BFH Urteil v. - II R 1/00

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Mit notariellem Kaufvertrag vom erwarb die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, von ihrem Geschäftsführer und Gesellschafter R ein Grundstück mit im Bau befindlichen Gebäuden zum Kaufpreis von 4 112 983 DM. Die Klägerin übernahm von R sämtliche Rechte und Pflichten aus dem zuvor von R mit dem Bauunternehmer U geschlossenen Bauvertrag. Die Kaufvertragsparteien bestimmten als Zeitpunkt des Besitzübergangs den und erklärten die Auflassung. In der privatschriftlichen Vereinbarung vom vereinbarten sie, dass R sämtliche bis zum fälligen Teilzahlungen zu tragen habe.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) vertrat die Ansicht, die Klägerin habe das Grundstück mit fertiggestellten Gebäuden erworben, und setzte die Grunderwerbsteuer durch (Änderungs-)Bescheid vom nach einer Gegenleistung von 8 978 024 DM auf 179 560 DM fest. Dabei bezog das FA die gesamte Gegenleistung für die Gebäudeerrichtung in die Bemessungsgrundlage ein. Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, Grundstückskaufvertrag und Bauvertrag seien zu einem einheitlichen Vertrag miteinander verknüpft, weil sich die Klägerin im Kaufvertrag zum Eintritt in den Bauvertrag verpflichtet habe und der Kaufvertrag ohne Übernahme dieser Verpflichtung nicht zustande gekommen wäre (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2000, 642).

Mit der Revision macht die Klägerin geltend, beim Erwerb eines Grundstücks im Zustand der Bebauung sei die grunderwerbsteuerrechtliche Schlussfolgerung, Gegenstand des Erwerbsvorgangs sei das Grundstück mit fertiggestelltem Gebäude, nur zulässig, wenn neben dem Eintritt des Erwerbers in den Bauvertrag weitere Umstände hinzuträten, insbesondere ein gezieltes Zusammenwirken zwischen Grundstücksverkäufer und Bauunternehmer, das auf die Verschaffung eines bebauten Grundstücks gerichtet sei.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Grunderwerbsteuer nach einer Bemessungsgrundlage von 4 112 983 DM auf 82 259 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

1. Die Klägerin hat das Grundstück in dem Zustand erworben, in dem es die Vertragsparteien zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs gemacht haben. Dies war nicht der Zustand nach vollständiger Bebauung, sondern ein zeitlich davor liegender. Da das FG abweichend die Auffassung vertritt, Gegenstand des Erwerbsvorgangs sei das Grundstück mit dem von der Veräußererseite fertigzustellenden Gebäude, war die Vorentscheidung aufzuheben.

a) Verpflichtet sich der Erwerber eines unbebauten oder sich im Zustand der Bebauung befindlichen Grundstücks gegenüber dem Grundstücksverkäufer, an dessen Stelle in einen bestehenden Vertrag mit einem Dritten über die Errichtung bzw. Fertigstellung des Bauvorhabens einzutreten, ist grunderwerbsteuerrechtlich zur Bestimmung der Bemessungsgrundlage zu entscheiden, ob der Erwerber das Grundstück in unbebautem Zustand bzw. im Zustand der Bebauung erworben hat oder ob Gegenstand des Erwerbsvorgangs das Grundstück mit dem von der Veräußererseite fertigzustellenden Gebäude ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs —BFH— (Entscheidungen vom II B 71/93, BFHE 172, 534, BStBl II 1994, 48; vom II R 24/95, BFHE 183, 265, BStBl II 1997, 776; vom II R 76/96, BFH/NV 1999, 361), die der Senat zuletzt im Urteil vom II R 16/00 (BFHE 197, 308, Deutsches Steuerrecht —DStR— 2002, 495) bestätigt hat, kann aus der Übernahme des Bauvertrages nicht ohne Hinzutreten weiterer Umstände der Schluss gezogen werden, der Grundstücksverkäufer und der Dritte hätten in Abstimmung untereinander darauf hingewirkt, dem Erwerber ein Grundstück in fertig bebautem Zustand zu verschaffen. Um in diesen Fällen annehmen zu können, das bebaute Grundstück sei Erwerbsgegenstand, müssen nach dieser Rechtsprechung in objektiv sachlichem Zusammenhang stehende Vereinbarungen und ein zielgerichtetes Zusammenwirken des Veräußerers und des Bauunternehmers feststellbar sein, die auf den Erwerb eines Grundstücks in bebautem Zustand abzielen.

