Volksverhetzung durch Abspielen eines ausländerfeindlichen Liedes
Gesetze: § 130 Abs 2 Nr 1 Buchst b StGB
Instanzenzug: Az: 2090 Js 19728/10 - 1 KLs
Gründe
1Das Landgericht hat die Angeklagten wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in 17 (L. ), 14 (H. ), 13 (B. ) und acht Fällen (K. ), zum Teil in Tateinheit mit Volksverhetzung und/oder Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Gewaltdarstellung oder Billigung der Straftat des Völkermordes zu Gesamtfreiheitsstrafen von einem Jahr und drei Monaten (L. , H. und B. ) bzw. einem Jahr und zwei Monaten (K. ) verurteilt und deren Vollstreckung jeweils zur Bewährung ausgesetzt. Zudem hat es wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung jeweils drei Monate der erkannten Freiheitsstrafen für vollstreckt erklärt und Einziehungsentscheidungen getroffen. Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen; der Angeklagte K. erhebt zudem eine nicht näher präzisierte (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) Verfahrensrüge. Die Rechtsmittel führen zur teilweisen Einstellung und Beschränkung des Verfahrens und haben insoweit den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen sind sie aus den zutreffenden Gründen der Antragsschriften des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Der näheren Erörterung bedarf nur Folgendes:
21. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte K. habe durch Abspielen des Liedes Nr. 24 („Hurra, Hurra ein Nigger brennt“) den Tatbestand der Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b) StGB verwirklicht, weil in dem Text des Liedes zu Gewalt- und Willkürmaßnahmen gegen Dunkelhäutige aufgefordert werde, ist fehlerhaft. Das Auffordern zu Gewalt- und Willkürmaßnahmen erfordert ein über bloßes Befürworten hinausgehendes, ausdrückliches Einwirken auf andere mit dem Ziel, in ihnen den Entschluss zu diskriminierenden Handlungen hervorzurufen, die elementaren Geboten der Menschlichkeit widersprechen (, BGHR StGB § 130 Nr. 1 Auffordern 1). Allein das Gutheißen von Gewalt- und Willkürmaßnahmen stellt noch keine Aufforderung hierzu dar (, BGHSt 32, 310, 311 zum inhaltsgleichen Begriff des § 111 StGB). Soweit im Text des Liedes das Verbrennen von Menschen dunkler Hautfarbe durch Angehörige des Ku-Klux-Klans gutgeheißen und bejubelt wird, mangelt es diesen Aussagen an dem erforderlichen appellativen Charakter. Der Senat kann ein Beruhen des Urteils auf diesem Fehler jedoch ausschließen, weil der Schuldspruch durch das vom Landgericht zutreffend erkannte böswillige Verächtlichmachen von dunkelhäutigen Menschen durch Bezeichnung als „Nigger“, „Bastard“ und „Sau“ gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c) StGB getragen wird und die Strafkammer die Verwirklichung mehrerer Tatbestandsvarianten des § 130 StGB bei der Strafzumessung nicht strafschärfend berücksichtigt hat.
32. Soweit das Landgericht hinsichtlich des Liedes Nr. 123 („Blut muss fließen“ der Gruppe Tonstörung) ein Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB durch Benutzen der Parole „Sieg Heil“ angenommen hat, ist dies durch die Feststellungen nicht belegt. Denn nach diesen enthält der Text des Liedes die Parole - im Gegensatz zu Lied Nr. 14 eines anderen Interpreten mit demselben Titel - nicht. Indes beruht das Urteil auch auf diesem Fehler nicht, weil die (angebliche) Verwendung der Parole keinen Eingang in die Schuldsprüche der hiervon betroffenen Angeklagten H. und K. gefunden hat. Diese sind für das Abspielen dieses Liedes lediglich der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit mit Volksverhetzung schuldig gesprochen worden. Auch in der Strafzumessung ist die vermeintliche tateinheitliche Verwirklichung des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB für dieses Lied nicht strafschärfend berücksichtigt worden.
43. Die Strafkammer hat die Angeklagten H. und K. für die Tat betreffend Lied Nr. 5 („Nigger“) der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit mit Volksverhetzung und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen schuldig gesprochen und dabei - entgegen ihrer eigenen zutreffenden rechtlichen Würdigung - nicht beachtet, dass der Tatbestand des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB insoweit nicht erfüllt ist. Zudem hat der Senat auf Antrag des Generalbundesanwalts das Verfahren eingestellt, soweit die Angeklagten wegen Abspielens der Lieder Nr. 34 („In die Eier“), Nr. 69 („In den Bergen von Ruanda“) und Nr. 96 („Hakenkreuz“) verurteilt worden sind und mit dessen Zustimmung das Verfahren hinsichtlich der Lieder Nr. 42 („18“) und Nr. 102 („Führer Adolf“) auf die im Beschlusstenor bezeichneten Straftatbestände beschränkt. Dies bedingt die Änderung der Schuldsprüche.
