BFH Beschluss v. - V B 115/01

Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erbrachte in den Streitjahren 1991 bis 1993 Beratungsleistungen für Unternehmer in den neuen Bundesländern. Er gab keine Umsatzsteuer-Voranmeldungen und keine Jahresumsatzsteuererklärungen ab. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) setzte die Umsatzsteuer für die Streitjahre in den angefochtenen Umsatzsteuerbescheiden für 1991 bis 1993 aufgrund von geschätzten Besteuerungsgrundlagen fest. Dafür wertete das FA Feststellungen der Steuerfahndung des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen B (Steuerfahndung) aus, nach denen der Kläger Entgelte für Beratungsleistungen von mindestens 208 000 DM (für 1991), 115 000 DM (für 1992) und von 66 000 DM (für 1993) erhalten hatte. Von den auf diese Weise ermittelten Steuerbeträgen setzte das FA —ebenfalls geschätzte— Vorsteuerbeträge ab.

Den dagegen gerichteten Einspruch wies das FA als unbegründet zurück, u.a. weil der Kläger auch im Einspruchsverfahren keine Steueranmeldungen abgegeben hatte. Im Einspruchsverfahren hatte der Kläger u.a. vorgebracht, es sei gewollt gewesen, dass ”alle Umsätze über diese Firmen” (gemeint waren die Firmen, unter deren Namen —als angeblich leistende Unternehmen— die Beratung abgerechnet wurde) ”zu verbuchen” seien.

Während des Klageverfahrens wies der Bundesfinanzhof (BFH) die von dem Kläger gegen die Ablehnung seines Antrags auf Prozesskostenhilfe (PKH) gerichtete Beschwerde durch Beschluss vom V B 37/00 (BFH/NV 2000, 1484) zurück, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung bei summarischer Prüfung keine Aussicht auf Erfolg habe. In der Begründung wies der Senat darauf hin, dass der Kläger bei der Aufklärung des umsatzsteuerrechtlich erheblichen Sachverhalts nur unzureichend mitgewirkt habe. Insbesondere habe er noch keine Umsatzsteueranmeldungen abgegeben.

Zur mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) am erschien der Kläger nicht, weil er das FG für örtlich unzuständig hielt. Sein Prozessbevollmächtigter hatte dem FG mitgeteilt, dass der Kläger nicht wünsche, dass er, der Prozessbevollmächtigte, an der mündlichen Verhandlung teilnehme.

Das FG wies die Klage gegen die Umsatzsteuerfestsetzungen für 1991 bis 1993 ab, weil diese im Ergebnis nicht zu beanstanden seien. Der Kläger habe während des Verfahrens vor dem FG in der Einkommensteuersache selbst eingeräumt, dass er als Unternehmer Beratungsumsätze ausgeführt habe. Für die Beurteilung der Höhe der dabei erzielten Entgelte habe er nur unzureichend mitgewirkt. Er habe aus der Übersicht für die Gewinnermittlung zwar Umsatzerlöse und Vorsteuerbeträge abgeleitet, aber gleichzeitig erklärt, die Gewinnermittlung sei unvollständig.

Mit der Beschwerde gegen das begehrt der Kläger die Zulassung der Revision, weil Verfahrensmängel vorlägen.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Kläger hat keine zur Zulassung der Revision verpflichtenden Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der FinanzgerichtsordnungFGO—) dargelegt.

1. Verletzung des rechtlichen Gehörs

a) Das FG hat nicht verfahrensfehlerhaft in Abwesenheit des Rechtsmittelführers aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers war ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung vor dem FG geladen worden. Es lagen auch keine Gründe vor, die einer Verhandlung in Abwesenheit des Klägers hätten entgegenstehen können. Daher erfordert eine schlüssige Rüge der Verletzung des Rechts auf Gehör (Art. 103 des GrundgesetzesGG—, § 96 Abs. 2 FGO) Ausführungen darüber, was bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen worden wäre und dass dieser Vortrag die Entscheidung des Gerichts hätte beeinflussen können (vgl. dazu , BFH/NV 2002, 122 = BStBl II 2001, 802).

