Körperverletzung: Strafbefreiender Rücktritt; Abgrenzung des fehlgeschlagenen vom unbeendeten Versuch
Gesetze: § 22 StGB, § 23 StGB, § 24 Abs 1 StGB, § 223 Abs 1 StGB, § 224 Abs 1 Nr 2 StGB
Instanzenzug: Az: 3 KLs 17/16
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen und wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf zwei Verfahrensbeanstandungen sowie die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
21. Die Verfahrensrügen dringen aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen nicht durch.
32. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, soweit er wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen verurteilt worden ist. Der Schuldspruch wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung begegnet demgegenüber durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
4a) Nach den Feststellungen des Landgerichts entschloss sich der Angeklagte dazu, die auf dem Fahrersitz ihres Pkw sitzende Zeugin E. mit einem Messer anzugreifen. Er griff mit einer Hand durch das geöffnete Fenster der Fahrertür in die Haare der Zeugin, versuchte daran zu ziehen und führte mit einem Messer, das er in seiner anderen Hand hielt, eine Stichbewegung in Richtung ihres Halses aus, um sie dort zu treffen. Bevor es zu einer Verletzung kam, packte ihn der Mitangeklagte am Arm und zog ihn von dem Fahrzeug weg. Anschließend entfernten sich beide mit ihrem Pkw vom Tatort.
5Im Rahmen der rechtlichen Würdigung hat die Strafkammer ausgeführt, dass der Angeklagte nicht gemäß § 24 Abs. 1 StGB mit strafbefreiender Wirkung vom Versuch zurückgetreten sei, weil er "die Tatausführung nicht freiwillig aufgegeben" habe, sondern von dem Mitangeklagten daran "gehindert" worden sei.
6b) Diese Bewertung wird von den Feststellungen nicht getragen, weil sich daraus nichts über das Vorstellungsbild des Angeklagten nach der von ihm vorgenommenen Tatausführungshandlung ergibt. Insoweit gilt:
7aa) Ein Versuch ist fehlgeschlagen, wenn die Tat nach dem Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Hält er dagegen die Vollendung der Tat im unmittelbaren Handlungsfortgang noch für möglich, wenn auch mit anderen Mitteln, dann ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten (, juris Rn. 4).
8bb) Hier ist nicht ersichtlich, dass der Mitangeklagte den Angeklagten, nachdem er ihn am Arm gepackt und von dem Fahrzeug der Zeugin weggezogen hatte, auch weiterhin physisch daran hinderte, diese abermals mit dem Messer anzugreifen. Da sich beide sodann mit ihrem Fahrzeug entfernten, erscheint es vielmehr möglich, dass der Mitangeklagte den Angeklagten zwischenzeitlich losgelassen hatte, so dass diesem die weitere Tatausführung objektiv nicht unmöglich war. Die Feststellungen belegen auch nicht, dass der Angeklagte sein Vorhaben durch das Einschreiten des Mitangeklagten als gescheitert ansah; gleichermaßen möglich ist, dass ihn dies dazu veranlasste, die weitere Tatausführung freiwillig aufzugeben.
9c) Die Sache bedarf deshalb insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung führt zum Wegfall der dafür verhängten Freiheitsstrafe von zehn Monaten und bedingt die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:220817B3STR299.17.0
Fundstelle(n):
KAAAG-62458