b) Die Fallgestaltungen (Erwerb eines Grundstücks mit noch zu errichtendem Gebäude bzw. Eintritt in einen Bauvertrag) gleichen sich darin, dass der Erwerber jeweils das Grundstück ohne Vorgaben für die Bebauung nicht erwerben kann. Um wirtschaftliche Nachteile zu vermeiden, muss nämlich der Verkäufer, der bezüglich des zu verkaufenden Grundstücks bereits einen Vertrag über dessen Bebauung mit einem Dritten abgeschlossen hat, aber mit der Bebauung nichts mehr zu tun haben will, bestrebt sein, das Grundstück nur an jemanden zu veräußern, der bereit ist, die Verpflichtungen aus dem Bauvertrag zu übernehmen. Es bedarf auch beide Male einer Mitwirkung Dritter, allerdings bei dem bloßen Grundstückserwerb mit gleichzeitiger Verpflichtung des Erwerbers zum Vertragseintritt nur insoweit, als die mit dem Vertragseintritt verbundenen Rechtsgeschäfte gemäß § 415 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) der Zustimmung des Dritten bedürfen. Diese Gemeinsamkeiten, in denen sich die Vergleichbarkeit beider Fallgestaltungen erschöpft, führen jedoch nach der oben bezeichneten Rechtsprechung des Senats nicht zur Anwendbarkeit der zum einheitlichen Erwerbsvorgang entwickelten Grundsätze auf die mit einer Verpflichtung zum Vertragseintritt verbundenen Grundstückserwerbe. Es fehlt am Merkmal, dem Abschluss eines Grundstückskaufvertrages mit der Verpflichtung des Verkäufers/der Verkäuferseite zur Übertragung eines von ihm/ihr noch zu bebauenden Grundstücks zu entsprechen.

c) Das FG hat keine in objektiv sachlichem Zusammenhang stehenden Vereinbarungen und kein zielgerichtetes Zusammenwirken von R und U festgestellt, das darauf gerichtet war, der Klägerin das Grundstück in fertig bebautem Zustand zu verschaffen.

aa) R war nach dem Inhalt des Grundstückskaufvertrages der Klägerin gegenüber nicht verpflichtet, das Gebäude fertig zu stellen. Eine solche Verpflichtung des R ergibt sich auch nicht aus der neben dem Grundstückskaufvertrag getroffenen privatschriftlichen Vereinbarung hinsichtlich der Eintritts- und Freistellungsverpflichtung der Klägerin in Bezug auf den Bauvertrag. R verfolgte lediglich das Ziel, sich von dem Bauvorhaben und dem bereits mit U abgeschlossenen Bauvertrag ohne finanzielle Einbuße wieder zu lösen. Er wollte —aus welchen Gründen auch immer— gerade kein Gebäude mehr erstellen lassen und sich hierzu auch der Klägerin gegenüber nicht verpflichten. Allein der Umstand, dass umgekehrt die Klägerin dem U gegenüber auf Grund ihrer Eintritts- und Freistellungspflichten zumindest faktisch gehalten war, das Bauvorhaben zu Ende zu führen, rechtfertigt nicht die Annahme eines einheitlichen Vertragsgegenstandes. Denn die Verpflichtung des Erwerbers gegenüber dem Veräußerer, auf dem Grundstück ein Gebäude zu errichten, das er selbst nutzen wird, ist eine eigennützige Leistung, die keine Gegenleistung für den Erwerb des Grundstücks darstellt (Senat in BFHE 197, 308, DStR 2002, 495, m.w.N.).