b) Der Kläger hat auch nicht schlüssig dargelegt, dass das FG Tatsachen verwertet hat, zu denen er, der Kläger, nicht hätte Stellung nehmen können. Die Darlegung eines Verfahrensmangels erfordert, die Tatsachen schlüssig zu bezeichnen, die den gerügten Verfahrensmangel ergeben sollen. Dazu müssen die entsprechenden Prozessvorgänge genau umschrieben werden (vgl. , BFHE 173, 196, BStBl II 1994, 401, 402, m.w.N.). Schlüssig ist das Vorbringen, wenn die vorgetragenen Tatsachen —ihre Richtigkeit unterstellt— den behaupteten Verfahrensmangel ergeben (vgl. , BFHE 165, 569, BStBl II 1992, 252). Ferner ist grundsätzlich darzutun, weshalb das angefochtene Urteil i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO auf dem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl. , BFH/NV 2001, 624).

An diesen zur FGO a.F. aufgestellten Begründungsanforderungen hat § 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO n.F. (die im Streitfall anwendbare Fassung) insoweit nichts geändert (vgl. Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz. 220, 228 und 229, m.w.N.; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 116 FGO Tz. 58 und 59, m.w.N.).

c) Soweit der Kläger mit der Beschwerde geltend macht, er habe keine Gelegenheit gehabt, zu den Ausführungen der Steuerfahndung Stellung zu nehmen, sind seine Ausführungen nur allgemein gehalten und lassen nicht erkennen, zu welchen Ausführungen ihm das rechtliche Gehör abgeschnitten worden sein könnte und welcher Zusammenhang zu den im Streitfall erheblichen geschätzten Besteuerungsgrundlagen bestehen könnte. Sein Beschwerdevorbringen steht zudem im Widerspruch zu den eigenen Ausführungen im Schriftsatz vom (S. 4), in denen er einräumt, dass ihm die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Halle mit den Ermittlungsergebnissen des FA B als Steuerfahndungsbehörde bekannt sei.

2. Der Kläger kann die Revisionszulassung auch nicht mit der Rüge erreichen, ihm sei keine Akteneinsicht (§ 78 Abs. 1 FGO) gewährt worden. Ohne Darlegung, welche erheblichen, die angefochtenen Steuerfestsetzungen betreffenden, ihm bisher unbekannten Tatsachen er durch Akteneinsicht hätte erkunden wollen, hat er einen Verfahrensmangel nicht schlüssig gerügt.

3. Soweit der Kläger unzulängliche Sachverhaltsaufklärung durch das FG (§ 76 Abs. 3 FGO) rügt, hat er der Darlegung dieses angeblichen Verfahrensmangels nicht durch den Hinweis genügt, dass die in den angefochtenen Steuerfestsetzungen erfassten Beratungsumsätze bei der T-GmbH hätten besteuert werden müssen und dass die Klage insoweit zu Unrecht abgewiesen worden sei.

4. Das gilt auch für die Darlegung, das FG habe unzulässig angenommen, er, der Kläger, habe bei der Sachverhaltsaufklärung unzulänglich mitgewirkt (vgl. § 76 Abs. 1 Satz 2 und 3 FGO). Die dahin gehenden Ausführungen des Klägers sind unschlüssig, solange er noch keine Steuererklärungen abgegeben hat und er die bei der Gewinnermittlung in einem anderen Verfahren gemachten Angaben selbst als nicht vollständig bezeichnet hat.

5. Die Beschwerdebegründung (S. 11) enthält auch keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Verfahrensmangel wegen der unterlassenen Beiladung der Steuerfahndung (FA B) hätte vorliegen können. Gründe dafür, dass im Streitfall die Voraussetzungen für eine einfache oder notwendige Beiladung (§ 60 Abs. 1, 3 FGO) des mit Steuerfahndungsaufgaben beteiligten FA B hätten erfüllt werden können, sind weder dargelegt noch ersichtlich.

6. Das Vorbringen des Klägers, der BFH solle als Tatsachengericht eigene Ermittlungen anstellen (Beschwerdebegründung S. 6), rechtfertigt keine Zulassung der Revision. Dies gilt auch für die Angriffe gegen das Schätzungsergebnis des FG. Der Kläger wendet sich damit gegen die sachliche Richtigkeit der Entscheidung und nicht gegen eine fehlerhafte Anwendung von Verfahrensrecht.

7. Einer weiteren Begründung bedarf die Entscheidung nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO nicht.

Fundstelle(n):
EAAAA-68398