BAG Beschluss v. - 10 AZR 330/16 (A)

Versetzung - unbillige Weisung - Anfrage nach § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG

Gesetze: § 45 Abs 3 S 1 ArbGG, § 315 BGB, § 106 S 1 GewO

Instanzenzug: Az: 7 Ca 1224/15 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 17 Sa 1660/15 Urteilnachgehend Az: 5 AS 7/17 Beschluss: Nichtfesthaltennachgehend Az: 10 AZR 330/16 Urteil

Gründe

1A. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung und hiermit in Zusammenhang stehende Ansprüche auf Arbeitsvergütung und Entfernung zweier Abmahnungen.

2Der 1962 geborene Kläger war seit dem bei der Deutschen Telekom Immobilien und Service GmbH (DeTeImmobillien) beschäftigt. Der Arbeitsvertrag vom enthält ua. folgende Bestimmungen:

3§ 4 des Manteltarifvertrags vom (MTV Immobilien 1998), geschlossen von der DeTeImmobilien und der Deutschen Postgewerkschaft, bestimmt:

4Das Arbeitsverhältnis wurde ab einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt mit der Beklagten fortgesetzt.

5Mit Änderungsvertrag vom änderten die Parteien § 1 Abs. 1 des Arbeitsvertrags dahingehend, dass der Kläger ab dem „in Dortmund im Team C als Assistent K“ beschäftigt wurde. Mit Änderungsvertrag vom wurde § 1 Abs. 1 rückwirkend zum erneut geändert und vereinbart: „Der Arbeitnehmer wird in Dortmund als Assistent K im Bereich RE3123 vollzeitbeschäftigt.“ Die übrigen Vertragsbestimmungen sollten jeweils unberührt bleiben. Der letzte Änderungsvertrag vom enthält ua. folgende Regelungen:

6Der Kläger war auf dieser Grundlage zu einer Bruttovergütung von 4.165,00 Euro im Team RE3330 tätig, welches für Betriebskostenabrechnungen zuständig ist, die zentralisiert am Standort Dortmund durchgeführt werden. Das Team ist dem Betrieb Real Estate Management (REM) zugerechnet, welcher vorrangig Verwaltungsaufgaben für das Facility Management ausführt.

7Unter dem sprach die Beklagte eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung wegen „Arbeitszeitbetrugs“ aus. Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage war in beiden Instanzen erfolgreich (Landesarbeitsgericht Hamm - 15 Sa 169/14 -). Der Kläger wurde nach der erstinstanzlichen Entscheidung im Rahmen eines Prozessarbeitsverhältnisses beschäftigt.

8Unter dem sandte eine Mitarbeiterin aus dem Team RE3330 eine E-Mail an den Betriebsratsvorsitzenden, worin es heißt: „Wir, das Team RE3330, lehnen eine Zusammenarbeit mit Herrn N in Zukunft ab!“ Die Mitarbeiterin beschrieb den Kläger als unkollegial und unkooperativ; er habe teamübergreifende Aufgaben ignoriert oder fehlerhaft ausgeführt und die Regelungen zur Vertrauensgleitzeit stark missbraucht. Am fand ein Gespräch zwischen dem Team RE3330 und dem Betriebsratsvorsitzenden statt, das ohne Ergebnis blieb. Dabei ist zwischen den Parteien streitig, ob sämtliche Teammitglieder an dem Treffen teilnahmen.

9Mit E-Mail vom teilte die Beklagte dem Kläger mit, er werde ab dem zunächst für sechs Monate in ihrem „Archiv-Projekt“ am Standort Berlin eingesetzt. Sie erinnerte zudem an die bereits erörterte Alternative, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich aufzulösen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers erhob Einwände gegen die Versetzungsankündigung und wies ua. auf die Verurteilung zur Weiterbeschäftigung hin. Die Beklagte erklärte daraufhin, sie schiebe die Versetzung für die Dauer des Prozessarbeitsverhältnisses auf. In einem Gespräch am konnten einvernehmliche Lösungen nicht erzielt werden.

10Mit Schreiben vom teilte die Beklagte dem Kläger mit, er werde befristet für die Zeit vom bis zum im Team RE3113, Team Due Diligence/Archiv, am Standort Berlin eingesetzt. Immobilienkaufleute dieses Teams wurden im Projekt „Digitalisierung des Liegenschaftsarchivs“ beschäftigt und durch Mitarbeiter des Teams RE3440 unterstützt. Daneben bestand ein Projekt „Optimierung der Mietvertragsakten im Archiv“, bei welchem ebenfalls Immobilienkaufleute tätig wurden. Die Beklagte sagte dem Kläger eine Kostenerstattung im Rahmen der doppelten Haushaltsführung für maximal 24 Monate zu und forderte ihn auf, Schlüssel und Zutrittskarten für das Gebäude in Dortmund spätestens bis zum zurückzugeben. Mit anwaltlichem Schreiben vom forderte der Kläger die Beklagte auf, die Weisung zurückzunehmen, was diese mit Schreiben vom ablehnte.

11Die Beklagte hörte den Betriebsrat REM mit Sitz in Frankfurt am Main zu der Versetzung an. Der Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung zur Versetzung nach § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG unter Hinweis auf Beschäftigungsmöglichkeiten in einem anderen Team in Dortmund. Ein daraufhin eingeleitetes Zustimmungsersetzungsverfahren (Arbeitsgericht Frankfurt am Main - 10 BV 229/15 -) wurde zwischenzeitlich für erledigt erklärt. Unter dem wurde dem Betriebsrat die vorläufige Umsetzung der Versetzungsmaßnahme gemäß § 100 BetrVG angezeigt, der Kläger wurde entsprechend unterrichtet. Der Betriebsrat gab zu der vorläufigen Maßnahme keine Stellungnahme ab.

