BFH Urteil v. - I R 55/00

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf), , BVerfG 2 BvR 2102/01

Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig

Gründe

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind im Inland wohnende Eheleute, die für das Streitjahr 1989 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger ist nichtselbständig tätiger Seemann. Er war vom 3. Januar bis zum auf einem unter zypriotischer Flagge fahrenden Schiff tätig. Eigentümerin des Schiffes war die inländische Partenreederei MT-B, die sich zur Erledigung ihrer Geschäfte eines ebenfalls inländischen Korrespondentreeders bediente. Im Streitjahr hatte die MT-B das Schiff an die in Zypern ansässige B-Ltd. für zwei Jahre in Bareboat verchartert. Die B-Ltd. hatte das Schiff ihrerseits für zwei Jahre in Zeitcharter an die MT-B weiterverchartert. Die Kosten für das Schiff wurden wie folgt getragen: Der Bareboatcharterer trug sämtliche Betriebs- und Wartungskosten einschließlich der Steuern, die Eigentümerin und Zeitcharterin trug die Kosten, die mit der Durchführung der Reise zu tun hatten (Hafen-, Lade-, Lösch-, Treibstoffkosten).

Die B-Ltd. hatte mit der ebenfalls zypriotischen I-Ltd. einen sog. Crewing-Kontrakt geschlossen, wonach die I-Ltd. als Arbeitnehmerverleiherin die Besatzung für das Schiff stellte. Von der I-Ltd. erhielt der Kläger im Streitjahr seine Heuer.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) bezog diese Heuer bei der Einkommensteuerveranlagung der Kläger ein.

Die dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 372 abgedruckt.

Ihre Revision stützen die Kläger auf Verletzung von Abkommensrecht.

Sie beantragen, das FG-Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer 1989 unter Abänderung der angefochtenen Steuerbescheide auf 0 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

1. Die im Inland wohnhaften Kläger sind gemäß § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) mit allen von ihnen erzielten Einkünften unbeschränkt steuerpflichtig. Hierunter fallen auch die Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, die der Kläger auf dem unter zypriotischer Flagge fahrenden Seeschiff ausübte.

2. Der steuerlichen Erfassung dieser Einkünfte im Inland steht das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Zypern zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-Zypern) nicht entgegen.

a) Gemäß Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 dieses Abkommens werden bei einer in der Bundesrepublik ansässigen Person von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer u.a. die Einkünfte aus Zypern ausgenommen, die dort nach dem Abkommen besteuert werden können. Die Frage, ob die Einkünfte des Klägers in Zypern besteuert werden können, beantwortet sich nach Art. 15 Abs. 3 DBA-Zypern. Danach können Vergütungen für unselbständige Arbeit, die von einem Mitglied der Besatzung an Bord eines Seeschiffes im internationalen Verkehr ausgeübt wird, in dem Staat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet.

Wie der Senat in seinem Urteil vom I R 53/91 (BFHE 173, 53, BStBl II 1994, 218) zu dieser Vorschrift (vgl. ebenso Urteil vom I R 36/96, BFHE 182, 565, BStBl II 1997, 432, zum wortgleichen Art. 15 Abs. 3 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik der Philippinen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen; Urteil vom I R 42/94, BFHE 177, 83, BStBl II 1995, 405 zu Art. 12 Abs. 3 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von Einkommen und Vermögen) entschieden hat, kann Unternehmen i.S. des Art. 15 Abs. 3 DBA-Zypern nur ein Unternehmen i.S. von Art. 8 Abs. 1 DBA-Zypern sein, das selbst internationalen See- und Luftverkehr betreibt. Zugleich muss dieses Unternehmen wirtschaftlicher Arbeitgeber des Besatzungsmitglieds im Sinne des Abkommensrechts sein (Senatsurteile in BFHE 182, 565, BStBl II 1997, 432; in BFHE 177, 83, BStBl II 1995, 405; in BFHE 173, 53, BStBl II 1994, 218).

b) Diese Voraussetzungen werden im Streitfall nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) nicht erfüllt: Auch wenn die B-Ltd. als Vercharterer eines bemannten und ausgerüsteten Schiffs —insoweit in Einklang mit den von den Klägern angeführten Vorschriften des Flaggenrechtsgesetzes— ein Seeschiff im internationalen Verkehr betrieben haben sollte (vgl. dazu Senatsurteil in BFHE 177, 83, BStBl II 1995, 405), so war diese doch nicht Arbeitgeberin des Klägers. Das war die I-Ltd. Dass diese als Arbeitnehmerverleiherin die an die Arbeitnehmer gezahlten Vergütungen an ihren Auftraggeber, die B-Ltd., weiterbelastet hat, steht dem nicht entgegen. Die dadurch erlangten Entgelte sind Erlöse aus dem Gegenstand ihres Unternehmens, dem Arbeitnehmerverleih, keine durchlaufenden Posten (vgl. im einzelnen Schieber in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 15 MA Rz. 117, m.w.N.). Sie führen deswegen auch unter den besonderen Gegebenheiten des streitgegenständlichen Sachverhaltes —Bareboatvercharterung und anschließende Rück-Zeitvercharterung unter Einschaltung eines Arbeitnehmerverleihers als sog. Crewing-Ausrüster— nicht dazu, dass die Arbeitgeberfunktion auf die B-Ltd. (oder auf die MT-B, wie das FG annimmt) als ”Nutzende” des entliehenen Arbeitnehmers übertragen und die Funktion diesen zuzurechnen sein würde (vgl. dazu Schieber, ebenda; Nr. 8 des Musterkommentars zu Art. 15 des OECD-Musterabkommens). Die I-Ltd. wiederum ist aber kein Verkehrsunternehmen i.S. des Art. 8 Abs. 1 und damit auch i.S. des Art. 15 Abs. 3 DBA-Zypern (vgl. dazu im Einzelnen BFHE 173, 53, BStBl II 1994, 218).

