BAG Urteil v. - 9 AZR 852/16

Instanzenzug: Az: 56 Ca 14499/15 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 17 Sa 1050/16 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über den Umfang der Unterrichtsverpflichtung der Klägerin, insbesondere darüber, ob die Klägerin einen Teil des Unterrichts im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses oder eines Arbeitsverhältnisses erteilt.

2Das beklagte Land beschäftigt die Klägerin seit dem auf der Grundlage eines vom selben Tage datierenden Arbeitsvertrags als Musikschullehrerin mit 50 vH der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit. Daneben erteilt die Klägerin seit dem an derselben Musikschule, an der sie auf der Grundlage des Arbeitsvertrags tätig ist, in zeitlich unterschiedlichem Umfang Musikunterricht, zunächst aufgrund von „Dienstverträgen“ und zuletzt aufgrund eines „Honorarvertrags“. Unabhängig davon, auf welcher Grundlage die Klägerin Unterricht erteilt, schließen die von der Klägerin unterrichteten Musikschüler mit dem beklagten Land gleichlautende Unterrichtsverträge.

3Im Rahmen des mit dem beklagten Land bestehenden Arbeitsverhältnisses nimmt die Klägerin seit dem die Aufgaben einer Leiterin des Fachbereichs „Elementare Musikerziehung“ wahr. Außerdem unterrichtet sie Schüler der Musikschule am Klavier und in der „Elementaren Musikpädagogik“.

4In den Jahren 2003 bis 2012 berechnete das beklagte Land Entgelte für Mehrarbeitsstunden, die die Klägerin im Arbeitsverhältnis leistete, teilweise als „Honorare“ nach und brachte Entgelte für Fehlstunden im Arbeitsverhältnis teilweise bei der Honorarabrechnung in Abzug.

5Im „Honorarvertrag“ der Parteien vom 27. März/, der seiner Einleitung nach den vorangegangenen „Dienstvertrag“ mit Wirkung vom ersetzt, heißt es ua.:

6Die Klägerin ist der Auffassung gewesen, ein Nebeneinander von Arbeits- und Dienstvertrag sei, wie in § 2 Abs. 2 TV-L normiert, rechtlich ausgeschlossen. Die im Arbeitsverhältnis bestehende persönliche Abhängigkeit bestehe auch im Hinblick auf die Tätigkeiten, die sie im Rahmen des vermeintlichen Honorarvertrags schulde. Unabhängig von der vertraglichen Grundlage erteile sie Unterricht, wirke bei Vorspielen der Musikschule mit und nehme an Veranstaltungen wie Elterngesprächen, Musikschulfreizeiten und Dienstberatungen in gleicher Weise teil. Sie müsse sich an die vom Verband deutscher Musikschulen e. V. herausgegebenen Lehrpläne halten. Der Inhalt und die Formalien einer studienvorbereitenden Ausbildung seien ihr im Einzelnen vorgegeben. Insgesamt sei sie für das beklagte Land in einem einheitlichen Arbeitsverhältnis wöchentlich durchschnittlich 31,45 Wochenstunden tätig, was einer Teilzeitquote von 24,19/30 entspreche.

7Die Klägerin hat beantragt

8Das beklagte Land hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, ein Musikschullehrer könne seine Tätigkeit sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses ausüben. Wenn es den Parteien aber frei gestanden habe, den Vertragstypus festzulegen, sei es rechtlich unbedenklich, eine Vertragskonstruktion zu wählen, die die Tätigkeit unterschiedlichen Vertragstypen zuordne.

9Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

Gründe

10Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Zwischen den Parteien besteht kein einheitliches Arbeitsverhältnis. Das beklagte Land beschäftigt die Klägerin nur im Umfang von 50 vH der für Vollzeitkräfte maßgeblichen Arbeitszeit als Arbeitnehmerin. Im Hinblick auf die darüber hinausgehende Tätigkeit als Musikschullehrerin liegt ein freies Mitarbeiterverhältnis vor.

11I. Streitgegenstand des Urteils des Landesarbeitsgerichts und Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Frage, ob zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht der Umfang der Beschäftigung über die zwischen den Parteien unstreitige Teilzeitquote (halbe Stelle = 15/30 einer Vollzeitstelle) hinaus weitere 9,19/30 einer Vollzeitstelle beträgt.

