Finanzministerium des Landes Schleswig-Holstein - akt. Kurzinfo ESt 38/2008 VI 308 - S 2134a - 014

Einkommensteuerliche Behandlung des Kaufs kassenärztlicher Zulassungen;
Vertragsarztzulassung als immaterielles Wirtschaftsgut

Bezug: BStBl 2017 II S. 875BStBl 2017 II S. 689,694

Kassenzulassung als wertbildender Faktor

Mit dem o. g. hat der BFH entschieden, dass der Vorteil aus der Zulassung als Vertragsarzt grundsätzlich kein neben dem Praxiswert stehendes Wirtschaftsgut darstellt. Erwirbt daher ein Praxisnachfolger eine bestehende Arztpraxis, einen Teilbetrieb oder einen Mitunternehmeranteil mit Vertragsarztsitz und zahlt er unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Interesses des ausscheidenden Vertragsarztes oder dessen Erben einen Kaufpreis, der den Verkehrswert der Praxis nicht übersteigt, ist der Kassenzulassung kein gesonderter Wert beizumessen und diese somit einheitlich mit dem Praxiswert abzuschreiben.

Kassenzulassung als eigenständig bewertbares, nicht abschreibungsfähiges Wirtschaftsgut

Allerdings hat der BFH in seinem Urteil ausgeführt, dass dieser grundsätzlich in den Praxiswert eingeflossene wertbildende Faktor sich dann zu einem eigenständigen Wirtschaftsgut konkretisieren kann, wenn er zum Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs – z. B. im Kaufvertrag – gemacht wird. Von einem eigenständigen Wirtschaftsgut ist nur in besonders gelagerten Fällen auszugehen. Erwirbt etwa ein Praxisnachfolger im Rahmen der Nachbesetzung eine Praxis, ohne sie (Praxisräume, Patientenstamm, Nebenbetriebsstätten) zu übernehmen und fortzuführen und ergeben sich aufgrund vorliegender Vereinbarungen oder Verträge Anhaltspunkte dafür, dass der Erwerb der Kassenzulassung im Vordergrund steht, z. B. um den Vertragsarztsitz zu verlegen oder die Aufnahme des Erwerbers als weiteren Gesellschafter in eine bestehende freiberufliche Personengesellschaft zu ermöglichen, dann kommt der Anschaffung der Vertragsarztzulassung eine nicht unerhebliche eigene wirtschaftliche Bedeutung zu (vgl. Rz 25 des o. a. Urteils). In diesen Fällen ist von der Entstehung eines selbständigen immateriellen Wirtschaftsgutes auszugehen, so dass die entsprechenden Anschaffungskosten der Kassenzulassung zuzuordnen sind.

Zu dieser Konstellation ist unter dem Az. 6 K 4538/07 beim FG Köln ein Klageverfahren anhängig. In dem streitbefangenen Sachverhalt geht es um den Erwerb einer Einzelpraxis, bei der bereits vor Abschluss des Kaufvertrages die Absicht dokumentiert wurde, dass der im Zusammenhang mit der Praxis erworbene Vertragsarztsitz auf einen Mitgesellschafter der erwerbenden Gemeinschaftspraxis übergehen sollte.

Absetzungen für Abnutzung oder Teilwertabschreibung

Da die Vertragsarztzulassung generell zeitlich unbegrenzt erteilt wird, kommen Absetzungen für Abnutzung nach § 7 Abs. 1 EStG nicht in Betracht. Unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG kann eine Teilwertabschreibung vorgenommen werden, wenn der Vertragsarzt seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG durch Bestandsvergleich ermittelt. Eine Teilwertabschreibung nach Einführung der Bedarfszulassung zum im Rahmen der Reform der gesetzlichen Krankenversicherungen ab 2000 (GKV – GR 2000 vom , BGBl 1999 I S. 2626) kommt allerdings nicht in Betracht. Denn eine Verwertungsmöglichkeit der Zulassung besteht auch über den hinaus, da nach § 103 Abs. 4 SGB V die Ausschreibung für gesperrte Planbereiche weiterhin möglich ist. Durch die Einführung der Bedarfszulassung ändert sich an der Verwertungsmöglichkeit der Zulassung nichts.

