Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ließ am reinrassige Zuchttiere, Färsen, welche noch nicht gekalbt haben, zum zollrechtlich freien Verkehr unter der Warennummer 0102 1010 0000 aus der Tschechischen Republik abfertigen. Dabei erhielt sie den amtlichen Hinweis, dass sie dem Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt —HZA—) folgende Nachweise innerhalb der angegebenen Fristen vorlegen müsse:
1. Nachweis, dass die Tiere nicht vor dem
geschlachtet wurden und entweder
a) im Zuchtbuch/Zuchtregister registriert oder
b) in einem Abstammungsnachweis eingetragen wurden.
2. Alternative zu 1:
Nachweis, dass die Tiere aus gesundheitlichen Gründen oder
unfallbedingt geschlachtet werden mussten.
Mit Schreiben vom wies das HZA nochmals ausdrücklich auf die 15-Monatsfrist zum Nachweis der Nichtschlachtung der abgabenfrei eingeführten Zuchtrinder hin, die eine nicht verlängerbare Ausschlussfrist sei. Sollten bis spätestens die erforderlichen Nachweise nicht vorliegen, würden Einfuhrabgaben angefordert werden.
Mit dem angefochtenen Steueränderungsbescheid vom forderte das HZA insgesamt ... DM an Eingangsabgaben an. Erst am wurden die Lebendnachweise, Schlachtbescheinigungen und Zuchtbuchnachweise vorgelegt. Am legte die Klägerin Einspruch ein und begründete die Verspätung. Wegen einer vollständigen Änderung der Gesellschafterstruktur und Änderungen in der Geschäftsführung sowie des Ausscheidens des für die Rinderzucht verantwortlichen Buchhalters zum sei es zu einer verspäteten Bearbeitung des Vorgangs gekommen. Der Einspruch hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom ).
Mit ihrer Klage und im Schriftsatz vom trug die Klägerin vor, sie habe die Bescheinigungen rechtzeitig eingereicht, weil ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sei. Die Wiedereinsetzungsvoraussetzungen lägen vor.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im Einzelnen aus, das HZA habe die Eingangsabgaben zu Recht angefordert, weil die Klägerin die erforderlichen Nachweise für die zollbegünstigte Einfuhr reinrassiger Rinder nicht innerhalb der 15-Monatsfrist erbracht habe und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden könne.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Revision. Sie macht geltend, ihr sei das Recht auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Unrecht versagt worden. Art. 17 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex —ZK—) des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— Nr. L 302/1), auf den das FG seine Auffassung stütze, dass Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht komme, schließe eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach nationalem Recht nicht aus. Im Übrigen seien die Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegeben.
Die Klägerin beantragt,
die Vorentscheidung und die Verwaltungsentscheidungen aufzuheben.
Das HZA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Im Einzelnen führt das HZA aus, dass es die Entscheidung des FG für zutreffend halte. Abgesehen davon, dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach den geltenden Vorschriften nicht in Betracht komme, lägen auch die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung nicht vor, weil die Klägerin Wiedereinsetzungsgründe nicht glaubhaft gemacht habe.
II. 1. Die Revision ist zulässig, insbesondere zulassungsfrei statthaft. Da die Vorinstanz auch über die zolltarifliche Einordnung der eingeführten Tiere entschieden hat, liegt ein nach § 116 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne Zulassung revisibles Urteil in einer Zolltarifsache vor (, BFH/NV 1999, 1257).
2. Die Revision ist aber unbegründet. Das FG hat zutreffend entschieden, dass die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen rechtmäßig sind und die Klägerin durch sie nicht in ihren Rechten verletzt wird (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das HZA hat die eingeführten Tiere in dem angefochtenen Steueränderungsbescheid mit Recht nicht dem KN-Code 0102 10 00 (reinrassige Zuchtrinder), sondern dem KN-Code 0102 90 51 (Hausrinder) zugeordnet und die dafür vorgesehenen Abgaben erhoben.
a) Es ist unstreitig, dass die Klägerin die erforderlichen Nachweise für die zollbegünstigte Einfuhr reinrassiger Rinder, die in den KN-Code 0102 10 10 einzureihen sind, nicht innerhalb der in Art. 2 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 2342/92 (VO Nr. 2342/92) der Kommission vom (ABlEG Nr. L 227/12), berichtigt durch die Verordnung (EWG) Nr. 3224/92 der Kommission vom (ABlEG Nr. L 320/30), i.d.F. der Verordnung (EWG) Nr. 286/93 der Kommission vom (ABlEG Nr. L 34/7) vorgeschriebenen Frist von 15 Monaten erbracht hat (zur Frist vgl. Senatsurteil vom VII R 96/97, BFH/NV 1999, 90).
b) Die Nichtbeachtung der gesetzten 15-Monatsfrist zur Vorlage der erforderlichen Nachweise hat die Einreihung der Tiere unter den KN-Code 0102 90 51 zur Folge, weil die Frist eine Ausschlussfrist ist, die nicht rückwirkend verlängert werden kann und bei deren Versäumung eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ebenfalls nicht in Betracht kommt.