121. Die Klägerin begehrt die gegenwartsbezogene Klärung des Beschäftigungsumfangs. Nicht Gegenstand des Rechtsstreits ist, ob seit Beginn des Arbeitsverhältnisses im Jahr 1981 die von der Klägerin behauptete Teilzeitquote vereinbart war. Dies ergibt die Auslegung des Klageantrags zu 1.

13a) Bei der Feststellung, welches Rechtsschutzbegehren aufgrund welchen Lebenssachverhalts und damit welchen Streitgegenstand die Klagepartei dem Gericht unterbreitet hat, sind die für die Auslegung von Willenserklärungen im Prozessrecht maßgeblichen Grundsätze anzuwenden. Prozesserklärungen sind danach im Zweifel so auszulegen, dass dasjenige gewollt ist, was aus Sicht der Prozessparteien nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht. Jedoch sind auch die schutzwürdigen Belange des Erklärungsadressaten zu berücksichtigen. Das verbietet es, eindeutigen Erklärungen nachträglich einen Sinn zu geben, der dem Interesse des Erklärenden am besten dient. Zur Auslegung der entsprechenden Prozesserklärung ist auch das Revisionsgericht befugt ( - Rn. 17).

14b) Nach diesen Grundsätzen hat der Antrag der Klägerin allein die gegenwartsbezogene Feststellung ihres Beschäftigungsumfangs zum Gegenstand. Der Wortlaut des Antrags, „festzustellen“, dass die Klägerin in einem „Arbeitsverhältnis … steht“, enthält keinen Bezug auf die Vergangenheit, insbesondere ist ihm kein Datum zu entnehmen, das den Beginn eines bestimmten Zeitraums kennzeichnete. Das vom Antragswortlaut vorgegebene Auslegungsergebnis wird durch die im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht abgegebene Erklärung der Klägerin bestätigt. Ausweislich des Sitzungsprotokolls hat sich die Klägerin dahin gehend geäußert, sie gehe von einem einheitlichen Arbeitsverhältnis seit dem aus. Damit bezieht sie sich allein auf ihre Ankündigung in der Klageschrift vom und im Schriftsatz vom , in dem sie unter Bezugnahme auf die Entscheidung des - 5 AZR 706/05 - BAGE 120, 104) mitgeteilt hat, zu einem späteren Zeitpunkt den „Zeitraum im Sinne der Rechtsprechung des BAG“ klarzustellen. Dass die Klägerin den Zeitraum zu Protokoll erklärte, ihn aber nicht in den anschließend zur Entscheidung gestellten Klageantrag zu 1. aufnahm, belegt, dass sie an dem Gegenwartsbezug des Streitgegenstands hat festhalten und lediglich ihrer Obliegenheit hat nachkommen wollen, das beklagte Land darüber zu informieren, für welchen Zeitraum sie sich eine Neuberechnung der ausgetauschten Leistungen vorbehält.

152. Der Klageantrag zu 1. ist ungeachtet seines weiten Wortlauts dahin gehend auszulegen, dass die Klägerin lediglich die Feststellung einer 15/30 einer Vollzeitstelle übersteigenden Teilzeitquote, also die Feststellung einer Teilzeitquote von 9,19/30 einer Vollzeitstelle begehrt. Das ergibt sich aus der Klagebegründung. Streitig ist zwischen den Parteien nicht das „Ob“ des Arbeitsverhältnisses, sondern lediglich dessen Umfang. Das beklagte Land bestreitet nicht, dass die Klägerin bei ihr in Teilzeit beschäftigt ist. Uneinigkeit herrscht zwischen den Parteien lediglich in Bezug auf den Umfang der Teilzeit. Ginge man davon aus, die Klägerin erstrebe eine gerichtliche Feststellung auch hinsichtlich des unstreitigen Teils des Arbeitsverhältnisses, wäre die Klage insoweit mangels Feststellungsinteresses teilweise unzulässig (§ 256 Abs. 1 ZPO). Eine solche Feststellung ist aber ersichtlich von der Klägerin nicht gewollt.

16II. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Tätigkeit der Klägerin stellt, soweit sie über den im Arbeitsvertrag vom vereinbarten Umfang hinausgeht, eine solche in freier Mitarbeit dar. Mit Abschluss des Honorarvertrags vom 27. März/ vereinbarten die Parteien neben dem fortbestehenden Arbeitsverhältnis ein freies Dienstverhältnis iSd. § 611 BGB. Der auf vorläufige Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens gerichtete unechte Hilfsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.

171. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend von den rechtlichen Grundsätzen ausgegangen, die das Bundesarbeitsgericht zur Abgrenzung eines Arbeitsverhältnisses von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters aufgestellt hat.

18a) Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich von dem Rechtsverhältnis eines freien Dienstnehmers durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 HGB). Dabei hat auch die Eigenart der jeweiligen Tätigkeit Einfluss auf den Grad der persönlichen Abhängigkeit. Letztlich kommt es für die Beantwortung der Frage, welches Rechtsverhältnis im konkreten Fall vorliegt, auf eine Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls an. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Die zwingenden gesetzlichen Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass die Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben. Der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist letztere maßgeblich, weil sich aus der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen am ehesten Rückschlüsse darauf ziehen lassen, von welchen Rechten und Pflichten die Vertragsparteien ausgegangen sind, was sie also wirklich gewollt haben ( - Rn. 16). Die neu eingefügte Vorschrift des § 611a BGB spiegelt diese Rechtsgrundsätze wider.

19b) Für den schulischen Bereich hat die Rechtsprechung die Kriterien, anhand deren der Arbeitsvertrag vom freien Dienstvertrag abzugrenzen ist, in mehreren Entscheidungen konkretisiert. Maßgeblich ist danach, wie intensiv die Lehrkraft in den Unterrichtsbetrieb eingebunden ist, in welchem Umfang sie den Unterrichtsinhalt, die Art und Weise der Unterrichtserteilung, ihre Arbeitszeit und die sonstigen Umstände der Dienstleistung mitgestalten und inwieweit sie zu Nebenarbeiten herangezogen werden kann (vgl.  - Rn. 19 mwN). Für Lehrkräfte außerhalb von Universitäten und Hochschulen geht das Bundesarbeitsgericht davon aus, dass diejenigen, die an allgemeinbildenden Schulen unterrichten, in aller Regel Arbeitnehmer sind, auch wenn es sich bei ihrem Unterricht um eine nebenberufliche Tätigkeit handelt (vgl.  - zu B I 1 der Gründe, BAGE 37, 305; - 5 AZR 460/71 -). Demgegenüber können Volkshochschuldozenten, die außerhalb schulischer Lehrgänge unterrichten, auch als freie Mitarbeiter beschäftigt werden, und zwar selbst dann, wenn es sich bei ihrem Unterricht um aufeinander abgestimmte Kurse mit vorher festgelegtem Programm handelt (vgl.  - zu II 2 a der Gründe). Gleiches gilt für Lehrkräfte an Musikschulen (vgl.  - zu II der Gründe). Anders als im Falle der allgemeinbildenden Schulen besteht für Musikschulen kein Schulzwang, es gibt im Regelfall keine förmlichen Abschlüsse, der Unterricht ist zumeist weniger reglementiert, das Ausmaß der Kontrolle durch den Unterrichtsträger und der Umfang der erforderlichen Nebenarbeiten geringer. Als Arbeitnehmer sind Musikschullehrer deshalb nur dann anzusehen, wenn die Vertragsparteien dies vereinbart haben oder im Einzelfall festzustellende Umstände hinzutreten, die auf den für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses erforderlichen Grad persönlicher Abhängigkeit schließen lassen. Als solche Umstände kommen das Recht des Schulträgers, die zeitliche Lage der Unterrichtsstunden einseitig zu bestimmen, den Unterrichtsgegenstand oder Art und Ausmaß der Nebenarbeiten einseitig festzulegen, eine intensivere Kontrolle nicht nur des jeweiligen Leistungsstands der Schüler, sondern auch des Unterrichts selbst oder die Inanspruchnahme sonstiger Weisungsrechte in Betracht (vgl.  - zu II 2 b bb der Gründe).

202. In Anwendung dieser Grundsätze hat das Landesarbeitsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, die Klägerin sei nicht als Arbeitnehmerin, sondern als freie Dienstnehmerin anzusehen, soweit sie über den im Arbeitsvertrag vom vereinbarten Umfang hinaus für das beklagte Land tätig werde.

21a) Die Tatsacheninstanzen haben bei der Prüfung des Arbeitnehmerstatus einen weiten Beurteilungsspielraum. Ihre Würdigung ist nur daraufhin zu überprüfen, ob sie den Rechtsbegriff des Arbeitnehmers selbst verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt, bei der Subsumtion den Rechtsbegriff wieder aufgegeben oder wesentliche Umstände außer Betracht gelassen haben ( - Rn. 21 mwN).