12Der Kläger nahm die Arbeit am Standort Berlin nicht auf, worauf ihn die Beklagte mit Schreiben vom wegen unerlaubten Fernbleibens von der Arbeit abmahnte. Er wies die Abmahnung mit anwaltlichem Schreiben vom zurück. Unter dem erging eine zweite Abmahnung.

13Mit Schreiben vom , zugegangen am selben Tag, sprach die Beklagte die fristlose Kündigung, hilfsweise fristgemäße Kündigung zum aus. Das der hiergegen gerichteten Kündigungsschutzklage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht Hamm mit Urteil vom (- 17 Sa 1661/15 -) die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die zugelassene Revision ist beim Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts (- 2 AZR 329/16 -) anhängig.

14Die Beklagte meldete den Kläger bei der Sozialversicherung ab und nahm ab April 2015 keine Gehaltszahlungen mehr vor. Der Kläger erhielt ab dem Zahlungen der Bundesagentur für Arbeit. Mit Schreiben vom forderte ihn die Beklagte unter Fristsetzung zur Rückzahlung der für die Zeit vom bis zum geleisteten Vergütung iHv. 1.113,66 Euro auf.

15Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Weisung vom sei unwirksam und er habe sie nicht befolgen müssen. Die Abmahnungen seien deshalb unwirksam und er habe Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung. Maßgeblich hinsichtlich des Arbeitsorts sei ausschließlich der Änderungsvertrag vom . Unabhängig hiervon sei aber auch aus dem Arbeitsvertrag vom kein Weisungsrecht der Beklagten herzuleiten; vorübergehende Versetzungen erfasse die Versetzungsklausel nicht. Bei einem weiter gehenden Verständnis wäre die Bestimmung intransparent, jedenfalls aber unangemessen benachteiligend, da sie die Arbeitnehmerinteressen nicht hinreichend berücksichtige. Die Weisung sei auch aufgrund von Verfahrensverstößen unwirksam, denn er sei nicht ausreichend entsprechend der Bestimmungen seines Arbeitsvertrags, des MTV Immobilien 1998 und der „Gesamtbetriebsvereinbarung über Mitarbeitergespräche bei S PFS“ vom (GBV Mitarbeitergespräche) angehört worden. Die Weisung entspreche im Übrigen nicht billigem Ermessen. Die Versetzung sei darauf angelegt, das obsiegende Urteil hinsichtlich der Kündigung vom zu unterlaufen und ihn zu maßregeln.

16Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Interesse - zuletzt beantragt

17Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

18Widerklagend hat sie beantragt,

19Der Kläger hat beantragt, die Widerklage abzuweisen.

20Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Versetzungsanweisung vom sei rechtmäßig. Die Angabe des Arbeitsorts im letzten Änderungsvertrag sei rein deklaratorisch. Die Versetzungsklausel entspreche - ebenso wie § 4 MTV Immobilien 1998 - inhaltlich § 106 GewO und halte einer Inhalts- und Transparenzkontrolle stand. Die Weisung entspreche billigem Ermessen. Eine Tätigkeit des Klägers in seinem alten Team sei aufgrund der verweigernden Haltung der anderen Mitarbeiter nicht möglich gewesen, eine andere Beschäftigungsmöglichkeit am Standort Dortmund habe nicht bestanden. Die Unstimmigkeiten im Team hätten nicht aus dem Kündigungsschutzprozess resultiert, sondern aus dem Arbeitsverhalten des Klägers. Eine Konfliktlösung unter Mitwirkung des Betriebsratsvorsitzenden habe die Beklagte nicht erzielen können. Die vorübergehende Versetzung habe Ruhe in das Team bringen sollen. Die Aufgaben in dem Projekt in Berlin hätten aus Kostengründen vorrangig von eigenen Mitarbeitern und nicht von Leih- und Zeitarbeitnehmern erledigt werden sollen. Der Kläger sei angehört und das Mitbestimmungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden. Die Abmahnungen seien angesichts der Rechtmäßigkeit der Weisung zu Recht erfolgt. Selbst bei einer unbilligen Versetzungsmaßnahme habe der Kläger seine Arbeitspflicht verletzt, da er dieser zunächst hätte folgen müssen. Unabhängig hiervon habe kein Vergütungsanspruch bestanden, da der Kläger nicht leistungswillig gewesen sei. Jedenfalls müsse er sich die durch die Nichtaufnahme der Tätigkeit in Berlin entgangene Vergütung gemäß § 615 Satz 2 BGB anrechnen lassen. Die Beklagte habe deshalb auch einen Anspruch auf Rückzahlung der für die Zeit vom bis zum gezahlten Vergütung.

21Das Arbeitsgericht hat der Klage - soweit für die Revision noch von Interesse - stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte eine vollständige Klageabweisung und eine Verurteilung des Klägers entsprechend der Widerklage.

22B. Der Senat ist derzeit an einer abschließenden Entscheidung über die zulässige Revision der Beklagten gehindert. Die Weisung der Beklagten vom widersprach zwar weder arbeitsvertraglichen noch tariflichen Bestimmungen und verstieß auch nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB. Der Betriebsrat wurde ordnungsgemäß beteiligt. Die Weisung entsprach aber - wie das Landesarbeitsgericht zu Recht annimmt - nicht billigem Ermessen iSv. § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB. Deshalb war der Kläger nach Auffassung des Senats nicht - auch nicht vorläufig - verpflichtet, ihr nachzukommen. Damit weicht der Senat in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von der Rechtsaufassung des Fünften Senats ( - 5 AZR 249/11 - Rn. 24, BAGE 141, 34) ab. Daher bedarf es nach § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG einer Anfrage bei diesem Senat, ob er an seiner bisherigen Rechtsauffassung festhält. Bis zu dessen Entscheidung ist das Verfahren entsprechend § 148 ZPO auszusetzen.