In Anbetracht dieser fehlenden Übereinstimmung zwischen dem die Seeschifffahrt betreibenden Unternehmen i.S. von Art. 8 Abs. 1 DBA-Zypern und dem Arbeitgeber des Klägers i.S. von Art. 15 Abs. 2 Buchst. b DBA-Zypern kommt es für die Anwendung von Art. 15 Abs. 3 DBA-Zypern nicht darauf an, dass beide Unternehmen —sowohl die B-Ltd. als auch die I-Ltd.— in Zypern ansässig sind; ausschlaggebend ist, dass beide auseinanderfallen. Ebenso ist unbeachtlich, ob der betreffende Seemann, der auf dem ausgeflaggten und rückvercharterten Schiff tätig ist, dem deutschen Sozialversicherungsschutz unterfällt, insbesondere, ob dieser Schutz durch die Ausflaggung und Rückvercharterung in missbräuchlicher Weise unterlaufen wird. Die abkommensrechtliche Zuordnung des Besteuerungsrechts ist von der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung, die nach den von den Klägern vorgelegten Unterlagen offenbar das Bestehen eines inländischen Arbeitsverhältnisses voraussetzt, unabhängig; eine Gleichbehandlung mag insoweit wünschenswert sein, sie wird indes angesichts der unterschiedlichen gesetzlichen Zwecke und Zielsetzungen auch durch die ”Einheit der Rechtsordnung” nicht gefordert (vgl. Senatsurteil in BFHE 173, 53, BStBl II 1994, 218, 220). Schließlich kann nicht berücksichtigt werden, ob —wie die Kläger vorbringen— seitens der zypriotischen Steuerbehörden ein abweichendes Abkommensverständnis vertreten wird, das auf den dort ansässigen Arbeitnehmerverleiher als i.S. von Art. 15 Abs. 3 DBA-Zypern maßgebendes Unternehmen abstellt. Sollte eine solche Auffassung tatsächlich vertreten werden, so wäre sie für den Senat jedenfalls nicht verbindlich. Den Klägern ist es allerdings unbenommen, ggf. die Einleitung eines Verständigungsverfahrens gemäß Art. 25 DBA-Zypern zu beantragen (vgl. dazu , EFG 2001, 27).

3. Scheidet damit aber ein Besteuerungsrecht Zyperns nach Art. 15 Abs. 3 DBA-Zypern aus, entfällt eine Steuerfreistellung der in Rede stehenden Heuer nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-Zypern und es bleibt beim inländischen Besteuerungsrecht nach den unter 1. erwähnten Maßgaben des Einkommensteuergesetzes. Die erforderliche Anknüpfung für die Besteuerung der Kläger in der Bundesrepublik ist deren hiesiger Wohnsitz und die dadurch bedingte unbeschränkte Steuerpflicht; diese ist unabhängig davon, dass Arbeitgeberin des Klägers nach Lage der Dinge nicht die (inländische) MT-B als Endnutzende, sondern die (zypriotische) I-Ltd. als Arbeitnehmerverleiherin war. Ein Widerspruch zu dem Senatsurteil in BFHE 182, 565, BStBl II 1997, 432 liegt darin nicht. Die dort beantwortete Frage danach, ob eine Abwälzung von Personalkosten über die Charterraten dazu führt, dass auch der Charterer (hier: die MT-B) —neben dem Arbeitnehmerverleiher (hier: der I-Ltd.)— Arbeitgeber des Seemannes i.S. von Art. 15 Abs. 2 Buchst. b und Abs. 3 DBA-Zypern sein kann, ist im Streitfall nicht entscheidungserheblich. Aus letztlich demselben Grunde unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt auch vom jenem im Senatsurteil in BFHE 177, 83, BStBl II 1995, 405, in welchem von zwei nebeneinander schifffahrtsbetreibenden Unternehmen —insoweit ebenfalls abweichend vom Streitfall— eines zugleich Arbeitgeber des klagenden Seemannes war.

4. Eine subsidiäre Anwendung des Art. 15 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 DBA-Zypern, wie sie die Kläger fordern, scheidet aus. Art. 15 Abs. 3 DBA-Zypern ist für Tätigkeiten an Bord von Seeschiffen im internationalen Verkehr lex specialis (vgl. Senatsurteil in BFHE 182, 565, BStBl II 1997, 432). Insofern kommt es auch nicht auf die einzelnen Zeiten an, in denen sich der Kläger tatsächlich auf hoher See befunden hat.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 478 Nr. 4
DStRE 2002 S. 375 Nr. 6
UAAAA-68118