22b) Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand.

23aa) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht seiner Beurteilung den Honorarvertrag, der den vorangegangenen Dienstvertrag ersetzte, zugrunde gelegt.

24bb) Der Honorarvertrag, den die Parteien unter dem 27. März/ schlossen, zielt auf die Begründung eines Rechtsverhältnisses als freie Dienstnehmerin. Hinsichtlich der späteren Durchführung des Vertrags hat das Landesarbeitsgericht keine Tatsachen festgestellt, die eine abweichende Bewertung rechtfertigen. Die Gesamtwürdigung, an deren Ende das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangt ist, die Parteien hätten mit dem Honorarvertrag einen Vertrag über eine freie Dienstleistung geschlossen, ist daher nicht zu beanstanden.

25(1) Die von den Parteien gewählte Kennzeichnung des Vertrags als „Honorarvertrag“ und der Vertragsparteien als „Vertragspartner/in 1“ und „Vertragspartner/in 2“ weist auf einen freien Dienstvertrag hin. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 des Honorarvertrags wird die Klägerin als „freie Mitarbeiterin“ tätig. Der Vorrang der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen vor der formalen Vertragstypenwahl durch die Parteien bedeutet nicht, dass die Entscheidung der Parteien für eine bestimmte Art von Vertrag irrelevant wäre. Kann die vertraglich vereinbarte Tätigkeit - wie im Streitfall - typologisch sowohl in einem Arbeitsverhältnis als auch selbstständig erbracht werden, ist die Entscheidung der Vertragsparteien für einen bestimmten Vertragstypus im Rahmen der bei jeder Statusbeurteilung erforderlichen Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen ( - Rn. 19).

26(2) Der Honorarvertrag räumt der Musikschule keinerlei Weisungsrechte ein. Vielmehr bestimmt § 3 Abs. 2 Satz 1 des Honorarvertrags, dass die Klägerin bei der Gestaltung und Durchführung ihres Unterrichts frei und an Weisungen der Musikschule nicht gebunden ist. Darüber hinaus ist die Musikschule nicht befugt, der Klägerin Weisungen hinsichtlich der dem Unterricht zugrunde zu legenden Lehrpläne zu erteilen. In dieser Hinsicht haben die Vertragsparteien Einvernehmen zu erzielen (§ 3 Abs. 2 Satz 2 des Honorarvertrags). Im Einzelunterricht ist es das Recht der Klägerin, die Unterrichtstermine frei mit den Schülern zu vereinbaren (§ 4 Abs. 1 Satz 1 des Honorarvertrags). Bei sonstigen Unterrichtsformen oder Tätigkeiten stellen die Vertragsparteien hierüber Einvernehmen her (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 des Honorarvertrags). Soweit § 3 Abs. 3 Satz 1 des Honorarvertrags vorsieht, dass während der Schulferien dem Grundsatz nach kein Unterricht stattfindet, ist dies Gegenstand der Leistungsvereinbarung und nicht Ausfluss eines Weisungsrechts, das der Musikschule zustünde. Die Vereinbarung unter § 4 Abs. 2 Satz 1 des Honorarvertrags, der zufolge die Musikschule im Rahmen ihrer Möglichkeiten der Klägerin Räumlichkeiten zur Verfügung stellt, erweitert die Handlungsmöglichkeiten der Klägerin, ohne der Musikschule ein Weisungsrecht hinsichtlich des Orts, an dem die Klägerin ihre Tätigkeiten zu erbringen hat, einzuräumen.

27(3) Auch die vertraglichen Regelungen zum Ausfall von Unterricht legen die Annahme eines freien Dienstvertrags nahe. Der Vertrag enthält keinerlei Bestimmungen, die die Klägerin verpflichteten, der Musikschule eine Verhinderung, etwa infolge von Krankheit, anzuzeigen. Anders als ein Arbeitnehmer (vgl.  - Rn. 22, BAGE 154, 100) ist die Klägerin darüber hinaus dem Grundsatz nach verpflichtet, ausgefallenen Unterricht nachzuholen (§ 6 Abs. 1 des Honorarvertrags).