Das folgt aus Art. 17 ZK, der eine Verlängerung von im Zollrecht festgelegten Fristen nur zulässt, wenn die betreffenden Vorschriften dies ausdrücklich vorsehen. Art. 2 Abs. 3 VO Nr. 2342/92 sieht eine Verlängerung der Frist nicht vor. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 der Abgabenordnung (AO 1977) kommt ebenfalls nicht in Betracht. Denn, wie der Senat bereits entschieden hat, ist diese Vorschrift neben Art. 17 ZK nicht anwendbar, weil Art. 17 ZK die Möglichkeit zur Verlängerung von zollrechtlich vorgegebenen Fristen abschließend regelt (Senatsurteile in BFH/NV 1999, 90, und in BFH/NV 1999, 1257; Witte/Huchatz, Zollkodex, 2. Aufl., Art. 17 Rz. 1, 7). Es ist zwar richtig, dass mit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die versäumte Frist nicht nachträglich verlängert wird, sondern nur die versäumte Rechtshandlung, wenn sie nachgeholt wird, unter bestimmten Umständen als rechtzeitig erfolgt fingiert wird (vgl. , BFHE 148, 414, BStBl II 1987, 264; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 110 AO 1977 Rz. 2). Diese andere rechtliche Konstruktion ändert aber nichts daran, dass sich die Fristverlängerung und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im materiellen Ergebnis ähneln und damit auch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von der allgemeinen Regelung des Art. 17 ZK erfasst wird. Die Anwendung der nationalen Regelung des § 110 AO 1977 über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt daher, wie das FG richtig ausgeführt hat, neben den abschließenden Regelungen des Gemeinschaftsrechts über eine mögliche Fristverlängerung bei Vorliegen besonderer Umstände, z.B. in den Fällen des Art. 140 Abs. 3 ZK, Art. 559 Abs. 2, Art. 755, Art. 756 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 (ZKDVO) der Kommission vom mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABlEG Nr. L 253/1) oder den Regelungen des Art. 204 Abs. 1 ZK i.V.m. Art. 859 Nrn. 1, 2 ZKDVO, die denen über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach dem Muster des § 110 AO 1977 weitgehend vergleichbar sind, nicht in Betracht. Das FG weist mit Recht darauf hin, dass anderenfalls, nämlich bei Anwendung nationaler Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die Gefahr einer unterschiedlichen Behandlung der Wirtschaftsteilnehmer in den verschiedenen Mitgliedstaaten besteht, die das gemeinschaftsrechtliche Zollrecht gerade verhindern will (vgl. dazu Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften —EuGH—, Urteil vom C-48/98, Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern —ZfZ— 2000, 12, 14 Rz. 40).
Die Prüfung der Frage, ob Wiedereinsetzungsgründe vorliegen, erübrigt sich, weil eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wie gezeigt, schon aus grundsätzlichen Erwägungen ausscheidet.
c) Da die Rinder somit dem KN-Code 0102 90 51 zuzuordnen sind, führt dies zum Verlust der Zoll- und Einfuhrabschöpfungsfreiheit und damit gemäß Art. 204 Abs. 1 Buchst. b letzte Alternative ZK (Nichterfüllung der Voraussetzungen für die Gewährung einer Einfuhrabgabenfreiheit) zur Entstehung der Abgabenschulden (vgl. BFH in BFH/NV 1999, 90). Dafür, dass ein besonderer Fall i.S. der in Art. 859 ZKDVO abschließend aufgezählten Fälle (vgl. dazu EuGH in ZfZ 2000, 12, 14 Rz. 43) vorliegt, bestehen keine Anhaltspunkte. Die Klägerin ist nach Art. 204 Abs. 3 ZK zur Erfüllung der Abgabenschulden verpflichtet.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 820 Nr. 6
DAAAA-67477