54. Infolge des durch die Verfahrensbeschränkung bedingten Wegfalls der tateinheitlichen Verurteilung wegen Volksverhetzung für das Abspielen des Liedes Nr. 42 und der Schuldspruchberichtigung hinsichtlich des Liedes Nr. 5 waren die Einzelstrafen für diese Lieder entsprechend den vom Landgericht bei der Strafzumessung angelegten Maßstäben herabzusetzen. Dies konnte der Senat nach § 354 Abs. 1 StPO analog selbst vornehmen. Denn als „absolut bestimmte Strafe“ im Sinne des § 354 Abs. 1 StPO sind auch solche Strafen anzusehen, bei deren Festsetzung keine neue Ermessensentscheidung des Revisionsgerichts erforderlich ist, weil sicher erscheint, dass der Tatrichter bei zutreffender rechtlicher Würdigung auf diese Strafe erkannt hätte (KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 354 Rn. 8 mwN). Dies ist hier der Fall, weil das Landgericht die Strafhöhe der Einzelstrafen ausdrücklich von der Anzahl der tateinheitlich zur mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung hinzutretenden Straftatbestände abhängig gemacht und die Strafzumessungsentscheidung aufgrund rechtsfehlerfrei getroffener Feststellungen vorgenommen hat, die keiner Ergänzung bedürfen. Für die Taten der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit mit Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen hat das Landgericht in Bezug auf den Angeklagten L. jeweils sechs Monate, betreffend die Angeklagten H. und B. jeweils sieben Monate Freiheitsstrafe als Einzelstrafe verhängt. Für Taten der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit mit Volksverhetzung hat es hinsichtlich des Angeklagten H. sieben Monate, hinsichtlich des Angeklagten K. acht Monate Freiheitsstrafe als Einzelstrafe festgesetzt.
6Der Senat hat die Einzelstrafen entsprechend herabgesetzt. Er ist dabei auch für den Angeklagten K. dem Antrag des Generalbundesanwalts betreffend Lied Nr. 5 gefolgt und hat die diesbezügliche Einzelstrafe ebenfalls auf sieben Monate Freiheitsstrafe festgesetzt. Der Angeklagte K. ist nicht dadurch beschwert, dass das Landgericht in diesem Fall eine Einzelstrafe von acht Monaten gegen ihn verhängt hätte.
7Keine Auswirkungen auf Schuldspruch oder Einzelstrafe hatte die Verfahrensbeschränkung in Bezug auf Lied Nr. 102 („Führer Adolf“), die lediglich den Wegfall der vom Landgericht als verwirklicht angesehenen Tatbestandsvariante des § 130 Abs. 4, Abs. 5 Satz 1 StGB zur Folge hat. Denn der Schuldspruch der tateinheitlich begangenen Volksverhetzung wird von der ebenfalls verwirklichten Variante des § 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b) StGB getragen und die mehrfache Verwirklichung des Tatbestandes hatte keinen Einfluss auf die Strafzumessung.
85. Die Teileinstellung und Herabsetzung der Einzelstrafen lassen die Aussprüche über die Gesamtstrafen unberührt. Der Senat kann im Hinblick auf die verbleibenden Einzelstrafen für den Angeklagten L. von sechsmal acht Monaten, achtmal sieben Monaten und zweimal sechs Monaten Freiheitsstrafe ausschließen, dass das Landgericht ohne die im eingestellten Fall verhängte Strafe von acht Monaten und unter Berücksichtigung der Herabsetzung einer Einzelstrafe von acht auf sieben Monate Freiheitsstrafe eine mildere Gesamtfreiheitsstrafe gebildet hätte. Ebenso verhält es sich bei den Angeklagten H. (verbleibende Einzelstrafen von dreimal acht Monaten, achtmal sieben Monaten, sechs Monaten Freiheitsstrafe und 50 Tagessätzen zu je 10,- Euro Geldstrafe; Wegfall von sieben Monaten und acht Monaten Freiheitsstrafe, Herabsetzung von acht Monaten auf sieben Monate Freiheitsstrafe in zwei Fällen), B. (verbleibende Einzelstrafen von zweimal acht Monaten, achtmal sieben Monaten und sechs Monaten Freiheitsstrafe; Wegfall von zweimal sieben Monaten Freiheitsstrafe und Herabsetzung von acht auf sieben Monate Freiheitsstrafe in einem Fall) und K. (verbleibende Einzelstrafen von zweimal neun Monaten, dreimal acht Monaten, dreimal sieben Monaten Freiheitsstrafen; Herabsetzung von neun Monaten auf sieben Monate Freiheitsstrafe in einem Fall).
96. Die Kostenentscheidung folgt auch hinsichtlich der Verfahrensbeschränkung gemäß § 154a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO aus § 467 Abs. 1 StPO. Zwar ist bei einer Beschränkung der Strafverfolgung gemäß § 154a StPO wegen des vorläufigen Charakters dieser Entscheidung eine Kostenentscheidung grundsätzlich ausgeschlossen. Dies gilt aber nicht, wenn - wie hier - gleichzeitig mit der Beschränkung das Urteil durch Verwerfung der Revision über die von der Beschränkung nicht betroffenen Teile rechtskräftig wird (, StraFo 2016, 346, 347 mwN).
10Im Übrigen lässt der nur geringe Teilerfolg der Revisionen es nicht unbillig erscheinen, die Beschwerdeführer mit den gesamten verbleibenden Kosten ihres jeweiligen Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:260717B3STR437.16.0
Fundstelle(n):
HAAAG-62981