BFH Beschluss v. - I R 41/01

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer 1991 und 1992 veranlagt. Beide Ehegatten erzielten in den Streitjahren Einkünfte aus Beteiligungen an dem Betrieb mehrerer Handelsschiffe, die im internationalen Verkehr eingesetzt wurden. Die Einkünfte wurden jeweils durch die Betriebsstätten-Finanzämter einheitlich und gesondert festgesetzt und ergaben folgende Beträge:

1991 1992

Kläger ./. 166 252 DM ./. 92 698 DM

Klägerin + 16 139 DM + 25 600 DM

Saldo ./. 150 113 DM ./. 67 098 DM

Im Hinblick darauf, dass ihre Beteiligungserträge positiv waren, begehrte die Klägerin die Tarifbegünstigung gemäß § 34c Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) a.F. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) verrechnete hingegen die positiven Ergebnisse mit den negativen Ergebnissen des Klägers und gewährte die Tarifbegünstigung nicht. Aufgrund der Zusammenveranlagung gemäß § 26b EStG seien beide Eheleute wie ein Steuerpflichtiger zu behandeln (vgl. auch R 212e der Einkommensteuer-RichtlinienEStR— 1996). Das FA erließ entsprechende Einkommensteuerbescheide, zuletzt vom .

Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen gerichteten Klage durch Urteil vom statt und übertrug die Berechnung der Steuer gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dem FA. Die Revision wurde nicht zugelassen, wogegen sich das FA mit der Beschwerde vom wandte. Während des Beschwerdeverfahrens ergingen am für beide Streitjahre gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderte Bescheide, durch die die Einkommensteuer 1991 auf 0 DM und die Einkommensteuer 1992 auf 3 040 DM herabgesetzt wurde. Einsprüche gegen diese Bescheide wurden nicht erhoben. Beide Bescheide enthielten in ihren Rechtsbehelfsbelehrungen Hinweise auf § 68 FGO.

Durch Beschluss vom I B 152/00 hat der erkennende Senat die Revision zugelassen. Am hat das FA erneut gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 geänderte Bescheide erlassen und hierdurch die Einkommensteuer für 1991 auf 20 788 DM und für 1992 auf 26 116 DM festgesetzt. Gegen diese Bescheide haben die Kläger Einsprüche eingelegt.

Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unzulässig.

Dem FA fehlt für das Revisionsverfahren das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Es hat am gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 geänderte Steuerbescheide für beide Streitjahre erlassen. Diese Änderungsbescheide sind nicht, wie es erforderlich gewesen wäre (s. Stöcker in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 68 FGO Rz. 33, m.w.N.), zum Gegenstand des seinerzeitigen Beschwerdeverfahrens wegen Nichtzulassung der Revision gemacht geworden. Damit kann im Rahmen des Revisionsverfahrens weder über diese Bescheide, die jeweils an die Stelle der vorangegangenen Bescheide vom getreten sind und diese ersetzten, noch über die anschließenden Änderungsbescheide vom entschieden werden.

Eine automatische Überleitung der Änderungsbescheide vom in ein laufendes Beschwerde- und Revisionsverfahren, wie sie § 68 FGO i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom (BGBl I 2000, 1747, BStBl I 2000, 1567) bestimmt, scheidet aus. Denn gemäß Art. 6 des 2. FGOÄndG sind die Neuregelungen am erstmals in Kraft getreten. Bis dahin und damit auch für Änderungsbescheide, die —wie die hier in Rede stehenden Bescheide vom — vor dem bekannt gegeben wurden, bedurfte es deshalb noch eines entsprechenden (fristgebundenen) Antrages des klagenden Steuerpflichtigen gemäß § 68 FGO a.F. (ebenso z.B. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 68 FGO Tz. 2; Spindler, Der Betrieb 2001, 61, 66; Heißenberg, Kölner Steuer-Dialog 2001, 12768, 12776; Leingang-Ludolph/Wiese, Deutsches Steuerrecht 2001, 775, 779; anders offenbar Hellwig in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, a.a.O., § 68 FGO Rz. 38). Ein derartiger Antrag wurde im Streitfall von den Klägern nicht gestellt. Dass nicht diese, sondern das FA durch Einlegung der erfolgreichen Nichtzulassungsbeschwerde den Eintritt der Rechtskraft des angefochtenen Urteils verhindert haben, ist insoweit ohne Bedeutung und schließt das Antragserfordernis nicht aus (vgl. Bundesfinanzhof —BFH—, Urteil vom II R 241/84, BFHE 155, 245, BStBl II 1989, 370; s. auch Senatsbeschluss vom I B 51/00, BFH/NV 2001, 461).

Zugleich kann über die Rechtmäßigkeit der zwischenzeitlich ergangenen erneuten Änderungsbescheide vom nicht mehr entschieden werden. Wegen des im Hinblick auf die Änderungsbescheide vom unterbliebenen Überleitungsantrages gemäß § 68 FGO a.F. ist die fortlaufende ”Verfahrenskette” unterbrochen, so dass die Bescheide vom nicht gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 FGO n.F. Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden sind (vgl. , BFHE 182, 304, BStBl II 1997, 514, m.w.N.). Dass aus gleichem Grunde und weil das FA nicht erklärt hat, das Beschwerdeverfahren sei in der Hauptsache erledigt, schon die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision als unzulässig hätte verworfen werden müssen, ist insoweit unbeachtlich. Dazu sei angemerkt, dass der Senat im Zeitpunkt seiner Beschlussfassung über die Nichtzulassungsbeschwerde von den Änderungsbescheiden keine Kenntnis hatte; sie waren ihm nicht übersandt worden (vgl. § 68 Satz 3 FGO a.F.).

Schließlich kam auch eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO nicht in Betracht, da die Änderungsbescheide vom nicht mit Einsprüchen angefochten und damit bestandskräftig geworden sind. Dass gegen die anschließenden Änderungsbescheide vom Einsprüche eingelegt wurden, ändert daran nichts. Über sie wird das FA —unter Beachtung von § 351 AO 1977— erneut zu entscheiden haben; § 68 Satz 2 FGO n.F. ist nicht einschlägig.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 672 Nr. 5
DStRE 2002 S. 914 Nr. 14
WAAAA-68113