Befristung ohne Sachgrund - Tarifvertrag
Gesetze: § 14 Abs 2 S 3 TzBfG, § 14 Abs 2 S 4 TzBfG
Instanzenzug: Az: 6 Ca 3176/14 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 2 Sa 433/15 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Befristung.
2Die Beklagte ist ein Unternehmen des Wach- und Sicherheitsgewerbes. Der Kläger wurde aufgrund Arbeitsvertrags vom befristet für den Zeitraum vom bis zum als „Wachmann Zivil“ beschäftigt. Am 18./ vereinbarten die Parteien eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses bis zum . Letztmals wurde das Arbeitsverhältnis am bis zum verlängert. Die Verlängerungen erfolgten jeweils unter Beibehaltung der übrigen Vertragsinhalte.
3Nach dem Arbeitsvertrag vom erfolgte die Einstellung für die Wache/den Auftragsbereich „NL Bereich NRW“. Der Kläger wurde als Wachmann ausschließlich in D eingesetzt. In Nr. 3 des Arbeitsvertrags vom heißt es unter der Überschrift „Einbeziehung von Tarifverträgen“:
4Im Bereich des Wach- und Sicherheitsgewerbes existiert auf Bundesebene ein Mantelrahmentarifvertrag, auf Landesebene sind Manteltarifverträge und weitere (zB Entgelt-)Tarifverträge vereinbart.
5In dem zwischen dem Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen e.V. und der Gewerkschaft ver.di vereinbarten Mantelrahmentarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die Bundesrepublik Deutschland vom (MRTV Bund 2005) ist - ebenso wie in dem dessen Regelungen ersetzenden Mantelrahmentarifvertrag vom - für nach dem begründete befristete Arbeitsverträge in § 2 Nr. 6 geregelt, dass kalendermäßige Befristungen ohne Vorliegen eines Sachgrundes bis zur Dauer von 42 Monaten bei viermaliger Verlängerungsmöglichkeit zulässig sind.
6Am vereinbarten der Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen e.V. - Landesgruppe Nordrhein-Westfalen - und die Gewerkschaft ver.di - vertreten durch die Landesbezirksleitung Nordrhein-Westfalen - einen ab dem geltenden Manteltarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Nordrhein-Westfalen (MTV NRW 2006). Dieser gilt nach § 1 räumlich für das Land Nordrhein-Westfalen, fachlich für alle Betriebe des Wach- und Sicherheitsgewerbes sowie (ua.) für alle Bewachungsobjekte und Dienststellen, die in Nordrhein-Westfalen liegen, und persönlich für sämtliche in diesen Betrieben beschäftigten Arbeitnehmer. Der MTV NRW 2006 enthält keine Regelung zur Befristung von Arbeitsverträgen. Er bestimmt in § 7 unter „Kündigungsfristen“ auszugsweise:
7Am vereinbarten der Bundesverband der Sicherheitswirtschaft BDSW, in den der Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen e.V. umbenannt worden war, und ver.di einen neuen Mantelrahmentarifvertrag für Sicherheitsdienstleistungen in der Bundesrepublik Deutschland (MRTV Bund 2011), der den bis dahin geltenden Mantelrahmentarifvertrag zum bzw. im Hinblick auf einzelne Regelungen zum ablöste. Der MRTV Bund 2011 gilt nach § 1 MRTV Bund 2011 räumlich für die Bundesrepublik Deutschland, fachlich für alle Betriebe und selbständigen Betriebsabteilungen, die Sicherheitsdienstleistungen für Dritte durchführen (mit Ausnahme von Geld- und Werttransporten und Sicherheitsdienstleistungen an Verkehrsflughäfen), sowie persönlich für alle in diesen Bereichen beschäftigten Arbeitnehmer. Der MRTV Bund 2011 lautet auszugsweise:
8In der Protokollnotiz 1 zum MRTV Bund 2011 heißt es:
9Mit der am beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am zugestellten Klage hat der Kläger die Auffassung vertreten, die Befristung zum sei unwirksam. Die zweijährige Höchstbefristungsdauer für die sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG sei überschritten. Die in Buchst. A) der Protokollnotiz 1 zum MRTV Bund 2011 tariflich geregelte weitergehende Befristungsmöglichkeit finde auf sein Arbeitsverhältnis keine Anwendung. Die Bezugnahmeklausel in Nr. 3 des Arbeitsvertrags sei überraschend nach § 305c Abs. 1 BGB und intransparent iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Sie erfasse den MRTV Bund 2011 nicht, sondern allenfalls den spezielleren MTV NRW 2006, der eine Erweiterung der sachgrundlosen Befristungsmöglichkeit nicht vorsehe. Zumindest sei nach der Unklarheitenregelung in § 305c Abs. 2 BGB oder nach dem Günstigkeitsprinzip ausschließlich der MTV NRW 2006, nicht aber der MRTV Bund 2011 anzuwenden.