23I. Der Feststellungsantrag zu 1. ist als Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO zulässig.

241. Nach § 256 Abs. 2 ZPO kann ein Kläger zugleich mit seinem Hauptantrag auf Feststellung eines die Entscheidung bedingenden, dh. vorgreiflichen Rechtsverhältnisses klagen. Damit wird ein Begründungselement aus der Entscheidung verselbständigt und mit eigener Rechtskraft versehen. Grund hierfür ist dessen Eignung, über den konkreten Gegenstand hinaus, der mit der Hauptklage entschieden wird, Rechtssicherheit und Rechtsklarheit für mögliche Folgestreitigkeiten herzustellen. Eine Zwischenfeststellungsklage bedingt daher, dass die Frage nach dem Bestand des entsprechenden Rechtsverhältnisses notwendig auch bei der Entscheidung über den Hauptantrag beantwortet werden muss und darüber hinaus auch für andere denkbare Folgestreitigkeiten Bedeutung haben kann ( - Rn. 17 mwN; vgl. auch  - Rn. 12, BGHZ 169, 153). Ein Zwischenfeststellungsantrag ist allerdings dann unzulässig, wenn bereits durch die Entscheidung über den Leistungsantrag die Rechtsbeziehung zwischen den Beteiligten erschöpfend geklärt wird ( - Rn. 19 mwN).

252. Hiernach ist der Zwischenfeststellungsantrag zulässig. Er ist nach der vor dem Landesarbeitsgericht erfolgten Klarstellung auf den Umfang der Leistungspflicht des Klägers gerichtet und damit auf ein Element eines Rechtsverhältnisses (vgl. dazu  - Rn. 17). Die begehrte Feststellung ist vorgreiflich für die Klageanträge auf Entfernung der Abmahnungen aus der Personalakte des Klägers, auf Vergütungszahlung sowie für die Entscheidung über die Widerklage und hat darüber hinaus Bedeutung für das anhängige Kündigungsschutzverfahren (vgl. dazu  - Rn. 21 ff.). Die Rechtsbeziehung der Parteien wird durch eine Entscheidung über den Antrag auf Entfernung der Abmahnungen aus der Personalakte und die Zahlungsanträge nicht erschöpfend geklärt. Die Rechtskraft der Entscheidung hierüber erfasst nicht die zwischen den Parteien streitige Frage, ob der Kläger verpflichtet war, der Weisung vom Folge zu leisten.

26II. Das vertragliche Weisungsrecht der Beklagten umfasst die Befugnis, dem Kläger nach Maßgabe des § 106 GewO einen anderen Einsatzort als den bisherigen zuzuweisen. Hiervon geht das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zu Recht aus.

271. Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung, die auf Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß §§ 305 ff. BGB beruht, ist zunächst durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (im Einzelnen  - Rn. 17 ff., BAGE 135, 239). Festzustellen ist, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein ggf. vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat (zuletzt zB  - Rn. 25).

282. Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Überprüfung. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (st. Rspr., zB  - Rn. 29 mwN, BAGE 147, 322). Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt allerdings voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht ( - Rn. 16).

293. Die Bestimmung eines Orts der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen verhindert nach der Rechtsprechung des Senats regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung (st. Rspr., zuletzt zB  - Rn. 26 mwN). Fehlt es an einer Festlegung des Inhalts oder des Orts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 GewO. Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es dann nicht an. Weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, unterliegt dies der Ausübungskontrolle gemäß § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB ( - Rn. 19; krit. zur Beschränkung auf die Ausübungskontrolle bei Versetzungen mit einer Veränderung des Arbeitsorts Hromadka NZA 2012, 233, 238; offengelassen in  - Rn. 28, BAGE 143, 217).

304. Nach diesen Grundsätzen ist das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die Parteien mit dem Änderungsvertrag vom konstitutiv die Beschäftigung in einem bestimmten Team in Dortmund festgelegt haben. Vielmehr fehlt es an einer vertraglichen Festlegung des Orts der Arbeitsleistung, sodass § 106 GewO unmittelbar Anwendung findet, der dem Arbeitgeber die Zuweisung eines anderen Arbeitsorts im Rahmen billigen Ermessens erlaubt. Auf die Wirksamkeit der Versetzungsklausel kommt es nicht an.

31a) § 1 Ziff. 1 des Änderungsvertrags vom bestimmt zwar, dass der Kläger in Dortmund beschäftigt wird. Bereits die Wortwahl der Regelung deutet allerdings darauf hin, dass es sich nicht um eine konstitutive Festlegung, sondern um eine Wiedergabe des aktuellen Aufgabenbereichs und Arbeitsorts des Klägers handelt. Entscheidend ist, dass nach § 2 Ziff. 1 des Änderungsvertrags alle übrigen Bestimmungen des Arbeitsvertrags unverändert bleiben sollten. Identische Bestimmungen gab es in den vorhergehenden Änderungsverträgen. Zu den übrigen Bestimmungen des Arbeitsvertrags vom gehörte dessen § 1 Ziff. 2. Danach behielt sich die Beklagte ua. das Recht vor, den Kläger unter Veränderung des Arbeitsorts einzusetzen. Dafür, dass § 1 Ziff. 2 nicht fortgelten oder von § 2 Ziff. 1 des Änderungsvertrags nicht erfasst sein sollte, gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Auch bestehen keine Bedenken gegen die Rechtswirksamkeit einer solchen Klausel. Anders als das Landesarbeitsgericht annimmt, führt allein der Umstand, dass die Parteien jede Änderung der Arbeitsaufgabe, des Teams und des Arbeitsorts schriftlich niedergelegt haben, zu keinem anderen Auslegungsergebnis. Andernfalls hätte es nahegelegen, die vertragliche Versetzungsklausel aufzuheben oder zu ersetzen.

