Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Pflicht des Prozessbevollmächtigten zur Unterrichtung der Partei über den Zeitpunkt des Ablaufs der Rechtsmittelfrist
Leitsatz
Ein Prozessbevollmächtigter muss seine Partei darüber unterrichten, ob, in welchem Zeitraum, in welcher Weise und bei welchem Gericht gegen eine Entscheidung Rechtsmittel eingelegt werden kann (im Anschluss an Senat, Beschluss vom , VI ZB 12/89, juris Rn. 5; BGH, Beschlüsse vom , IV ZR 170/76, NJW 1977, 1198; vom , IVb ZB 524/81, VersR 1981, 850 und vom , III ZB 10/85, VersR 1985, 768). Diese Unterrichtung erfordert eine richtige Belehrung über den Zeitpunkt des Ablaufs der Rechtsmittelfrist (im Anschluss an BGH, Beschlüsse vom , IV ZB 1061/68, VersR 1969, 635, 636 und vom , IV ZR 170/76, NJW 1977, 1198).
Gesetze: § 85 Abs 2 ZPO, § 233 S 1 ZPO, § 234 ZPO, § 544 ZPO
Instanzenzug: OLG Celle Az: 13 U 45/15vorgehend LG Lüneburg Az: 9 O 298/14
Gründe
I.
1Die Kläger nehmen die Beklagte auf Zahlung von (weiterer) Geldentschädigung wegen verschiedener Presseberichterstattungen in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Berufungsgericht die Beklagte zur Zahlung von jeweils 3.000 € an die Kläger verurteilt und die weitergehende Berufung zurückgewiesen. Die Revision hat es nicht zugelassen. Das Berufungsurteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Kläger am zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom , eingegangen am selben Tag, haben die Kläger Widereinsetzung in die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde beantragt und Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.
II.
21. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zurückzuweisen.
3a) Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrags haben die Kläger vorgetragen:
4Sie hätten ihrem vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten gegenüber erklärt, dass sie das Berufungsurteil nicht akzeptieren wollten. Dieser habe sich bereit erklärt, ihnen beim Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsanwälte zu benennen. Durch folgende schriftliche Verfügung habe er einer Mitarbeiterin eine Anweisung erteilt:
"S. ./. A. Zeitung
Bitte Mdt. schriftl. mitteilen:
Beschwerdefrist 1 Mo, Begründung 2 Mo
RAe für BGH http://www.[...].de
http://[...].com/
WV: 2 Wo"
Mit dem Schreiben habe ihnen die Frist zur Zulassungsbeschwerde und deren Begründung mitgeteilt werden sollen. Aufgrund eines dem vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten nicht erklärbaren Versehens habe dessen Mitarbeiterin die Anweisung nicht richtig umgesetzt und sie falsch informiert, indem diese eine Frist von zwei Monaten für die Einlegung der Beschwerde behauptet habe. Dies sei durch folgendes Schreiben geschehen:
"Sehr geehrter S.,
sehr geehrter Herr H.,
Sie können gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Celle innerhalb von zwei Monaten Beschwerde beim Bundesgerichtshof einlegen.
Rechtsanwälte für den BGH sind z.B.: www.[...].de und
[…].com
Mit freundlichen Grüßen
i.A. W."
6Die Mitarbeiterin könne sich den Fehler nicht erklären. Als ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellte sei sie bereits seit mehreren Jahren in der Kanzlei tätig, arbeite selbständig sowie gewissenhaft und sei auch unter den Kollegen als besonders zuverlässig bekannt. Sie verfasse häufig kürzere Schreiben an Mandanten auf Anweisung selbst, wobei es bislang nicht zu Problemen gekommen sei. Deshalb habe der vorinstanzliche Prozessbevollmächtigte das Schreiben vor dem Ausgang nicht mehr kontrolliert.
7Aufgrund der fehlerhaften Information hätten die Kläger den bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen (jetzigen) Prozessbevollmächtigten erst am - nach Ablauf der Beschwerdefrist - mandatiert.
8Das Verschulden des Büropersonals habe der vorinstanzliche Prozessbevollmächtigte nicht zu vertreten, da er eine eindeutige Einzelanweisung erteilt habe. Auch Tätigkeiten zur Fristwahrung dürften delegiert werden. Das gelte sogar für die Ausgangskontrolle von fristwahrenden Schriftsätzen, die vom Anwalt selbst einzureichen seien. Werde eine konkrete Einzelweisung erteilt, bei deren Befolgung die Frist gewahrt worden wäre, treffe den Anwalt kein Verschulden, wenn die Weisung versehentlich nicht befolgt werde.