10Der Kläger hat beantragt
11Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
12Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.
Gründe
13Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückweisung der Berufung des Klägers. Das Landesarbeitsgericht hat das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht abgeändert und der Klage stattgegeben. Die Befristungskontrollklage, mit der der Kläger die Unwirksamkeit der zum vereinbarten Befristung geltend macht, ist nicht begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat aufgrund der Befristung am geendet. Die Befristung ist wirksam.
14I. Die Befristung ist zwar nicht nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG gerechtfertigt. Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines Sachgrundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Bis zu dieser Gesamtdauer ist nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 TzBfG die höchstens dreimalige Verlängerung des sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags zulässig. Die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG festgelegte Höchstbefristungsdauer ist nicht eingehalten. Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestand vom bis zum , also länger als zwei Jahre.
15II. Die Befristung ist aber nach § 14 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 TzBfG iVm. Buchst. A) der Protokollnotiz 1 zum MRTV Bund 2011 gerechtfertigt.
16Nach § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung durch Tarifvertrag abweichend von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG festgelegt werden. Dies ist durch Buchst. A) der Protokollnotiz 1 zum MRTV Bund 2011 geschehen. Danach ist bei vor dem begründeten Arbeitsverhältnissen die kalendermäßige Befristung des Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von 42 Monaten und bis zu dieser Gesamtdauer die höchstens viermalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrags zulässig. Diese tarifliche Regelung ist wirksam. Die Beklagte kann die Befristung auch auf diese Tarifbestimmung stützen. Die Parteien haben die Geltung von Buchst. A) der Protokollnotiz 1 zum MRTV Bund 2011 wirksam vereinbart (§ 14 Abs. 2 Satz 4 TzBfG). Die Voraussetzungen der Tarifbestimmungen liegen vor.
171. Die tarifliche Regelung in Buchst. A) der Protokollnotiz 1 zum MRTV Bund 2011 ist wirksam. Sie ist von der den Tarifvertragsparteien durch § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG eröffneten Regelungsbefugnis gedeckt.
18a) Der Wirksamkeit der Tarifbestimmung steht nicht entgegen, dass sowohl die Höchstdauer der Befristung als auch die Anzahl der Verlängerungen abweichend von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG geregelt sind. Nach § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG können durch Tarifvertrag nicht nur entweder die Höchstdauer der Befristung oder die Anzahl der Verlängerungen sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge, sondern kumulativ beide Vorgaben abweichend von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG geregelt werden (st. Rspr. des Senats, vgl. - Rn. 16; - 7 AZR 272/13 - Rn 20 ff.; - 7 AZR 184/11 - Rn. 17 ff., BAGE 143, 10).
