BGH Beschluss v. - IX ZR 218/16

Insolvenzanfechtung: Anspruch auf Rückgewähr einer stillen Einlage als eine einem Darlehen gleichgestellte Forderung

Leitsatz

Hat ein Gesellschafter zusätzlich zu seiner Beteiligung als Gesellschafter eine (typische) stille Beteiligung übernommen, stellt der Anspruch auf Rückgewähr der stillen Einlage eine einem Darlehen gleichgestellte Forderung dar.

Gesetze: § 39 Abs 1 Nr 5 InsO, § 135 Abs 1 Nr 2 InsO, § 136 InsO, § 230 Abs 1 HGB

Instanzenzug: Az: 9 U 107/15vorgehend Az: 8 O 63/14

Gründe

I.

1Die Schuldnerin ist eine Beteiligungsgesellschaft in der Rechtsform der GmbH. Alleingesellschafterin der Schuldnerin ist die I.      GmbH. Die Beklagte ist Alleingesellschafterin der I.       GmbH. Im November 2005 beteiligte sich die Beklagte auf unbestimmte Dauer als stille Gesellschafterin an der Schuldnerin. Die - zwischenzeitlich auf bis zu 13.000.000 € erhöhte - vereinbarte Einlage wurde im Mai 2011 auf 10.000.000 € zurückgesetzt. Tatsächlich betrug sie zu diesem Zeitpunkt 10.900.000 €.

2Unter dem wies die Schuldnerin die Zahlung von 2.000.000 € zugunsten der Beklagten an. Der Buchungstext lautete "Rückführung stille Beteiligung […]". Die Belastung des Kontos der Schuldnerin und die Gutschrift auf dem Konto der Beklagten erfolgten am . Auf einen am eingegangenen Gläubigerantrag eröffnete das das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter.

3Der Kläger hat gestützt auf § 135 Abs. 1 InsO Klage auf Rückzahlung von 2.000.000 € erhoben. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg gehabt. Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde erstrebt die Beklagte die Zulassung der Revision.

II.

4Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

51. Die Auffassung des Berufungsgerichts, gegenüber der Beklagten seien die Voraussetzungen einer Anfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO erfüllt, weist keinen Zulassungsgrund auf. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Rückzahlung einer Vermögenseinlage, mit der ein Gesellschafter sich zusätzlich zu seiner bestehenden Beteiligung am Haftkapital einer Gesellschaft im Sinne des § 39 Abs. 4 Satz 1 InsO als stiller Gesellschafter im Sinne des § 230 Abs. 1 HGB an dieser Gesellschaft beteiligt hat, sich als Befriedigung eines Anspruchs auf Rückgewähr eines Darlehens im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO oder einer gleichgestellten Forderung darstellt, wirft keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen auf. Ob eine Rechtshandlung nach § 135 Abs. 1 InsO anfechtbar ist, hängt zum einen davon ab, ob der Anfechtungsgegner Gesellschafter der Schuldnerin ist. Zum anderen muss es sich um eine Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO oder eine gleichgestellte Forderung handeln. Dies gilt auch für die Rückführung einer stillen Einlage.

6Sofern der Anfechtungsgegner unmittelbar am Haftkapital der Gesellschaft beteiligt ist, seine Beteiligung über das Kleinbeteiligungsprivileg des § 39 Abs. 5 InsO hinausgeht und kein Fall des § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO vorliegt, sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 135 Abs. 1 InsO in personeller Hinsicht erfüllt. In diesem Fall kommt es nicht darauf an, ob die Rechte des Anfechtungsgegners aus dem Darlehen oder der dem Darlehen gleichgestellten Forderung diesem für sich genommen eine Rechtsposition verschaffen, die der eines Gesellschafters entspricht. Dabei ist eine mittelbare Beteiligung am Haftkapital der Gesellschaft für eine Gesellschafterstellung ausreichend, wenn diese der unmittelbaren Beteiligung gleichsteht (vgl. , BGHZ 188, 363 Rn. 10; vom - IX ZR 191/11, BGHZ 193, 378 Rn. 11). So liegt der Streitfall, weil die Beklagte unstreitig mittelbar Alleingesellschafterin der Schuldnerin ist. Die Rückzahlung der von der Beklagten zusätzlich übernommenen (typischen) stillen Beteiligung ist mithin als Befriedigung eines Anspruchs auf Rückgewähr einer einem Darlehen im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO gleichgestellten Forderung anfechtbar.

7Es entspricht einhelliger Meinung, dass die von einem (mittelbaren) Alleingesellschafter zusätzlich übernommene stille Einlage als darlehensgleiche Leistung dieses Gesellschafters anzusehen ist (Jaeger/Henckel, InsO, § 135 Rn. 7; MünchKomm-InsO/Ehricke, 3. Aufl. § 39 Rn. 43; MünchKomm-InsO/Gehrlein, aaO § 135 Rn. 18; Gehrlein in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl., § 236 Rn. 17a; FK-InsO/Bornemann, 8. Aufl., § 39 Rn. 68; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 14. Aufl., § 39 Rn. 38; § 136 Rn. 2; MünchKomm-AnfG/Kirchhof, § 6 Rn. 34; Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., Anhang zu § 30 Rn. 36; Mock, DStR 2008, 1645, 1648; Manz/Lammel, GmbHR 2009, 1121, 1123 f). Dies entsprach schon der Handhabung zu § 32a GmbHG aF. Der Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften bezog die stille Beteiligung eines Gesellschafters ausdrücklich ein (BT-Drucks. 8/1347 S. 40 zu § 32a Abs. 7 GmbHG-E). Diese Bestimmung ist vom Rechtsausschuss des Bundestages ohne inhaltliche Änderung gestrichen und durch die Generalklausel des § 32a Abs. 3 GmbHG ersetzt worden. Sie sollte auch die stille Beteiligung eines Gesellschafters erfassen (BT-Drucks. 8/3908 S. 74). Das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen hat insoweit die Konzeption des § 32a Abs. 3 GmbHG übernommen (BT-Drucks. 16/6140 S. 56). Die von der Beschwerde genannten Stimmen im Schrifttum (Schmidt/Karsten Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 136 Rn. 25; HmbKomm-InsO/Schröder, 6. Aufl., § 136 Rn. 18) vertreten für die von einem Gesellschafter zusätzlich übernommene stille Beteiligung keine andere Auffassung (siehe nur Karsten Schmidt in MünchKomm-HGB, 3. Aufl., § 236 Rn. 7, 25, 28; Anhang Insolvenzanfechtung nach § 136 InsO, § 136 InsO Rn. 6, wo jede stille Beteiligung eines bereits unabhängig von dieser Beteiligung unter § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO fallenden Gesellschafters als nach § 135 InsO anfechtbares Darlehen angesehen wird).

82. Verfahrensgrundrechte der Beklagten wurden nicht verletzt. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:231117BIXZR218.16.0

Fundstelle(n):
BB 2017 S. 3009 Nr. 51
DB 2017 S. 2990 Nr. 50
DStR 2018 S. 40 Nr. 1
DStR 2018 S. 682 Nr. 13
GmbH-StB 2018 S. 47 Nr. 2
GmbHR 2018 S. 151 Nr. 3
NWB-Eilnachricht Nr. 51/2017 S. 3920
WM 2017 S. 2399 Nr. 50
ZIP 2017 S. 2481 Nr. 51
ZIP 2017 S. 97 Nr. 50
FAAAG-64742