BFH Beschluss v. - I S 4/01

Gründe

I. Der Antragsteller —ein Rechtsanwalt— ist Insolvenzverwalter in dem am eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der X-GmbH (Insolvenzschuldnerin). Am 7. bzw. erließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) an den Antragsteller adressierte und die Insolvenzschuldnerin betreffende Bescheide u.a. über die gesonderte Feststellung der verbleibenden Verlustabzüge zur Körperschaftsteuer und Feststellungen gemäß § 47 Abs. 1 und 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) a.F. auf den Schluss der Jahre 1998 und 1999 bzw. für die Jahre 1998 und 1999. Den Bescheiden liegen Schätzungen der Besteuerungsgrundlagen zugrunde, da die Insolvenzschuldnerin für die Veranlagungszeiträume 1998 und 1999 (Streitjahre) keine Steuererklärungen abgegeben hatte.

Der Antragsteller legte ohne Erfolg gegen die Bescheide Einspruch ein. Im anschließenden Klageverfahren hob das Finanzgericht (FG) die Bescheide und die Einspruchsentscheidung auf, soweit sie die genannten Feststellungen betreffen. Es vertrat die Auffassung, die Bescheide hätten wegen des Insolvenzverfahrens nicht erlassen werden dürfen und seien deshalb unwirksam.

Gegen das FG-Urteil legte das FA Revision ein. Das Revisionsverfahren wird beim beschließenden Senat unter dem Aktenzeichen I R 33/01 geführt. In ihm beantragt das FA, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Antragsteller ist der Revision entgegengetreten und hat beantragt, ihm für das Revisionsverfahren Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen und die Rechtsanwältin Dr. G beizuordnen.

II. Dem Antragsteller war für das Revisionsverfahren I R 33/01 PKH zu bewilligen. Seinem Antrag, ihm die Rechtsanwältin Dr. G beizuordnen, war dagegen nicht zu entsprechen.

1. Gemäß § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 116 Satz 1 Nr. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei kraft Amtes auf Antrag PKH, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zugemutet werden kann, die Kosten aufzubringen. Die Bewilligung von PKH setzt grundsätzlich voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 116 Satz 2 i.V.m. § 114 letzter Halbsatz ZPO). Wird die PKH für einen höheren Rechtszug beantragt und hat —wie im Streitfall— der Gegner das Rechtsmittel eingelegt, ist ausnahmsweise nicht zu prüfen, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

2. Der Antragsteller, der als Insolvenzverwalter Partei kraft Amtes i.S. des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO ist (s. Vollkommer in Zöller, Zivilprozessordnung, 23. Aufl., 2002, § 51 Rn. 7, m.w.N.; Philippi in Zöller, a.a.O., § 116 Rn. 2), hat glaubhaft dargelegt, dass die Kosten der Rechtsverteidigung nicht aus der von ihm verwalteten Insolvenzmasse (§ 35 der InsolvenzordnungInsO—) aufgebracht werden können.

Es besteht —was der Antragsteller bereits im Mai 2000 dem Insolvenzgericht mitteilte— Masseunzulänglichkeit. Die Insolvenzmasse reicht nach Angaben des Antragstellers noch nicht einmal aus, um die Kosten des Insolvenzverfahrens (§ 54 InsO) zu decken. Somit darf der Antragsteller für die Rechtsverteidigung in dem Revisionsverfahren der Insolvenzmasse keine Mittel entziehen (s. Philippi in Zöller, a.a.O., § 116 Rn. 4, m.w.N.; Klopp/Kluth, Insolvenzrechts-Handbuch, 2. Aufl., 2001, § 17 Rdnr. 52).

3. Da der Rechtsstreit nur wegen einer verfahrensrechtlichen Frage —dem sachlichen Anwendungsbereich des § 87 InsO— geführt wird und ein etwaiger Erfolg des Antragstellers in dem Rechtsstreit ohne Einfluss auf die Insolvenzmasse ist, gibt es im Streitfall keine am Gegenstand des Rechtsstreites wirtschaftlich Beteiligten i.S. des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO (s. Philippi in Zöller, a.a.O., § 116 Rn. 6, m.w.N.). Andererseits steht der Umstand, dass es sich bei der Insolvenzschuldnerin um eine juristische Person handelt, der Gewährung von PKH nicht entgegen; insbesondere ist § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO auf den Insolvenzverwalter einer juristischen Person nicht anwendbar (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 142 Rz. 16, m.w.N.).

4. Dem Antrag, gemäß § 121 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 142 Abs. 1 FGO die Rechtsanwältin Dr. G beizuordnen, war nicht zu entsprechen. Der Antragsteller ist Rechtsanwalt und kann sich daher in dem Revisionsverfahren selbst vertreten. Die bewilligte PKH umfasst jedoch auch die Gebühren und Auslagen, die er als bevollmächtigter Rechtsanwalt verlangen könnte (s. Oberlandesgericht Oldenburg, Beschluss vom 6 W 2/01, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht 2001, 423; Philippi in Zöller, a.a.O., § 121 Rn. 1; Musielak, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 3. Aufl., 2002, § 121 Rz. 7; Wax in Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 2. Aufl., 2000, § 116 Rz. 6).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 1319 Nr. 10
OAAAA-68133