19b) Die Festlegung einer Höchstbefristungsdauer von 42 Monaten bei viermaliger Verlängerungsmöglichkeit für sachgrundlose Befristungen in Buchst. A) der Protokollnotiz 1 zum MRTV Bund 2011 hält sich im Rahmen der Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien (so bereits zur inhaltsgleichen Regelung in § 2 Nr. 6 MRTV Bund 2005 - Rn. 15 ff., 32, BAGE 143, 10). Nach der Rechtsprechung des Senats kann durch Tarifvertrag geregelt werden, dass die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags bis zur Dauer von sechs Jahren und bis zu dieser Gesamtdauer die bis zu neunmalige Verlängerung eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags zulässig ist. Innerhalb dieses Gestaltungsrahmens können die Tarifvertragsparteien die Höchstdauer und die Anzahl der Vertragsverlängerungen abweichend von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG festlegen, ohne dass es insoweit einer besonderen Prüfung der branchentypischen Besonderheiten bedarf (vgl. hierzu ausführlich - Rn. 17, 31 ff.).
202. Die Beklagte kann die Befristung des Arbeitsvertrags zum auf Buchst. A) der Protokollnotiz 1 zum MRTV Bund 2011 stützen. Diese Tarifregelung findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.
21a) Die Parteien haben die Anwendung des MRTV Bund 2011 und damit auch der Protokollnotiz 1 nach § 14 Abs. 2 Satz 4 TzBfG einzelvertraglich wirksam vereinbart.
22aa) Die Parteien haben bei Abschluss der streitbefangenen Befristungsabrede vom - wie bereits bei Abschluss des ersten Verlängerungsvertrags vom 18./ - vereinbart, dass die weiteren Vertragsinhalte im Arbeitsvertrag vom Gültigkeit behalten. Dazu gehört die Vertragsbestimmung in Nr. 3, wonach die Einstellung - vorbehaltlich arbeitsvertraglicher Absprachen - auf der Grundlage der jeweils gültigen Mantel- und Mantelrahmentarifverträge für das Wach- und Sicherheitsgewerbe erfolgt.
23bb) Diese dynamische Bezugnahmeklausel erfasst den MRTV Bund 2011 einschließlich der Protokollnotiz 1, die am in Kraft getreten ist und bei Abschluss der letzten Verlängerungsabrede am galt. Die Auslegung der Vertragsbestimmung in Nr. 3 des Arbeitsvertrags vom ergibt, dass die Parteien die Anwendung sowohl des jeweils gültigen (bundesweit geltenden) Mantelrahmentarifvertrags als auch des jeweils gültigen auf Landesebene abgeschlossenen Manteltarifvertrags für das Wach- und Sicherheitsgewerbe vereinbart haben. Damit ist auch die Anwendung von Buchst. A) der Protokollnotiz 1 zum MRTV Bund 2011 auf das Arbeitsverhältnis vertraglich vereinbart. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts verbleiben keine „erheblichen Zweifel“ an dieser Auslegung iSv. § 305c Abs. 2 BGB.
24(1) Der Arbeitsvertrag enthält nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts Allgemeine Geschäftsbedingungen. Diese sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind ( - Rn. 13 mwN). Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss ( - Rn. 16 mwN). Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt einer uneingeschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung (vgl. - Rn. 17 mwN; - 7 AZR 924/12 - Rn. 43).
25(2) Danach haben die Parteien mit der Regelung in Nr. 3 des Arbeitsvertrags vom vereinbart, dass die jeweils gültigen Mantel- und Mantelrahmentarifverträge für das Wach- und Sicherheitsgewerbe nebeneinander auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden.
26(a) Diesem Verständnis steht nicht entgegen, dass es in Nr. 3 Satz 1 des Arbeitsvertrags heißt, „die Einstellung“ erfolge „auf der Grundlage der jeweils gültigen Mantel- und Mantelrahmentarifverträge“. Bereits die Überschrift der Vertragsbestimmung „Einbeziehung von Tarifverträgen“ macht deutlich, dass die genannten Tarifverträge in Bezug genommen sind und auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden sollen. Auch die weiteren Passagen der Vertragsbestimmung zu nachwirkenden Tarifverträgen und Tarifverträgen „entsprechenden Inhalts“ sprechen für dieses Verständnis. Insoweit ist ausdrücklich angeordnet, dass diese Tarifverträge „gelten“.
