BFH Beschluss v. - XI B 49/17

Zu den Anforderungen an die ordnungsgemäße Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde

Leitsatz

1. NV: Der Vertretungszwang des § 62 Abs. 4 FGO verlangt, dass der Prozessbevollmächtigte die volle Verantwortung für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde übernehmen muss; die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde muss daher von dem Prozessbevollmächtigten selbst stammen.

2. NV: Hieran fehlt es, wenn der Prozessbevollmächtigte lediglich mit einem von ihm unterschriebenen Schriftsatz die erste Seite einer nicht von ihm stammenden Beschwerdebegründung übersendet.

Gesetze: FGO § 62 Abs. 4; FGO § 116 Abs. 3 Satz 3;

Instanzenzug:

Gründe

1 Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den Anforderungen des § 62 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO), so dass die Beschwerde nicht (innerhalb der Frist des § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO) begründet worden ist.

2 1. Vor dem Bundesfinanzhof (BFH) muss sich —wie auch aus der Rechtsmittelbelehrung in dem angefochtenen Urteil hervorgeht— jeder Beteiligte, sofern es sich nicht um eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder um eine Behörde handelt, durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen; zur Vertretung berechtigt sind auch Gesellschaften i.S. des § 3 Nr. 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch solche Personen handeln (§ 62 Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 FGO).

3 a) Dieses Erfordernis gilt nicht nur für die Einlegung einer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision, sondern auch für deren Begründung (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom I B 143/06, BFH/NV 2007, 2306; vom X B 41/13, BFH/NV 2014, 175).

4 b) Der Vertretungszwang nach § 62 Abs. 4 FGO bedeutet, dass der jeweilige Prozessbevollmächtigte die volle Verantwortung für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde übernehmen muss; die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde muss daher von dem Prozessbevollmächtigten selbst stammen (vgl. BFH-Beschlüsse vom III B 70/94, BFH/NV 1995, 251; vom II R 18/85, BFH/NV 1989, 107; in BFH/NV 2014, 175; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 116 FGO Rz 127 f.; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 116 FGO Rz 28; Werth in Beermann/Gosch, FGO § 116 Rz 49).

5 Nicht ausreichend hierfür ist z.B., dass der Prozessbevollmächtigte die Kopie eines vom Beschwerdeführer verfassten Schreibens an den Steuerberater beifügt (vgl. , BFH/NV 2004, 348), mit einem Begleitschreiben einen von (dem Geschäftsführer der) Beschwerdeführerin unterschriebenen Schriftsatz zur Begründung der Beschwerde übersendet (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 2306), die Begründung gemeinsam mit der Mandantin unter Bindung an deren Weisungen erstellt hat (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2014, 175), lediglich einen von einem Beteiligten selbst verfassten Schriftsatz unterschreibt (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1995, 251; vom VII B 297/06, BFH/NV 2007, 1339) auf einen von seinen Mandanten selbst verfassten Schriftsatz Bezug nimmt (vgl. , BFH/NV 2006, 330), als wörtliche Wiedergabe gekennzeichnete Ausführungen des Beschwerdeführers mit dem formelhaften Hinweis übersendet, diesen sei „kaum etwas hinzuzusetzen“ (vgl. , BFH/NV 2003, 817; s.a. , juris), oder sich auf den Inhalt einer Beschwerdeschrift in einem anderen Verfahren von einem anderen Prozessbevollmächtigten bezieht (vgl. , BFH/NV 2010, 2308, Rz 2).

6 2. Gemessen daran ist im Streitfall der Vertretungszwang hinsichtlich der Beschwerdebegründung nicht gewahrt.

7 a) Mit Telefax vom hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) lediglich die Seite 1 einer Begründung der Nichtzulassung der Revision übersandt, die auf den datiert ist, aber nicht unterzeichnet ist.

8 b) Die am vollständig eingegangene und „i.A.“ von einer unbekannten Person unterschriebene Begründung stammt nicht vom Prozessbevollmächtigten und ist nicht von ihm unterzeichnet. Die Frage des Senats im Schreiben vom , von wem die Unterschrift stammt, hat der Prozessbevollmächtigte nicht beantwortet. Stattdessen hat der Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom erklärt, er habe den Schriftsatz „anbei übersende ich die erste Seite der Begründung des Antrags auf Zulassung der Revision“ unterschrieben und damit „die Revision“ (gemeint: Nichtzulassungsbeschwerde) begründet. Wer die Unterschrift geleistet hat, wurde nicht mitgeteilt. Dies genügt nach den unter 1.b dargelegten Grundsätzen nicht.

9 c) Soweit der Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und dabei erneut lediglich die —nicht von ihm unterschriebene— „Rechtsmittelbegründung“ vom übersandt hat, gilt dasselbe: Auch aus dieser (erneuten) Übersendung einer nicht von ihm stammenden Begründungsschrift wird deutlich, dass sich der Prozessbevollmächtigte nicht selbst mit dem Streitstoff befasst, ihn insbesondere nicht im Hinblick auf das Vorliegen und die Darlegung etwaiger Zulassungsgründe überprüft hat.

10 d) Die Begründung des Wiedereinsetzungsantrags im Schreiben vom , das Faxgerät des Beschwerdeführers habe am nicht funktioniert, bestätigt darüber hinaus, dass die Beschwerdebegründung nicht vom Prozessbevollmächtigten stammt. Dass das Faxgerät des Prozessbevollmächtigten defekt gewesen sei, wird nicht geltend gemacht.

11 e) Ob die Beschwerdebegründung, was angesichts des Vergleichs der Unterschrift mit mehreren Schreiben in der Akte des Finanzgerichts nahe liegt, vom (nicht postulationsfähigen) Herrn A stammt, kann dabei offen bleiben.

12 3. Außerdem hat der Kläger in der Beschwerdebegründung vom keine Zulassungsgründe in der durch § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO geforderten Form dargelegt. Der Beschluss ergeht insoweit nach § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ohne weitere Begründung.

13 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2017:B.210917.XIB49.17.0

Fundstelle(n):
AO-StB 2018 S. 12 Nr. 1
BFH/NV 2018 S. 46 Nr. 1
GStB 2018 S. 23 Nr. 6
DAAAG-63535