BAG Urteil v. - 5 AZR 739/16 (F)

Instanzenzug: Az: 8 Ca 63/11 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Nürnberg Az: 7 Sa 225/12 Urteilnachgehend Az: 2 BvR 2293/17 Nichtannahmebeschluss

Tatbestand

1Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, ob die Vergütung des Klägers durch griechische Gesetze gekürzt worden ist.

2Die beklagte Republik Griechenland betreibt in N eine nach bayerischem Schulrecht als Ersatzschule genehmigte private Grund- und Teilhauptschule. An dieser ist der Kläger als Lehrer beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist zuletzt der Formulararbeitsvertrag vom , in dem es auszugsweise heißt:

3Am schlossen die Parteien eine „Nachtragsvereinbarung“, die lautet:

4Die monatliche Vergütung des Klägers betrug bis März 2011 3.533,60 Euro brutto. Abrechnungen des gezahlten Arbeitsentgelts nach § 108 GewO erteilte ihm die Beklagte nicht.

5Die Republik Griechenland erließ aufgrund der mit der Europäischen Union (EU), der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfond (IWF) getroffenen Vereinbarungen ua. das Gesetz Nr. 3833/2010 über dringende Maßnahmen zur Bewältigung der Krise der Staatsfinanzen, das in den hier wiedergegebenen Teilen zum in Kraft gesetzt wurde (Regierungsblatt der Republik Griechenland Teil I Blatt Nr. 40 vom ). Nach der dem Berufungsgericht vorgelegten Übersetzung des Normtextes enthält es ua. folgende Regelungen:

6Darüber hinaus erließ die Republik Griechenland das Gesetz Nr. 3845/2010 über Maßnahmen für die Anwendung des Stützungsmechanismus für die griechische Wirtschaft von Seiten der Mitgliedsländer der Eurozone und des Internationalen Währungsfonds, das in den hier wiedergegebenen Teilen zum in Kraft gesetzt wurde (Regierungsblatt der Republik Griechenland Teil I Blatt Nr. 65 vom ). Nach der dem Berufungsgericht vorgelegten Übersetzung des Normtextes heißt es in diesem ua.:

7Die Beklagte gab unter Berufung auf die vorgenannten Gesetze eine ab April 2011 wirksam werdende Tariferhöhung im öffentlichen Dienst der Länder nicht weiter und kürzte die Jahressonderzahlungen 2010 und 2011.

8Mit der am eingereichten Klage hat der Kläger für den Zeitraum Mai bis November 2011 eine Vergütungsdifferenz von monatlich 53,00 Euro brutto sowie restliche Jahressonderzahlungen 2010 und 2011 verlangt. Er hat gemeint, die griechischen Gesetze könnten den Inhalt seines in Deutschland zu erfüllenden, deutschem Recht unterliegenden Arbeitsverhältnisses nicht ändern. Die Beklagte habe ihm für die geleisteten Zahlungen Abrechnungen nach § 108 GewO zu erteilen.

9Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,

10Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Die Klage sei unzulässig, weil sie wegen ihrer Staatenimmunität nicht vor deutschen Gerichten verklagt werden könne. Die Gesetze Nr. 3833/2010 und Nr. 3845/2010 wirkten unmittelbar auf das Arbeitsverhältnis des Klägers ein und führten ohne jeden weiteren Umsetzungsakt zu einer Verminderung seiner Vergütung. Zudem finde der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) auf das Arbeitsverhältnis sowie § 108 GewO auf ausländische Staaten keine Anwendung. Schließlich habe das Landesarbeitsgericht bei der Klage auf Abrechnungen die Ausschlussfrist des § 70 BAT bzw. § 37 TV-L nicht beachtet.

11Das Arbeitsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Senat hat mit Beschluss vom das Revisionsverfahren bis zur Erledigung des Vorabentscheidungsersuchens durch den Gerichtshof der Europäischen Union im Rechtsstreit Republik Griechenland ./. Nikiforidis (Beschluss vom - 5 AZR 962/13 (A) - BAGE 151, 75) ausgesetzt.

Gründe

12Die Revision ist begründet, soweit sich die Beklagte gegen die Erteilung von Abrechnungen für den gesamten Streitzeitraum wendet. Im Übrigen ist sie unbegründet.

13I. Die Klage ist zulässig.

14Die beklagte Republik Griechenland genießt in Bezug auf das Arbeitsverhältnis des Klägers keine Staatenimmunität. Das hat der Senat in einem Parallelverfahren für Lehrkräfte, die an der Ersatzschule der Beklagten in Nürnberg im Rahmen von Arbeitsverhältnissen beschäftigt werden, in seinem am heutigen Tag ergangenen Urteil ( - Rn. 15 ff.), auf dessen Begründung zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, entschieden.

15II. Die Zahlungsklage ist begründet.

16Die griechischen Gesetze Nr. 3833/2010 und Nr. 3845/2010 haben die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung des Klägers nicht gekürzt. Auch insoweit wird zur Begründung auf die vorgenannte Senatsentscheidung verwiesen ( - Rn. 25 ff.). Dementsprechend steht dem Kläger die Differenz zwischen der vereinbarten und der von der Beklagten tatsächlich gezahlten Vergütung zu. Dabei hat das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen, dass sich das Arbeitsverhältnis der Parteien nach dem TV-L in seiner jeweiligen Fassung bestimmt und der Kläger damit Gehaltserhöhungen entsprechend den Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst der Länder beanspruchen kann. Ohne Angriffe der Revision hat es festgestellt, dass die Beklagte die vereinbarte Jahressonderzahlung nicht nach § 4 Abs. 3 Satz 2 Arbeitsvertrag berechnet, sondern dem Kläger - wie anderen Lehrkräften - eine tarifliche Jahressonderzahlung gewährt. Dass dem Berufungsgericht bei der Berechnung der Entgeltdifferenzen Fehler unterlaufen sind, wird von der Revision nicht aufgezeigt und ist auch sonst nicht ersichtlich. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB iVm. den Fälligkeitsregeln des § 24 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 TV-L.

17III. In welchem Umfang die Klage auf Abrechnungen begründet ist, kann der Senat indes aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden.

181. Der Kläger hat für das gezahlte Arbeitsentgelt Anspruch auf Abrechnungen nach § 108 Abs. 1 GewO (vgl.  - Rn. 45 ff.). Doch hat das Landesarbeitsgericht, wie die Revision zu Recht rügt, die Ausschlussfristenregelung des § 37 Abs. 1 TV-L nicht beachtet. Danach verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von den Beschäftigten und vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden, wobei für denselben Sachverhalt die einmalige Geltendmachung des Anspruchs auch für später fällige Leistungen ausreicht.

19Aus den bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ergibt sich nicht, ob, wann und ab welchem Zeitraum der Kläger vor Erhebung der Klage den Anspruch auf Abrechnungen nach § 108 GewO den Anforderungen des § 37 Abs. 1 TV-L entsprechend geltend gemacht hat. Das wird im erneuten Berufungsverfahren nachzuholen sein.

202. Mit der Aufhebung der Verpflichtung zur Erteilung von Abrechnungen entfällt zugleich die Grundlage für die Festsetzung einer Entschädigung nach § 61 Abs. 2 ArbGG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2017:260417.U.5AZR739.16F.0

Fundstelle(n):
QAAAG-56232