27(b) Die Regelung in Nr. 3 des Arbeitsvertrags ist so zu verstehen, dass die jeweils gültigen Mantel- und Mantelrahmentarifverträge für das Wach- und Sicherheitsgewerbe nebeneinander auf das Arbeitsverhältnis anwendbar sind.
28(aa) Bereits der Wortlaut von Nr. 3 Satz 1 des Arbeitsvertrags spricht für dieses Verständnis. Die Tarifvertragsparteien des Wach- und Sicherheitsgewerbes verwenden für die Tarifverträge auf den verschiedenen „Ebenen“ unterschiedliche Bezeichnungen - „Mantelrahmentarifvertrag“ auf Bundesebene, „Manteltarifvertrag“ auf Landesebene. Die Bestimmung in Nr. 3 Satz 1 des Arbeitsvertrags verwendet den Plural dieser Bezeichnungen und bestimmt durch das Wort „und“, dass beide nebeneinander gelten sollen.
29(bb) Dieses Auslegungsergebnis entspricht dem Verhältnis von Mantelrahmentarifvertrag und Manteltarifvertrag. Beide Tarifverträge sind von denselben Tarifvertragsparteien abgeschlossen. Die Vorschriften des bundesweit geltenden Mantelrahmentarifvertrags bilden in Bezug auf die in ihm enthaltenen Regelungsgegenstände den Rahmen, der durch gesonderte Regelungen im Manteltarifvertrag auf Landesebene ergänzt und näher ausgestaltet wird. So regelt der MTV NRW 2006 innerhalb des durch den MRTV Bund vorgegebenen Rahmens weitere Einzelheiten der Arbeitsbedingungen, für die der MRTV Bund Raum lässt. Der MRTV Bund 2011 verweist zB in § 2 Nr. 3.2, § 5 Abs. 2 für Regelungsgegenstände, die in ihm nicht abschließend geregelt sind, auf die Bestimmungen des jeweiligen länderspezifischen Manteltarifvertrags; § 6 Nr. 2 MRTV Bund 2011 lässt im Hinblick auf die Regelarbeitszeiten in § 6 Nr. 1.1 bis 1.8 abweichende länderspezifische Regelungen zu. Die Tarifverträge haben damit einen sich ergänzenden Regelungsinhalt. Dies gilt auch für die sowohl im MRTV Bund als auch im MTV NRW 2006 geregelten Kündigungsfristen. § 7 Nr. 1 MTV NRW 2006 verweist für die Kündigungsfristen auf den MRTV Bund 2005; § 7 Nr. 2 MTV NRW 2006 enthält eigenständige Bestimmungen für „nach Ablauf von fünf Jahren des Arbeitsverhältnisses“ geltende Kündigungsfristen. Im MRTV Bund 2005 waren in § 2 Nr. 4 und 5 Kündigungsfristen nur für die ersten fünf Jahre des Beschäftigungsverhältnisses geregelt, darüber hinaus war auf die länderspezifischen Regelungen verwiesen. Auch im MRTV Bund 2011 finden sich Bestimmungen hierzu in § 2 Nr. 3; nach § 2 Nr. 3.2 gelten ab dem sechsten Jahr des Beschäftigungsverhältnisses die Kündigungsfristen gemäß den „länderspezifischen Tarifverträgen“. Danach trifft der MTV NRW 2006 im Bereich der Kündigungsfristen lediglich ergänzende Regelungen für den Bereich, den der MRTV Bund nicht regelt oder für den der MRTV Bund auf Regelungen in „länderspezifischen Tarifverträgen“ verweist. Demzufolge ist die Bezugnahmeklausel in Nr. 3 des Arbeitsvertrags darauf gerichtet, beide Tarifverträge nebeneinander auf das Arbeitsverhältnis zur Anwendung zu bringen.
