Paradise Papers Investigativer Steuerjournalismus: Fluch oder Segen?
Liebe Leserinnen und Leser,
erst Lux-Leaks, dann Panama Papers, und nun ist auch das „Paradies“ in Verruf geraten: In den kürzlich veröffentlichten Paradise Papers wird erneut die Rolle von Steueroasen an das Licht der Öffentlichkeit gebracht. Investigativ tätige Journalistennetzwerke – in diesem Fall das Investigative Consortium of International Journalists (ICIJ) – machen sich Datenlecks zunutze, um in großen Stil Fragen nach Steuervollzug und Steuermoral zu stellen. Was ist davon zu halten?
Auf den ersten Blick ist Transparenz positiv. Presse hat eine wichtige Kontrollfunktion. Diese beschränkt sich nicht auf bloße Sachverhaltsrecherche, sondern beinhaltet stets auch Wertung. Hier beginnen allerdings die Schwierigkeiten. Denn die den Paradise Papers zugrundeliegenden Fallgestaltungen sind nicht nur komplex, sondern auch sehr heterogen. Zum Teil geht es um Steuerhinterziehungen, zum Teil um (legale) missbräuchliche Steuervermeidung, zum Teil um nicht nur legale, sondern sogar legitime Steuergestaltungen. Diese Differenzierungen gehen in der aktuellen medialen Überhitzung unter. Die öffentliche Debatte zwingt zu Simplifizierungen, die suggerieren, es gäbe einen klaren Eichstrich, an dem sich nicht nur Gesetzeskonformität, sondern Steuermoral ablesen lässt.
Unabhängig davon, was aus fachlicher Sicht von der medialen Aufbereitung zu halten ist, erzeugt die Pressearbeit erheblichen politischen Druck. Positiv ist es, wenn hierdurch die beggar-my-neighbour-policy der Oasenstaaten in Bedrängnis kommt. Rechtlich kann auf autonome Staaten kaum eingewirkt werden. Auch eine schwarze Liste der EU wird nur mittelbar wirken, aber die wenigsten Staaten sind völlig immun gegenüber medialer Ächtung. Können sich Steuerhinterzieher nicht länger sicher wähnen, werden die Geschäftsmodelle nicht kooperativer Staaten empfindlich gestört.
Wie aber soll in Deutschland auf die Enthüllungen reagiert werden? Unzweifelhaft müssen Finanzverwaltungen und Strafverfolgungsbehörden Hinweisen auf Steuerhinterziehungen nachgehen. Fraglich ist aber, ob auch der deutsche oder europäische Gesetzgeber tätig werden muss. Nur wenige Tage nach den jüngsten Enthüllungen sprachen sich Abgeordnete aller Parteien für die Einführung einer Anzeigepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen aus. Ein entsprechender Richtlinienvorschlag der EU-Kommission (KOM[2017]335 endg.) liegt bereits seit dem vor. Auch dem öffentlichen Country by Country Reporting (KOM[2016]0198 endg.) dürfte die aktuelle Diskussion wieder Auftrieb geben. Lux-Leaks und Panama-Papers haben in erheblichem Maße zur Verabschiedung des Richtlinienpakets DAC I-V der EU zur Verbesserung des grenzüberschreitenden Informationsaustauschs beigetragen. Diese Maßnahmen wiederum sind Bestandteil der weltweiten Transparenzoffensive.
Doch gerade weil in den letzten zwei Jahren eine Fülle neuer Maßnahmen ergriffen wurde, sollte die Politik diesmal zunächst Ruhe bewahren, statt reflexhaft Seiten in Gesetzesblättern vollzuschreiben, zumal bisher nicht erkennbar ist, dass die Paradise Paper ganz neuartige Strukturen offenbaren, gegen die Deutschland mit seiner überaus scharfen Abwehrgesetzgebung nicht bereits gewappnet wäre. Die sowohl auf nationaler als auch europäischer Ebene beschlossenen Maßnahmen müssen erst einmal umgesetzt und erprobt werden. Aus deutscher Sicht besteht kein (akuter) Handlungsbedarf.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen frohe Feiertage, verbunden mit allen guten Wünschen für das Jahr 2018.
Herzliche Grüße
Ihre
Johanna Hey
Fundstelle(n):
SteuerStud 12/2017 Seite 745
NWB EAAAG-56998