28(4) Gegen die Ansicht der Klägerin, der Honorarvertrag sei der Sache nach ein Arbeitsvertrag, spricht schließlich § 7 des Honorarvertrags. Danach stehen der Klägerin für den Fall, dass sie eine arbeitnehmerähnliche Person sein sollte, bestimmte Honorar- und Urlaubsansprüche zu. Einer solchen Regelung hätte es nicht bedurft, wenn die Parteien bei Abschluss des Honorarvertrags ein Arbeitsverhältnis hätten begründen wollen.

29(5) Ein weiteres Indiz für einen Vertragswillen, der auf die Vereinbarung eines Rechtsverhältnisses als freie Mitarbeiterin gerichtet ist, findet sich in § 3 Abs. 2 Satz 3 des Honorarvertrags. Danach ist die Klägerin verpflichtet, die für den Unterricht erforderlichen Materialien zu beschaffen oder durch die zu unterrichtenden Musikschüler beschaffen zu lassen (vgl.  - Rn. 29).

30(6) Für den Status als freie Mitarbeiterin unerheblich ist § 5 des Honorarvertrags. Hiernach ist von der Klägerin eine Leistungsabrechnung zu erstellen (vgl. § 5 Abs. 2 des Honorarvertrags). Zu vergüten sind - abgesehen von den Regelungen der §§ 6 und 7 - nach § 5 Abs. 4 des Honorarvertrags ausschließlich erbrachte Leistungen. Die Art der Vergütung spielt für die Abgrenzung eines Dienstvertrags von einem Arbeitsvertrag keine Rolle, da sich die persönliche Abhängigkeit des Verpflichteten danach bestimmt, inwieweit die Ausführung der versprochenen Dienste weisungsgebunden und damit fremdbestimmt erfolgt. Entscheidend sind demnach allein die Umstände der Dienstleistung, nicht aber die Modalitäten der Entgeltzahlung (vgl.  - Rn. 29).

31(7) Nicht zwingend für ein Arbeitsverhältnis spricht, dass die Klägerin gemäß § 3 Abs. 1 des Honorarvertrags verpflichtet ist, die vereinbarten Einzelaufträge persönlich wahrzunehmen. Zwar ist es typisch für ein Arbeitsverhältnis, dass der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung persönlich zu erbringen hat (vgl. § 613 BGB). Allerdings ist dem Dienstvertragsrecht eine Verpflichtung zur persönlichen Leistungserbringung nicht fremd. Dies gilt vor allem in Fällen der Erteilung von Unterricht, in denen es - wie hier - auf ein persönliches Verhältnis zwischen Schüler und Lehrer ankommt.

32cc) Das Landesarbeitsgericht hat keinerlei Tatsachen festgestellt, die darauf schließen lassen, dass die tatsächliche Durchführung des Honorarvertrags von den Bestimmungen des Honorarvertrags abweicht. Die Klägerin hat schon nicht dargelegt, die Musikschule habe in Überschreitung der ihr aufgrund des Honorarvertrags zustehenden Befugnisse Weisungsrechte für sich in Anspruch genommen und ihr Vorgaben hinsichtlich des Inhalts, der Zeit oder des Orts ihrer Tätigkeit gemacht. Soweit die Klägerin geltend macht, das beklagte Land habe erwartet, dass sie sich an der studienvorbereitenden Ausbildung und an Vorspielen ihrer Schüler in gleicher Weise wie im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses beteiligt, übersieht sie, dass die Äußerung von Erwartungen mit der Erteilung von Weisungen nicht identisch ist. Soweit die Klägerin ausführt, die Leiterin der Musikschule habe sie darauf hingewiesen, mit dem Honorar gemäß §§ 5 und 6 des Honorarvertrags seien auch die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts, die Teilnahme an Vorspielen, Schulkonferenzen sowie Elterngesprächen abgegolten, ist dies eine Mitteilung über die Vergütungsstruktur, ohne entsprechende Handlungspflichten der Klägerin zu begründen. Hinsichtlich des Vortrags, der Inhalt und die Formalien einer studienvorbereitenden Ausbildung seien vorgegeben, fehlt es ebenso an der Darlegung, das beklagte Land habe ihr in Bezug auf die nach dem Honorarvertrag geschuldete Tätigkeit entsprechende Weisungen erteilt, wie hinsichtlich des Vortrags, sie habe an Musikschulfreizeiten, Musikwettbewerben, Dienstberatungen und anderen Veranstaltungen der Musikschule teilgenommen. Gleiches gilt für die Darlegung, Schüler seien wechselnd auf der Grundlage des Arbeitsvertrags und des Honorarvertrags unterrichtet worden. Die teilweise Verrechnung von Arbeitsentgelt, das als Saldo aus „Minus- und Plusstunden“ im Arbeitsverhältnis resultiert, mit dem Honoraranspruch aus dem Dienstvertrag rechtfertigt keine abweichende Entscheidung, da sämtliche Verrechnungen in den Jahren 2003 bis 2012 erfolgten und damit vor Geltung des Honorarvertrags vom 27. März/, den die Parteien mit Wirkung zum schlossen. Schließlich hat die Klägerin nicht dargelegt, dass etwaige Abweichungen der Vertragspraxis vom Vertragsinhalt von dem Willen der am Abschluss des Honorarvertrags beteiligten Parteien umfasst waren. Die Vertragspraxis lässt nämlich nur dann Rückschlüsse auf den wirklichen Geschäftswillen der Vertragsparteien zu, wenn die zum Vertragsabschluss berechtigten Personen die vom Vertragswortlaut abweichende Vertragspraxis kennen und sie zumindest billigen (vgl.  - Rn. 45). So hat die Klägerin die auf Seiten des beklagten Landes zur Vertragsänderung befugten Personen nicht benannt.