30(cc) Vor diesem Hintergrund hat das Landesarbeitsgericht zu Unrecht angenommen, die vertragliche Bezugnahmeklausel lasse sich auch so auslegen, dass die im MRTV Bund 2011 und im MTV NRW 2006 enthaltenen Regelungen mangels einer Kollisionsregel nur dann auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien Anwendung finden sollen, wenn sie deckungsgleich sind oder jedenfalls keinen sich widersprechenden Inhalt haben. Dieses Verständnis findet schon im Wortlaut der Bezugnahmeklausel keine Stütze. Die Vertragsbestimmung sieht eine solche Einschränkung der Bezugnahme auf die genannten Tarifverträge nicht vor. Zudem hat das Landesarbeitsgericht nicht berücksichtigt, dass der MRTV Bund 2011 und der MTV NRW 2006 einander ergänzen sollen und deshalb Normenkollisionen von vornherein vermieden werden.
31cc) Die Bezugnahmeklausel in Nr. 3 des Arbeitsvertrags ist nicht überraschend iSd. § 305c Abs. 1 BGB, so dass sie Vertragsbestandteil geworden ist. Dynamische Verweisungen auf einschlägige Tarifverträge sind im Arbeitsleben als Gestaltungsinstrument so verbreitet, dass ihre Aufnahme in Formularverträge nicht iSd. § 305c Abs. 1 BGB überraschend ist ( - Rn. 39; - 7 AZR 771/12 - Rn. 24, BAGE 148, 357; - 6 AZR 76/07 - Rn. 20 mwN, BAGE 128, 73).
32dd) Die Bezugnahmeklausel in Nr. 3 des Arbeitsvertrags verletzt nicht das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
33(1) Eine Verweisung auf Vorschriften eines anderen Regelungswerks führt für sich genommen nicht zur Intransparenz. Das Bestimmtheitsgebot als maßgebliche Ausprägung des Transparenzgebots verlangt lediglich, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender der Klausel keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen und der Gefahr vorgebeugt wird, dass der Vertragspartner von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird (vgl. - Rn. 30 mwN, BAGE 128, 73). Im Zeitpunkt der jeweiligen Anwendung müssen die geltenden, in Bezug genommenen Regelungen bestimmbar sein (vgl. - Rn. 39; - 7 AZR 272/13 - Rn. 39). Das ist zur Wahrung des Transparenzgebots für Klauseln, die auf einen bestimmten bzw. bestimmbaren Tarifvertrag oder ein bestimmtes bzw. bestimmbares tarifliches Regelwerk im Sinne einer Einheit aus Mantel-, Entgelt- und sonstigen Einzeltarifverträgen verweisen, ausreichend (vgl. - Rn. 30, BAGE 144, 306).
34(2) Eine Regelung, die auf einen Tarifvertrag verweist, ist weder unverständlich noch unklar. Dies gilt auch dann, wenn die Verweisung dynamisch ausgestaltet ist. Bezugnahmeklauseln auf das jeweils gültige Tarifrecht entsprechen einer üblichen Regelungstechnik und dienen den Interessen beider Parteien. Dies ergibt sich aus der Zukunftsgerichtetheit des Arbeitsverhältnisses. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG genügt deshalb der bloße allgemeine Hinweis auf Tarifverträge (vgl. - Rn. 38; - 6 AZR 76/07 - Rn. 31 mwN, BAGE 128, 73). Welche konkreten tariflichen Regelungen jeweils das Arbeitsverhältnis ausfüllen sollen, ist von den Arbeitnehmern durch Einsicht in die Tarifverträge feststellbar ( - Rn. 39).
35(3) Die Bezugnahmeklausel in Nr. 3 des Arbeitsvertrags ist danach für den Kläger weder unverständlich noch unklar. Welche konkreten tariflichen Regelungen jeweils das Arbeitsverhältnis ausfüllen sollen, ist für ihn feststellbar. Die in Bezug genommenen Tarifverträge bestehen nebeneinander und treffen keine miteinander unvereinbaren Bestimmungen. Daher ist auch ein arbeitsvertraglicher Verweis auf ihre Geltung nicht unklar.
