüber dem Gericht die Nutzung der modernen Kommunikationsmittel zu ermöglichen (vgl. Zöller/Greger, Zivilprozessordnung, 22. Aufl., § 130 Rz. 11; Brandt, Elektronisch übermittelte Schriftsätze im FG-Verfahren, Der AO-Steuer-Berater —AO-StB— 2001, 197). Auch wenn der Beschluss des GmS-OGB (NJW 2000, 2340) ausführt, dass der alleinige Zweck der Schriftform, die Rechtssicherheit und insbesondere die Verlässlichkeit der Eingabe zu gewährleisten, im Falle der elektronischen Übermittlung dadurch gewahrt sei, dass die Person des Erklärenden hinreichend durch die eingescannte Unterschrift oder den Hinweis, dass der benannte Urheber wegen der gewählten Übertragungsform nicht unterzeichnen kann, bestimmt sei, so ist mit diesen geringen Anforderungen in besonderen Fällen das Schriftformerfordernis entgegen der Befürchtung des (NJW 1998, 3649) nicht auch für die Fälle aufgegeben worden, in denen der Erklärende eine Übermittlung seiner Erklärung wählt, bei der die Beifügung der eigenhändigen Unterschrift nicht technisch unmöglich ist (Übermittlung durch Briefpost), oder bei der, wie bei dem Telefax, eine Telekopie des Schriftstückes mit dem Schriftbild der Unterschrift übermittelt werden kann.
Nach ständiger Rechtsprechung muss es sich bei der Kopiervorlage um den eigenhändig unterschriebenen Originalschriftsatz handeln (vgl. , NJW 1994, 2097, sowie BFH-Entscheidungen vom V R 137/93, BFH/NV 1995, 312, und vom VIII B 13/00, BFH/NV 2000, 1358). Es besteht kein Grund, von diesem ohne Schwierigkeiten zu erfüllenden Formerfordernis für die Übermittlung durch die Post oder durch Telefax abzugehen; denn die eigenhändige Unterschrift unter dem Original bietet insbesondere bei Prozessen mit Vertretungszwang die zuverlässigste Gewähr dafür, dass der Urheber des Schriftsatzes als eine vor dem BFH postulationsfähige Person eindeutig erkennbar wird und dass das Schriftstück mit dessen Wissen und Wollen in den Verkehr gelangt ist (vgl. , nicht veröffentlicht, und Zwischenurteil des BFH in BFH/NV 1986, 737). Eine Änderung dieser Rechtsprechung ist auch nicht durch das Gesetz über Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen und zur Änderung weiterer Vorschriften (Signaturgesetz —SigG—) vom (BGBl I 2001, 876) und durch das Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom (BGBl I 2001, 1542) veranlasst. Auf dieser Grundlage ist nämlich in der Neufassung des § 130 Nr. 6 der Zivilprozessordnung (ZPO) ausdrücklich vorgesehen, dass bei der Übersendung von Schriftsätzen durch einen Telefaxdienst die Wiedergabe der Unterschrift in der Kopie ausreicht und es (nur) bei Einreichen vorbereitender Schriftsätze in elektronischer Form nach § 77a Abs. 1 FGO, § 130a Abs. 1 Satz 2 ZPO genügt, wenn die verantwortende Person das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem SigG versehen hat. Letztere Regelung, die nur die Form betrifft, in der das Dokument das Gericht erreichen muss, um fristwahrend zu wirken (vgl. § 130a Abs. 3 ZPO, § 77a Abs. 3 FGO), berührt die Anforderungen, die an das Original zu stellen sind, nicht. Vielmehr hat der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 130 Nr. 6 ZPO die Regelung, wonach ein vorbereitender Schriftsatz die Unterschrift der Person, die den Schriftsatz zu verantworten hat und bei Übermittlung durch einen Telefaxdienst (Telekopie) die Wiedergabe der Unterschrift in Kopie enthalten muss, ausdrücklich bestätigt.
Die vom Prozessvertreter der Klägerin am letzten Tag der Beschwerdebegründungsfrist, die am abgelaufen ist, übermittelte Telekopie einer Abschrift des Originalschriftsatzes, die nur mit dem Zusatz ”gez.…Rechtsanwalt” versehen war, genügt den an die Telekopie zu stellenden Anforderungen nicht. Ein mit der eigenhändigen Unterschrift des Prozessvertreters versehener Schriftsatz ist beim BFH erst am , mithin verspätet, eingegangen.
3. Der Senat lässt offen, ob der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand allein deshalb zu gewähren wäre, weil durch die erleichterten Anforderungen für die Übermittlung prozessbestimmender Schriftsätze im elektronischen Datenverkehr eine Ungleichbehandlung gegenüber der Übermittlung von Schriftsätzen auf konventionellem Wege durch die Briefpost oder durch Telekopie entstanden ist, die sich heute nicht mehr rechtfertigen lässt (vgl. BGH in NJW 1998, 3649; Zöller/Greger, a.a.O., § 130 Rz. 11; Gräber/von Groll, a.a.O., § 64 Rz. 7, und Brandt in AO-StB 2001, 197) oder weil dem Prozessvertreter —worauf dessen Einlassungen zur Wiedereinsetzung hindeuten— auch bei der Übermittlung des Telefaxes durch ihn selbst, angesichts einer —durch die verschiedenen, in kurzer Zeit aufeinander folgenden Gesetzesänderungen und die Erleichterung der elektronischen Datenübermittlung— eingetretenen vorübergehenden Rechtsunsicherheit, ein Verschulden nicht anzulasten wäre, wenn er eine Telekopie von einem nicht unterschriebenen Schriftsatz zieht, weil er zwar rechtsirrig, aber entschuldbar davon ausgegangen ist, dass das Schriftformerfordernis insgesamt gelockert worden sei.
4. Denn die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ist schon deshalb unzulässig, weil die Klägerin den geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) nicht entsprechend den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt hat. Die in § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO geforderte Darlegung der Zulassungsvoraussetzungen macht es notwendig, dass der Beschwerdeführer konkret auf die Rechtsfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingeht (vgl. , BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837). Die Beschwerdebegründung enthält keinerlei Äußerung dazu, aus welchen Gründen die von der Klägerin für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Rechtsfrage aus Gründen des allgemeinen Interesses einer Klärung durch eine höchstrichterliche Entscheidung bedarf, geschweige denn einer Auseinandersetzung mit der zu dieser Frage bereits ergangenen Rechtsprechung des BFH.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 1597 Nr. 12
PAAAA-68727