Zur Ermessensausübung bei der Entscheidung des FA über die Erweiterung des Prüfungszeitraums für einen K-Betrieb bei Erwartung
nicht unerheblicher Mehrsteuern
Leitsatz
1. Bei einer durch gesonderte Prüfungsanordnung erfolgenden, auf § 4 Abs. 3 S. 2 BpO gestützten nachträglichen Erweiterung
des Prüfungszeitraums auf mehr als drei Jahre ist eine besondere Begründung dafür erforderlich, dass mit nicht unerheblichen
Steuernachforderungen zu rechnen ist und damit die Voraussetzungen der ermessensbindenden Bestimmung des § 4 Abs. 3 S. 2 BpO
erfüllt sind. Bei einem K-Betrieb (hier: Steuerberaterkanzlei) kann das Merkmal der Erwartung „nicht unerheblicher Steuernachforderungen”
auch bei voraussichtlich weniger als ca. 1.500 Euro Mehrsteuern erfüllt sein.
2. Da die Entscheidung des FA über die Erweiterung des Prüfungszeitraums eine Ermessensentscheidung (§ 5 AO) darstellt, kann
die gerichtliche Kontrolle nur dahingehend erfolgen, ob ein Ermessensfehler i. S. d. § 5 AO bzw. § 102 FGO vorliegt. Maßgeblicher
Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob ein solcher Ermessensfehler vorliegt, ist der Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung.
3. Entscheidend ist lediglich, ob das FA zurecht davon ausgegangen ist, dass die Voraussetzungen der ermessensbindenden Verwaltungsvorschrift
des § 4 Abs. 3 S. 2 BpO erfüllt sind, dass also im Erweiterungszeitraum nicht unerhebliche Mehrsteuern wahrscheinlich sind.
Nicht erforderlich ist indes die möglichst detaillierte Quantifizierung der zu erwartenden Mehrsteuern. Wenn das FA neben
Umständen, die eine ausreichende Mehrergebniserwartung begründen, zusätzlich weitere Umstände als mehrergebnisbegründend angesehen
hat, die diese Annahme möglicherweise nicht tragen, ist kein Ermessensfehler gegeben.
4. Die Entscheidung über die Ausübung des Entschließungsermessens bezüglich der Frage der Prüfungserweiterung ist – wenn ihr
ggf. eine überhöhte Mehrergebniserwartung zugrundegelegt wurde – nicht unter dem Gesichtspunkt als ermessensfehlerhaft anzusehen,
dass sie auf einer unzutreffenden Grundlage, nämlich einer unzutreffenden Mehrergebniserwartung, ergangen ist. Denn eine gegebenenfalls
unzutreffend überhöhte Mehrergebniserwartung des FA ist – wenn die betraglichen Mindestanforderungen des § 4 Abs. 3 S. 2 BpO
ohnehin erfüllt sind – für die Ermessensausübung unerheblich.
5. Sind die betragsmäßigen Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 S. 2 BpO erfüllt, ist das FA grundsätzlich nicht darauf beschränkt,
im Erweiterungszeitraum nur punktuell die Änderungen bezüglich der Besteuerungsgrundlagen vorzunehmen, die auch in dem von
der bereits durchgeführten Außenprüfung umfassten Prüfungszeitraum zu entsprechenden Mehrergebnissen geführt haben. Es ist
dem FA bei entsprechender Mehrergebniserwartung in der Regel vielmehr unbenommen, im Erweiterungszeitraum auch zu prüfen,
ob sich auch aus anderen Gründen steuerliche Änderungen ergeben, mithin eine Vollprüfung durchzuführen.
6. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Willkür- und Schikaneverbot stellen eine Grenze der Ermessensausübung dar.
Diese Ermessensgrenze wird dann überschritten, wenn sich das FA bei der Anordnung einer Außenprüfung maßgeblich von sachfremden
Erwägungen leiten lässt und der Zweck der Prüfung der steuerlichen Verhältnisse in den Hintergrund tritt. Dieses unsachliche
Verhalten der Behörde muss der Steuerpflichtige durch konkrete und detaillierte Angaben zu den bisherigen Prüfungen substantiiert
darlegen.
7. Die vom Kläger eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde durch den (Az.: VIII B 40/15) als
unbegründet zurückgewiesen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n): SAAAG-57183
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