36(4) Die Bezugnahmeklausel ist auch nicht deshalb intransparent, weil sie keine Kollisionsregel enthält. Zwar bedarf eine Bezugnahmeklausel, mit der mehrere eigenständige tarifliche Regelwerke gleichzeitig auf das Arbeitsverhältnis zur Anwendung gebracht werden sollen, zur Gewährleistung ihrer hinreichenden Bestimmtheit einer Kollisionsregel, der sich entnehmen lässt, welches der mehreren in Bezug genommenen tariflichen Regelwerke bei sich widersprechenden Regelungen den Vorrang haben soll (vgl. - Rn. 30, BAGE 144, 306). Im Streitfall verweist die vertragliche Bezugnahmeklausel allerdings nicht auf Tarifverträge unterschiedlicher Koalitionen. Vielmehr handelt es sich bei den Tarifverträgen, die die Verweisungsklausel in Bezug nimmt, um ein aufeinander abgestimmtes Regelwerk aus Mantelrahmentarifvertrag und Manteltarifvertrag derselben Tarifvertragsparteien. Einer Kollisionsregel bedarf es daher nicht.
37ee) Da lediglich der MRTV Bund, nicht jedoch der MTV NRW 2006 Regelungen zur sachgrundlosen Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG enthält, besteht keine Tarifkonkurrenz, die nach dem Spezialitätsprinzip aufzulösen wäre (vgl. dazu etwa - Rn. 33, BAGE 150, 97). Ebenso wenig ergibt sich aus dem Günstigkeitsprinzip, dass ausschließlich die Regelungen des MTV NRW 2006 für das Arbeitsverhältnis gelten, die eine Erweiterung der sachgrundlosen Befristungsmöglichkeit nach § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG nicht vorsehen. Es liegt keine Kollision zwischen kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit für das Arbeitsverhältnis der Parteien normativ geltenden Tarifbestimmungen und arbeitsvertraglichen Regelungen vor, die nach dem Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 TVG) aufzulösen sein könnte.
38b) Die Parteien haben die Anwendung des MRTV Bund 2011 in dessen Geltungsbereich iSv. § 14 Abs. 2 Satz 4 TzBfG vereinbart (vgl. dazu - Rn. 36). Nach § 1 MRTV Bund 2011 gilt dieser für alle Betriebe und selbständigen Betriebsabteilungen in der Bundesrepublik Deutschland, die Sicherheitsdienstleistungen für Dritte durchführen (mit Ausnahme von Geld- und Werttransporten und Sicherheitsdienstleistungen an Verkehrsflughäfen), und die in diesen Bereichen beschäftigten Arbeitnehmer. Die Parteien unterfielen daher bei angenommener beidseitiger Tarifgebundenheit dem räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich des MRTV Bund 2011.
393. Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Befristung nach Buchst. A) der Protokollnotiz 1 zum MRTV Bund 2011 sind erfüllt. Danach konnten befristete Arbeitsverhältnisse, die vor dem begründet wurden, ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von 42 Monaten befristet werden, wobei bis zu dieser Gesamtdauer die höchstens viermalige Verlängerung zulässig war. Diese Voraussetzungen liegen vor. Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestand vom bis zum . Die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses von 36 Monaten überschreitet die nach der tariflichen Regelung zulässige Höchstdauer von 42 Monaten nicht. Das zunächst zum befristete Arbeitsverhältnis wurde zweimal verlängert.
404. Der Befristung steht nicht entgegen, dass die Protokollnotiz 1 zum MRTV Bund 2011 bei Abschluss des Ausgangsvertrags am noch nicht galt, sondern erst während des Arbeitsverhältnisses am in Kraft trat. Die Wirksamkeit einer Befristung richtet sich nach der im Zeitpunkt ihrer Vereinbarung bestehenden Rechtslage. Das gilt auch für die in einem Verlängerungsvertrag vereinbarte Befristung ( - Rn. 47 mwN). Bei Abschluss der Verlängerungsvereinbarung am fand Buchst. A) der Protokollnotiz 1 zum MRTV Bund 2011 auf das vor dem begründete, befristete Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.
41III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2017:140617.U.7AZR627.15.0
Fundstelle(n):
UAAAG-60476