32b) Auf die Wirksamkeit des Versetzungsvorbehalts kommt es daher nicht an, auch wenn vieles dafür spricht, dass die Annahme des Landesarbeitsgerichts zutrifft, die Klausel halte einer Kontrolle am Maßstab der §§ 305 ff. BGB stand (vgl. zu einer ähnlichen Klausel  - Rn. 41).

335. Der Arbeitsort des Klägers hat sich - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend annimmt - nicht auf Dortmund konkretisiert. Den Arbeitsvertrag hinsichtlich der Versetzungsklausel abändernde Vereinbarungen haben die Parteien nicht - auch nicht stillschweigend - getroffen. Eine Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum liegt hier nicht vor, im Übrigen würde sie für die Annahme einer Konkretisierung nicht genügen ( - Rn. 24 mwN).

346. Aus § 4 MTV Immobilien 1998 ergibt sich keine Beschränkung des Weisungsrechts der Beklagten, die über § 106 GewO hinausginge. Die Vorschrift bestimmt, dass eine Abwägung der Interessen des Betriebs mit den Interessen des betroffenen Arbeitnehmers vorzunehmen ist und soziale Gesichtspunkte angemessen zu berücksichtigen sind. Dies entspricht dem Maßstab der Ausübungskontrolle nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB (vgl. dazu zuletzt zB  - Rn. 29).

35III. Es kann dahinstehen, ob der Kläger gemäß § 1 Ziff. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrags bzw. gemäß § 4 Satz 3 MTV Immobilien 1998 vor Ausspruch der Versetzung angehört wurde. Das Landesarbeitsgericht geht zutreffend davon aus, dass auch eine fehlende oder unvollständige Anhörung nicht zur Unwirksamkeit der Maßnahme führen würde.

361. Nach § 1 Ziff. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrags ist der Arbeitnehmer vor der Übertragung einer neuen Tätigkeit, einer Veränderung des Arbeitsorts, Einsatzgebiets oder Aufgabenbereichs zu hören. Dies entspricht § 4 Satz 3 MTV Immobilien 1998, wonach der Arbeitnehmer vor seiner Versetzung zu hören ist. Regelungen über die Rechtsfolgen ihrer Nichteinhaltung enthalten diese Bestimmungen nicht. Insbesondere ergeben sich weder aus Wortlaut noch aus Gesamtzusammenhang des Arbeitsvertrags oder des MTV Immobilien 1998 Anhaltspunkte dafür, dass deren Nichteinhaltung die Unwirksamkeit der Maßnahme zur Folge haben soll, obwohl es hierfür Beispiele in gesetzlichen (zB § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG) und tariflichen Regelungen (vgl. dazu zB  - BAGE 51, 375) gibt. Das Fehlen einer ausdrücklichen Anordnung der Unwirksamkeit schließt eine solche Annahme allerdings auch nicht aus (vgl. zB  - BAGE 63, 240). Vielmehr ist nach Sinn und (Schutz-)Zweck der jeweiligen Regelung zu ermitteln, ob eine so weitgehende Rechtsfolge wie die Unwirksamkeit der Maßnahme geboten ist (vgl. zum Schutzzweck gesetzlicher Bestimmungen zuletzt zB  - Rn. 32 f. [zu § 14 Abs. 4 TzBfG]; - 2 AZR 395/15 - Rn. 20 [zum BDSG]; - 9 AZR 51/15 - Rn. 41 [zum AÜG]).

372. Die tarifliche und vertragliche Regelung ähnelt derjenigen, die in § 12 Abs. 1 Satz 2 BAT enthalten war bzw. nunmehr in § 4 Abs. 1 Satz 2 TVöD/TV-L enthalten ist. Danach waren bzw. sind Beschäftigte anzuhören, wenn sie auf Dauer an eine Dienststelle/Betrieb außerhalb des bisherigen Arbeitsorts versetzt oder für mehr als drei Monate dorthin abgeordnet werden sollen. Nach der Rechtsprechung diente § 12 Abs. 1 Satz 2 BAT dazu sicherzustellen, dass der Arbeitgeber die belastenden Folgen einer beabsichtigten Versetzung richtig einschätzen und seine Versetzungsentscheidung aufgrund einer alle wesentlichen Umstände berücksichtigenden Interessenabwägung treffen kann ( - zu 2 der Gründe;  - zu 2.2 der Gründe). Ziel war damit insbesondere, ein „richtiges“ Ergebnis zu erreichen. Eine Versetzungsentscheidung zulasten des Arbeitnehmers sollte nur erfolgen können, wenn diese auch billiges Ermessen wahrt. Da es im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung einer Versetzung nicht auf die vom Bestimmungsberechtigten angestellten Erwägungen ankommt, sondern darauf, ob das Ergebnis der getroffenen Entscheidung den vertraglichen, tarifvertraglichen oder gesetzlichen Anforderungen genügt (vgl.  - Rn. 28), verlangt der Zweck des Anhörungsrechts nicht, die Maßnahme nur deshalb als unwirksam anzusehen, weil der Arbeitnehmer seine Interessen nicht zuvor selbst eingebracht hat (ebenso - allerdings ohne Begründung - zu § 4 Abs. 1 Satz 2 TVöD  - zu II 2 b cc der Gründe; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Stand September 2015 § 4 Rn. 20; Sponer/Steinherr TVöD Stand Mai 2017 § 4 Rn. 79). Wenn der Arbeitgeber wegen der fehlenden Anhörung erhebliche Belange des Arbeitnehmers nicht hinreichend berücksichtigt, wird sich die Maßnahme im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung, in der der Arbeitnehmer seine Interessen noch vorbringen kann, regelmäßig als unwirksam erweisen.

383. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das Bundesarbeitsgericht zu § 13 Abs. 2 Satz 1 BAT - der im TVöD/TV-L keine Entsprechung mehr findet - angenommen hat, dass die vorherige Anhörung des Angestellten zu einer Abmahnung deren Wirksamkeitsvoraussetzung ist und ihr Fehlen zu einem Entfernungsanspruch führt ( - zu II 5 b der Gründe, BAGE 63, 240). Dies wurde zum einen mit der Friedensfunktion der Anhörung begründet und zum anderen damit, dass Sinn und Zweck des Anhörungsrechts nicht genügt werde, wenn ein Vorwurf bereits in Form eines zu den Personalakten genommenen Schreibens manifestiert sei. Im Übrigen könnten die Personalakten bei einer späteren Herausnahme lückenhaft werden und dies zu für den Angestellten nachteiligen Spekulationen führen. Diese Erwägungen können auf die Anhörung vor einer Versetzung nicht übertragen werden (aA ArbG Bielefeld - 3 Ca 408/03 -). Im Fall der Versetzung liegt das Risiko der Unwirksamkeit der Maßnahme beim Arbeitgeber, der die volle Darlegungs- und Beweislast für deren Wirksamkeit und Billigkeit hat (st. Rspr., zuletzt zB  - Rn. 28).

394. Die GBV Mitarbeitergespräche ist entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung hinsichtlich der hier streitgegenständlichen Maßnahme nicht einschlägig. Sie enthält ausschließlich Bestimmungen über Inhalt und Ablauf eines regelmäßigen jährlichen Mitarbeitergesprächs; zu Versetzungen oder sonstigen Ausübungen des Weisungsrechts trifft sie keine Regelungen.

40IV. Der Kläger wendet sich nicht mit einer Gegenrüge gegen die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der bei der Beklagten bestehende Betriebsrat sei ordnungsgemäß gemäß §§ 99, 100 BetrVG beteiligt worden (vgl. zu den individualrechtlichen Folgen einer nicht ordnungsgemäßen Beteiligung  - Rn. 22 mwN). Die diesbezüglichen Ausführungen des Berufungsgerichts lassen auch keinen Rechtsfehler erkennen.

411. Das Landesarbeitsgericht konnte im Hinblick auf den insoweit unbestrittenen Vortrag der Beklagten und den vorgelegten Zuordnungstarifvertrag davon ausgehen, dass für den Geschäftsbereich REM zum Zeitpunkt der Versetzung ein einheitlicher Betriebsrat mit Übergangsmandat nach § 21a BetrVG bestand, der sowohl für die Betriebsstätte Dortmund als auch für die Betriebsstätte Berlin zuständig war. Die Beklagte hat diesen Betriebsrat nach § 99 Abs. 1 BetrVG vor Wirksamwerden der Versetzung über die Maßnahme informiert und um dessen Zustimmung gebeten. Nach Verweigerung der Zustimmung hat die Beklagte ein Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main eingeleitet, das zwischenzeitlich wegen Erledigung der Maßnahme eingestellt worden ist.

422. Über die von der Beklagten beabsichtigte vorläufige Durchführung der Maßnahme ist der Betriebsrat gemäß § 100 Abs. 2 Satz 1 BetrVG informiert worden. Er hat sich hierzu nicht geäußert, sodass ein Verfahren nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG nicht erforderlich war. Die Beklagte hat damit das für die Durchführung der vorläufigen personellen Maßnahme vorgesehene Verfahren eingehalten (vgl.  - Rn. 18, BAGE 148, 61).

43V. Soweit sich der Kläger mit einer erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erhobenen Gegenrüge gegen die Annahme des Landesarbeitsgerichts wendet, die Versetzung vom sei nicht wegen eines Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot gemäß § 612a iVm. § 134 BGB nichtig, hat diese keinen Erfolg.

441. Nach § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Die zulässige Rechtsausübung darf nicht nur äußerer Anlass, sondern muss der tragende Beweggrund, dh. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme gewesen sein. Der Kläger trägt dabei die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 612a BGB und damit auch für den Kausalzusammenhang zwischen benachteiligender Maßnahme und zulässiger Rechtsausübung ( - Rn. 38 mwN). Die nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewonnene Überzeugung oder Nichtüberzeugung des Berufungsgerichts für die Kausalität zwischen der zulässigen Rechtsausübung und der benachteiligenden Maßnahme kann revisionsrechtlich nur darauf überprüft werden, ob sie möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (ebenso zur Würdigung der vom Landesarbeitsgericht gewonnen Überzeugung einer Kausalität zwischen einem nach § 1 AGG verpönten Merkmal und einem Nachteil  - Rn. 29 mwN, BAGE 152, 134).

452. Einer solchen eingeschränkten Überprüfung hält die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stand. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass ein Verstoß gegen § 612a BGB nur vorliegt, wenn die zulässige Rechtsausübung nicht nur äußerer Anlass, sondern tragender Beweggrund, dh. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme gewesen ist. Auf dieser Grundlage hat es den vorgetragenen Sachverhalt vollständig und widerspruchsfrei gewürdigt und das Vorliegen dieser Tatbestandsvoraussetzungen verneint. Vielmehr habe die Beklagte im Kern die Weigerung des früheren Teams des Klägers, mit diesem weiter zusammenzuarbeiten, zum Anlass für die Versetzung genommen. Diese Würdigung der Tatsachen hält sich im Rahmen des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums und ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

46VI. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Weisung vom die Grenzen billigen Ermessens (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB) nicht gewahrt hat.

471. Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB) verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 106 GewO, § 315 Abs. 1 BGB verbleibt auch im Falle der Versetzung für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb dieses Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dem Gericht obliegt nach § 106 GewO, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB die Prüfung, ob der Arbeitgeber als Gläubiger die Grenzen seines Bestimmungsrechts beachtet hat. Bei dieser Prüfung kommt es nicht auf die vom Bestimmungsberechtigten angestellten Erwägungen an, sondern darauf, ob das Ergebnis der getroffenen Entscheidung den gesetzlichen Anforderungen genügt. Die Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung dieser Grenzen hat der Bestimmungsberechtigte. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle ist der Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hatte (st. Rspr., zuletzt im Hinblick auf Versetzungen zB  - Rn. 28 f. mwN).

482. Der Begriff des billigen Ermessens bei der Ausübung des Weisungsrechts iSv. § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Bei dessen Anwendung steht dem Tatsachengericht ein Beurteilungsspielraum zu. Dies gilt auch im Fall der Kontrolle der Ausübung des Weisungsrechts nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB (bisher regelmäßig offengelassen, zuletzt zB  - Rn. 27; - 10 AZR 182/09 - Rn. 92, BAGE 135, 128; vgl. aber  - Rn. 23 [nur eingeschränkte Überprüfung]). Der Beurteilungsspielraum des Tatsachengerichts ist vom Revisionsgericht nur darauf zu überprüfen, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist ( - Rn. 36, BAGE 153, 378 [zum unbestimmten Rechtsbegriff „angemessen“]).

49a) Die revisionsrechtliche Überprüfung unbestimmter Rechtsbegriffe findet nach der Rechtsprechung aller Senate des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich nur eingeschränkt statt (vgl. zB  - Rn. 14 [allg. zu unbestimmten Rechtsbegriffen in Tarifverträgen]; - 2 AZR 42/16 - Rn. 12 [Sozialwidrigkeit einer Kündigung]; - 3 AZR 439/15 - Rn. 35 [„sachlich-proportionale Gründe“]; - 4 AZR 313/09 - Rn. 24 mwN [allg. zu Rechtsbegriffen bei der Eingruppierung]; - 5 AZR 422/06 - Rn. 14, BAGE 121, 133 [„Zumutbarkeit“ bei § 615 Satz 2 BGB]; - 6 AZR 483/11 - Rn. 23 [zu § 125 InsO]; - 7 ABR 8/15 - Rn. 23 [„Erforderlichkeit“]; - 8 AZR 809/14 - Rn. 37 [„unzulässige Rechtsausübung“]; - 9 AZR 108/14 - Rn. 13 [„angemessene Vergütung“ iSv. § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG]; - 10 AZR 423/14 - Rn. 36, BAGE 153, 378 [„angemessen“ in § 6 Abs. 5 ArbZG]). Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. zuletzt zB  - Rn. 24; - III ZR 387/14 - Rn. 14; - XII ZB 309/11 - Rn. 25 [zur Billigkeitsentscheidung nach § 1578b BGB]; - VI ZR 277/07 - Rn. 26 [allg. zum tatrichterlichen Ermessen]) und der weit überwiegenden Auffassung im Schrifttum (vgl. zB Zöller/Heßler 31. Aufl. § 546 Rn. 12; Düwell/Lipke/Düwell 4. Aufl. § 73 Rn. 24; ErfK/Koch 17. Aufl. § 73 ArbGG Rn. 5; GMP/Müller-Glöge 8. Aufl. § 73 Rn. 9; Schwab/Weth/Ulrich ArbGG 4. Aufl. § 73 Rn. 18; kritisch GK-ArbGG/Mikosch Stand April 2017 § 73 Rn. 27 ff.).

50b) Der Begriff des billigen Ermessens bei der Ausübung des Weisungsrechts iSv. § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB ist ein unbestimmter Rechtsbegriff ( - Rn. 26, BAGE 154, 83; - 10 AZR 134/11 - Rn. 23; GK-ArbGG/Mikosch Stand April 2017 § 73 Rn. 33). Hierüber herrscht - soweit erkennbar - kein Streit. Trotzdem ist die Rechtsprechung zu der Frage, inwieweit dessen (volle) Überprüfung durch das Tatsachengericht vom Revisionsgericht zu überprüfen ist, uneinheitlich (GK-ArbGG/Mikosch aaO: „nicht konsequent“).

51aa) Der Vierte Senat hatte in einer Entscheidung vom (- 4 AZR 743/76 -) angenommen, dem Revisionsgericht stehe bei der gerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB gegenüber der landesarbeitsgerichtlichen Entscheidung ein unbeschränktes Überprüfungsrecht zu. Dabei ging es allerdings nicht um eine einzelfallbezogene Weisung eines Arbeitgebers, sondern um eine auf tariflicher Grundlage vom Arbeitgeber erlassene Kinderzuschlagsordnung. Die weitreichende Überprüfung wurde mit dem Umstand begründet, dass „die einseitige Bestimmung der Höhe des Kinderzuschlages durch den Arbeitgeber [sich] für alle Arbeitsverhältnisse im Bereiche des Beklagten auswirkt und daher in ihrer rechtlichen Bedeutung typischen Arbeitsverträgen, Satzungen oder Allgemeinen Geschäftsbedingungen gleichkommt“. Dabei wurde Bezug genommen auf Entscheidungen zur Reichweite der revisionsrechtlichen Überprüfung solcher Rechtsquellen (zB  - BAGE 27, 22). Auch die nachfolgende Entscheidung des Fünften Senats vom (- 5 AZR 123/83 - zu A II 2 der Gründe, BAGE 47, 238) betraf nicht das Weisungsrecht, sondern eine tarifliche Bestimmungsklausel über die Verkürzung der Arbeitszeit.