bb) Der Bauunternehmer U, dessen Mitwirkung nur in der Zustimmung zum Eintritt der Klägerin in den Bauvertrag gelegen haben kann, hat den Bauvertrag mit R bereits vor Abschluss des Grundstückskaufvertrages aquiriert, ohne dabei über diesen Vertragsabschluss hinaus irgendeinen Einfluss auf den späteren Veräußerungsvorgang genommen zu haben. U befindet sich damit nicht in einer Stellung, wie sie Dritten zukommt, die nach den Grundsätzen der Rechtsprechung zum einheitlichen Erwerbsgegenstand auf Grund objektiv sachlichen Zusammenhangs des von ihnen abgeschlossenen Vertrages mit dem Grundstückskaufvertrag sowie auf Grund abgestimmten Verhaltens mit dem Grundstücksverkäufer der Veräußererseite zuzurechnen sind. Daher erfüllt seine Mitwirkung auch nicht die Voraussetzungen eines abgestimmten Verhaltens, das nach der genannten Rechtsprechung bei unterschiedlichen Vertragspartnern des Erwerbers auf der Veräußererseite erforderlich ist, um den Erwerb eines bebauten Grundstücks anzunehmen. Die Mitwirkung erfolgt nicht auf das Ziel hin, dem Erwerber ein bebautes Grundstück zu verschaffen, sondern weil eigene Interessen nicht berührt sind.

2. Die Sache ist nicht spruchreif. Die Feststellungen des FG lassen keine abschließende Beurteilung des Streitfalls zu.

a) Die Steuer bemisst sich nach dem Wert der Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 des GrunderwerbsteuergesetzesGrEStG—). Als Gegenleistung gilt bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass zur Gegenleistung im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne jede Leistung gehört, die der Erwerber als Entgelt für den Erwerb des Grundstücks gewährt oder die der Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks empfängt (vgl. z.B. , BFHE 132, 111, BStBl II 1981, 174). Entscheidend für die Qualifikation einer Leistung als Gegenleistung i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 ist, dass die Verpflichtung zur Leistung auf den Erwerb des Grundstücks in dem Zustand, in dem es zum Erwerbsgegenstand gemacht wurde, bezogen ist. Befindet sich ein Grundstück im Zeitpunkt des Abschlusses eines Grundstückskaufvertrags im Zustand der Bebauung und hat sich —wie im Streitfall— der Veräußerer gegenüber dem Erwerber nicht zur Fertigstellung des Gebäudes verpflichtet, erfasst der Grundstückskaufvertrag —unabhängig vom Willen der Vertragsbeteiligten— grunderwerbsteuerrechtlich notwendigerweise diejenige Bausubstanz, die in dem Zeitpunkt, zu dem der Gegenstand des Erwerbsvorgangs übergehen soll, bereits vorhanden ist (vgl. BFH in BFHE 183, 265, BStBl II 1997, 776). Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Grundstück nicht in dem Zustand zum Erwerbsgegenstand gemacht werden kann, den es nicht mehr hat und nicht mehr erhalten soll (vgl. , BFHE 135, 217, BStBl II 1982, 330, m.w.N.).

Darüber hinaus kann eine Leistung als ”sonstige Leistung” der Gegenleistung zugehören, wenn sie zwar einem Dritten gegenüber zu erbringen ist, jedoch in finaler Verknüpfung mit dem Grundstückserwerb steht, die Verpflichtung zum Eintritt in einen zwischen dem Dritten und dem Veräußerer bestehenden Vertrag dem Verkäufer gegenüber eingegangen ist und sich die Verpflichtungen aus dem Vertrag mit dem Dritten und dem Erwerber dem Werte nach unausgewogen gegenüberstehen (Senatsbeschluss in BFHE 172, 534, BStBl II 1994, 48).

b) Gegenstand des Erwerbsvorgangs der Klägerin vom war das bereits teilweise bebaute Grundstück. Die Gegenleistung für diesen Vertragsgegenstand ist als Besteuerungsgrundlage maßgebend. Das FG hat —von seinem Standpunkt aus zu Recht— die Höhe der Gegenleistung nicht ermittelt. Die Feststellungen des FG reichen nicht aus, um dem Senat eine Entscheidung über die Höhe dieser Gegenleistung zu ermöglichen. Hierzu bedarf es noch der Aufklärung, welche Bausubstanz im Zeitpunkt, zu dem das Grundstück Gegenstand des Erwerbsvorgangs sein sollte, bereits vorhanden war und ob der vereinbarte Kaufpreis —als Teil der Gesamtaufwendungen der Klägerin für das fertig bebaute Grundstück— den Wert des Erwerbsgegenstands zutreffend erfasst oder ob die Klägerin über den Kaufpreis hinaus Leistungen an U erbracht hat, die der Abgeltung der erworbenen Bausubstanz dienten.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 1493 Nr. 11
DStRE 2002 S. 1459 Nr. 23
BAAAA-68185