333. Die Einwände, die die Klägerin erhebt, verhelfen der Revision nicht zum Erfolg.

34a) Soweit die Klägerin geltend macht, für die Musikschüler habe es keinen Unterschied gemacht, ob sie den Unterricht auf der Grundlage des Arbeitsvertrags oder auf der Grundlage des Honorarvertrags erbracht habe, verkennt sie, dass es für die Abgrenzung verschiedener Vertragstypen nicht auf die Außenwirkung gegenüber Dritten, sondern allein auf die rechtlichen Befugnisse der Vertragsparteien im Innenverhältnis ankommt. Die Befugnisse, die der Honorarvertrag der Musikschule einräumt, sind nicht die eines Arbeitgebers, sondern solche eines Dienstberechtigten.

35b) Der Umstand, dass die Klägerin neben dem Dienstverhältnis in einem Arbeitsverhältnis zum beklagten Land steht, ist nicht entscheidungserheblich. Ebenso wie ein Arbeitnehmer mehrere Arbeitsverhältnisse (vgl.  - Rn. 49) - auch zu ein und demselben Arbeitgeber (vgl. § 2 Abs. 2 TV-L) - eingehen kann, ist es rechtlich nicht von vornherein ausgeschlossen, dass er zur selben Person in einem Arbeitsverhältnis und darüber hinaus in einem Dienstverhältnis steht. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass das dem Arbeitgeber aufgrund des Arbeitsvertrags zustehende Weisungsrecht - wie hier - nicht für die Tätigkeiten gilt, die der Vertragspartner aufgrund des Dienstverhältnisses schuldet. Wollte man anders entscheiden, beschnitte dies in unzulässiger Weise die verfassungsrechtlich verbürgte Vertragsfreiheit der Parteien (Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG). Denn es stände nicht länger in ihrer Rechtsmacht, neben einem bereits bestehenden Arbeitsverhältnis ein Dienstverhältnis zu begründen. Für eine derartige Einschränkung der Vertragsfreiheit, die sich in der Praxis nicht nur zulasten des beklagten Landes, sondern auch zulasten der Klägerin auswirkte, fehlt es an der erforderlichen Rechtsgrundlage.

36c) Die tarifvertragliche Regelung des § 2 Abs. 2 TV-L, die kraft beiderseitiger Tarifbindung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet, gibt kein anderes Ergebnis vor. Gemäß § 2 Abs. 2 TV-L dürfen mehrere Arbeitsverhältnisse zu demselben Arbeitgeber nur begründet werden, wenn die jeweils übertragenen Tätigkeiten nicht in einem unmittelbaren Sachzusammenhang stehen; andernfalls gelten sie als ein Arbeitsverhältnis. Mehrere Arbeitsverhältnisse zu demselben Arbeitgeber liegen im Streitfall nicht vor. Die Parteien verbindet ein Arbeitsverhältnis und ein freies Dienstverhältnis.

37III. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2017:270617.U.9AZR852.16.0

Fundstelle(n):
NAAAG-60247