52bb) Im Folgenden hat sich diese Rechtsprechung allerdings „verselbständigt“ und auch bei der Kontrolle der Ausübung des arbeitsvertraglichen Weisungsrechts wurde teilweise eine unbeschränkte Nachprüfung in der Revisionsinstanz vorgenommen, ohne dies allerdings näher zu begründen (vgl.  - zu II 2 c der Gründe; - 5 AZR 1009/94 - zu I 1 der Gründe; - 6 AZR 444/99 - zu IV 1 der Gründe). Hingegen hatte Achte Senat bereits in einer Entscheidung vom (- 8 AZR 251/88 - zu B I 2 d cc der Gründe, BAGE 60, 362) im Hinblick auf eine tarifliche Klausel über die Gewährung von unbezahltem Sonderurlaub (§ 50 Abs. 2 BAT) angenommen, dass eine Leistungsbestimmung, die der Tatrichter getroffen habe, nur der eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht unterliege. Auch der Siebte Senat ist in einer Entscheidung vom (- 7 ABR 42/95 - zu B I 2 der Gründe) davon ausgegangen, dass es sich bei dem Begriff der Billigkeit iSv. § 315 Abs. 3 BGB um einen unbestimmten Rechtsbegriff handle, dessen richtige Anwendung in der Rechtsbeschwerdeinstanz grundsätzlich nur beschränkt überprüfbar sei.

53cc) Der Sechste Senat hatte in neuerer Zeit in Bezug auf das arbeitsvertragliche Weisungsrecht und die Entwicklungsklausel in einem Chefarztvertrag seine Rechtsprechung zur vollen Überprüfbarkeit fortgeführt ( - zu II 1 der Gründe; - 6 AZR 567/03 - zu IV 2 a der Gründe, BAGE 112, 80). Gleiches gilt für den Neunten Senat im Zusammenhang mit dem Abschluss von Altersteilzeitarbeitsverträgen ( - zu A II der Gründe, BAGE 104, 55; - 9 AZR 624/06 - Rn. 23; - 9 AZR 643/08 - Rn. 29 [bereits zurückhaltender]) und ausdrücklich auch hinsichtlich der gerichtlichen Kontrolle von Versetzungen nach § 106 GewO ( - Rn. 50, BAGE 118, 22; - 9 AZR 404/08 - Rn. 22).

54dd) In neuester Zeit haben hingegen sowohl der Sechste Senat ( - 6 AZR 151/10 - Rn. 33) als auch der Zehnte Senat (zB - 10 AZR 11/16 - Rn. 27; - 10 AZR 915/12 - Rn. 32, BAGE 145, 341; - 10 AZR 202/10 - Rn. 23; vgl. aber  - Rn. 23 [nur eingeschränkte Überprüfung]) diese Frage ausdrücklich offengelassen. Der Neunte Senat hat in einer Entscheidung vom (- 9 AZR 125/14 - Rn. 25) betreffend einen Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags nunmehr ausgeführt, entgegen der früheren Rechtsprechung spreche vieles dafür, nur eine eingeschränkte Überprüfung vorzunehmen. Der Vierte Senat ist schließlich hinsichtlich der Überprüfung der Wirksamkeit einer Weisung nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB zuletzt ausdrücklich von einer nur eingeschränkten Überprüfbarkeit ausgegangen ( - Rn. 26, BAGE 154, 83).

55c) Es gibt keinen sachlichen Grund, bei der revisionsrechtlichen Kontrolle der Erwägungen des Berufungsgerichts zu der Frage, ob der Arbeitgeber sein Weisungsrecht gemäß § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB nach billigem Ermessen ausgeübt hat, vom allgemeinen Maßstab der Kontrolle unbestimmter Rechtsbegriffe abzuweichen. Eine Begründung dafür wurde in der Vergangenheit nicht gegeben und ist nicht erkennbar. Die für den Vierten Senat in der Entscheidung vom (- 4 AZR 743/76 -) maßgebenden Gründe tragen jedenfalls für individuelle Weisungen nicht, sodass dahinstehen kann, ob diese in anderen Fällen der Anwendung des § 315 BGB von Bedeutung sein können.

56d) Einer Anfrage beim Neunten Senat - der im Übrigen zwischenzeitlich die hier vertretene Auffassung zu teilen scheint - bedarf es gemäß § 45 Abs. 3 Satz 2 ArbGG nicht, da nach Ziff. 10.1.7 des Geschäftsverteilungsplans 2017 des Bundesarbeitsgerichts nunmehr der Zehnte Senat für Verfahren betreffend die Arbeits- und Beschäftigungspflicht zuständig ist. Ebenso wenig ist eine Anfrage beim Sechsten Senat erforderlich. Die Entscheidungen des Sechsten Senats betreffen ausschließlich Sachverhalte, die vor dem Inkrafttreten des § 106 GewO lagen. Damit ist eine für die Anfrage erforderliche Identität der Rechtslage nicht mehr gegeben (vgl. dazu  - Rn. 29; - 6 AZR 780/10 - Rn. 81, BAGE 142, 202). Andere Senate haben sich zum Weisungsrecht nach § 106 GewO nicht abweichend geäußert; der Vierte Senat teilt die hier vertretene Auffassung.

573. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe mit ihrer Weisung vom billiges Ermessen nicht gewahrt, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nach diesen Grundsätzen stand.