9Bei zutreffender Umsetzung der Weisung hätten sie rechtzeitig Kontakt mit einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Anwalt aufgenommen und die Frist wäre nicht versäumt worden.
10Zur Glaubhaftmachung haben die Kläger eine anwaltliche Versicherung ihres vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten vorgelegt.
11b) Damit haben die Kläger eine unverschuldete Fristversäumung nicht ausreichend dargelegt (§ 233 Satz 1, § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Auf Grundlage ihres Vortrags im Wiedereinsetzungsantrag kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein ihnen gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden ihres vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten ursächlich für die Versäumung der Revisionseinlegungsfrist geworden ist.
12aa) Das Mandat eines Prozessbevollmächtigten ist grundsätzlich nicht beendet, bevor er seinem Auftraggeber das Urteil übersandt, dessen Zustellung mitgeteilt und auf die Rechtsmittelmöglichkeiten hingewiesen hat (, BGHZ 31, 351, 354; Beschlüsse vom - IV ZR 170/76, NJW 1977, 1198; vom - IVb ZB 91/89, NJW 1990, 189, 190). Ein Prozessbevollmächtigter muss seine Partei darüber unterrichten, ob, in welchem Zeitraum, in welcher Weise und bei welchem Gericht gegen eine Entscheidung Rechtsmittel eingelegt werden kann (Senat, Beschluss vom - VI ZB 12/89, juris Rn. 5; BGH, Beschlüsse vom - IV ZR 170/76, NJW 1977, 1198; vom - IVb ZB 524/81, VersR 1981, 850; vom - III ZB 10/85, VersR 1985, 768). Diese Unterrichtung erfordert eine richtige Belehrung über den Zeitpunkt des Ablaufs der Rechtsmittelfrist (BGH, Beschlüsse vom - IV ZB 1061/68, VersR 1969, 635, 636; vom - IV ZR 170/76, NJW 1977, 1198). Wegen der Bedeutung dieser Angelegenheit darf der Rechtsanwalt diese Aufgabe nur einem gut ausgebildeten und zuverlässigen Büropersonal, das er mit genauen, unmissverständlichen Anweisungen versehen hat, übertragen (Senat, Beschluss vom - VI ZB 12/89, juris Rn. 6; BGH, Beschlüsse vom - IV ZB 1061/68, VersR 1969, 635, 636; vom - IV ZR 170/76, NJW 1977, 1198; vom - III ZB 10/85, VersR 1985, 768).
13bb) Die Kläger haben nicht dargelegt, dass ihr vorinstanzlicher Prozessbevollmächtigter seine Mitarbeiterin genau und unmissverständlich anwies, den Zeitpunkt des Ablaufs der Einlegungsfrist mitzuteilen. Insoweit beschränken sich die Angaben im Wiedereinsetzungsantrag darauf, dass durch das Schreiben „die Frist zur Zulassungsbeschwerde und deren Begründung mitgeteilt werden“ sollte und die Mitarbeiterin die „Anweisung nicht richtig umgesetzt“ sowie „eine Frist von zwei Monaten für die Einlegung der Beschwerde“ behauptet habe. Dies legt nahe, dass sich der Umsetzungsfehler auf die Mitteilung einer falschen abstrakten Einlegungsfrist von zwei Monaten beschränkte. Jedenfalls ergibt sich daraus nicht, dass der vorinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Kläger seine Mitarbeiterin angewiesen hätte, das konkrete Datum des Ablaufs der Beschwerdefrist mitzuteilen.
14Davon ausgehend kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Verschulden des vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Kläger zumindest mitursächlich für die Versäumung der Einlegungsfrist geworden ist. In einem solchen Fall ist der Wiedereinsetzungsantrag zurückzuweisen (vgl. , juris Rn. 10).
152. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht fristgerecht eingelegt und daher als unzulässig zu verwerfen (§ 544 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:180717BVIZR52.16.0
Fundstelle(n):
NJW 2017 S. 8 Nr. 38
NJW-RR 2017 S. 1210 Nr. 19
BAAAG-55816