Entscheidungen des

Der BFH hat bestätigt, dass zwischen dem Erwerb des Betriebs einer Vertragsarztpraxis als Sachgesamtheit mit allen materiellen Wirtschaftsgütern und einem Praxiswert (= Chancenpaket inklusive eines im Praxiswert untrennbar enthaltenen Vorteils aus der Zulassung als Vertragsarzt) einerseits und dem Sonderfall des Erwerbs nur des immateriellen Wirtschaftsguts des mit einer Vertragsarztzulassung verbunden wirtschaftlichen Vorteils andererseits zu unterscheiden sei.

Der Erwerb einer Praxis als Chancenpaket könne auch vorliegen, wenn der Erwerber nicht beabsichtige, die ärztliche Tätigkeit in den bisherigen Räumen des Einzelpraxisinhabers fortzusetzen. Folgende Indizien sprechen nach der Auffassung des BFH demgegenüber für den Erwerb allein des wirtschaftlichen Vorteils einer Vertragsarztzulassung:

  • Die fehlende Übernahme der Patientenkartei.

  • Die fehlende Übernahme von Wirtschaftsgütern des Anlage- und Umlaufvermögens.

  • Die fehlende Übernahme bestehender Praxisverträge.

  • Die räumliche Entfernung zwischen der veräußerten und der vom Erwerber fortgeführten Praxis.

Der BFH führt weiter aus, dass der Annahme eines entgeltlichen Erwerbs nicht entgegen stehe, dass die Vertragsarztzulassung als öffentlich-rechtliche Berechtigung nicht übertragbar sei, sondern der „Erwerber” nur im Rahmen eines vom „Veräußerer” zu beantragenden Nachbesetzungsverfahrens gem. § 103 SGB V durch den Zulassungsausschuss – ohne dass hierfür an diesen ein Kaufpreis zu zahlen wäre – erteilt werden könne. Da der bisherige Zulassungsinhaber das Nachbesetzungsverfahren in Gang setzen müsse und er zugunsten seines Vertragspartners Einfluss auf das Verfahren nehmen könne, diene die Zahlung des auf privatrechtlicher Ebene vereinbarten Kaufpreises, der Anschaffung der mit der Vertragsarztzulassung verbundenen Vorteile, die der „Erwerber” nutzen wolle.

Das selbstständige immaterielle Wirtschaftsgut „Vertragsarztzulassung” unterliege auch keiner Abnutzung, da seine Nutzung weder unter rechtlichen noch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zeitlich begrenzt sei. Der Umstand, dass der Inhaber ein zeitlich unbeschränkt erteiltes Recht persönlich nicht unbefristet nutzen könne, begründe nicht eine Abnutzbarkeit.

Die Bearbeitung von Rechtsbehelfen, die bisher auf die o. g. Revisionsverfahren gestützt wurden und dadurch gem. § 363 Abs. 2 Satz 2 AO kraft Gesetzes ruhten, kann wieder aufgenommen werden.

Hinweis

Durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG) vom (BGBl 2007 I S. 378) sind die Zulassungsbeschränkungen für Zahnärzte mit Wirkung zum weggefallen (§ 103 Abs. 8 SGB V). In diesen Fällen ist bei Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG eine Teilwertabschreibung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG zulässig, da ab dem mit der kassenärztlichen Zulassung kein verwertbarer wirtschaftlicher Vorteil mehr verbunden ist.

Finanzministerium des Landes Schleswig-Holstein v. - akt. Kurzinfo ESt 38/2008VI 308 - S 2134a - 014

Fundstelle(n):
BAAAG-68021