58a) Das Landesarbeitsgericht ist unter Heranziehung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts von zutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Es hat alle von den Parteien vorgetragenen Umstände in den Blick genommen. Dabei hat es angenommen, dass das Interesse der Beklagten, durch die Versetzung des Klägers die Probleme in dessen ehemaligem Team zu lösen und den Betriebsfrieden in Dortmund wiederherzustellen, grundsätzlich einen betrieblichen Grund für die Maßnahme darstellen könne. Gleichzeitig hat es gewürdigt, dass die Beklagte aus ihrer Sicht selbst keine hinreichenden Maßnahmen ergriffen hat, um den Konflikt zu entschärfen und zu lösen. Es hat weiter berücksichtigt, dass es trotz der Beschäftigung des Klägers in einem Prozessarbeitsverhältnis keine Konflikte mehr gegeben, die Beklagte solche jedenfalls nicht vorgetragen habe. Im Übrigen hat es vertretbar angenommen, dass die lediglich auf sechs Monate angelegte Versetzung zur Konfliktbereinigung nicht geeignet gewesen sei. Daraus hat es den nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßenden Schluss gezogen, dass im Hinblick auf das anerkennenswerte Interesse des Klägers an der Beibehaltung seines Arbeitsplatzes in Dortmund und die - trotz der Kostenerstattung - erheblichen Auswirkungen einer Versetzung nach Berlin keine überwiegenden Interessen der Beklagten für die Versetzung vorgelegen hätten. Insoweit hat es auch den erstinstanzlichen Vortrag der Beklagten, diese strebe zur Kostenreduzierung die Beschäftigung von Stammarbeitnehmern in dem Projekt in Berlin an, in den Blick genommen. Diesen hat es jedoch mit nachvollziehbaren Erwägungen als nicht ausreichend substanziiert angesehen, da es an Darlegungen zur tatsächlichen Beendigung der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern gefehlt habe.

59b) Die von der Revision hiergegen erhobenen Rügen greifen nicht durch. Die Beklagte rügt dabei nicht, dass das Landesarbeitsgericht den Sachverhalt nicht vollständig gewürdigt habe oder von einem falschen Rechtsverständnis hinsichtlich des Begriffs des billigen Ermessens ausgegangen sei. Sie legt auch nicht dar, dass die Würdigung des Sachverhalts durch das Landesarbeitsgericht widersprüchlich sei. Vielmehr setzt die Beklagte lediglich ihre Würdigung der Umstände an die Stelle derjenigen des Landesarbeitsgerichts und kommt zu dem Ergebnis, dass ihre Interessen gegenüber denen des Klägers überwogen hätten. Soweit die Beklagte in der Revisionsbegründung Ausführungen zu Reisekosten macht und vorträgt, sie hätte die Zeit, in der sich der Kläger in Berlin befunden hätte, nutzen können, um Maßnahmen der Konfliktbereinigung in Dortmund durchzuführen oder andere Beschäftigungsmöglichkeiten des Klägers zu prüfen, handelt es sich teilweise um neuen Sachvortrag, der in der Revision gemäß § 559 ZPO keine Berücksichtigung mehr finden kann. Im Übrigen hat sich das Landesarbeitsgericht mit dem Thema „Konfliktbereinigung“ auseinandergesetzt. Insgesamt ist damit die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe mit ihrer Weisung vom billiges Ermessen nicht gewahrt, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

60VII. Der Kläger musste der unbilligen Weisung vom nicht - auch nicht vorläufig - Folge leisten. An das Nichtbefolgen der Weisung konnte die Beklagte nicht Sanktionen knüpfen (so schon  - Rn. 16, 39 - unklar aber Rn. 25 -, BAGE 137, 164 [Unwirksamkeit einer Kündigung im Zusammenhang mit einem Glaubenskonflikt]; - 2 AZR 606/08 - Rn. 25 [Unwirksamkeit einer Abmahnung - unbillige Weisung zu einem Personalgespräch]; - 2 AZR 633/88 - zu II 2 b der Gründe [Unwirksamkeit einer Kündigung - unbillige Zuweisung von Bereitschaftsdiensten]; - 2 AZR 285/88 - zu B I 1 b ff. der Gründe, BAGE 62, 59; - 2 AZR 436/83 - zu B III 2 c bb der Gründe, BAGE 47, 363 [jeweils zu Kündigungen nach einer wegen Nichtbeachtung einer Gewissensentscheidung unbilligen Weisung]). Hiervon ist das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgegangen.

611. Allerdings hat der Fünfte Senat mit Urteil vom (- 5 AZR 249/11 - Rn. 24, BAGE 141, 34) entschieden, dass sich ein Arbeitnehmer über eine unbillige Ausübung des Weisungsrechts - sofern sie nicht aus anderen Gründen unwirksam sei - nicht hinwegsetzen dürfe, sondern entsprechend § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB die Gerichte für Arbeitssachen anrufen müsse. Wegen der das Arbeitsverhältnis prägenden Weisungsgebundenheit sei der Arbeitnehmer an die durch die Ausübung des Weisungsrechts erfolgte Konkretisierung ua. des Inhalts der Arbeitsleistung vorläufig gebunden, bis durch ein rechtskräftiges Urteil die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung feststehe. Diese Entscheidung hat in Rechtsprechung und Schrifttum Zustimmung erfahren ( - zu II der Gründe [in einem obiter dictum];  -; DLW/Dörner 13. Aufl. Kap. 1 Rn. 624; Hromadka NZA 2017, 601 ff.; ders. FS von Hoyningen-Huene 2014 S. 145 ff., 152 ff.; Hromadka/Maschmann ArbR Bd. 1 6. Aufl. § 6 Rn. 23; Schmitt-Rolfes AuA 2015, 695; ders. AuA 2013, 200; Palandt/Grüneberg 75. Aufl. § 315 BGB Rn. 16; Erman/Hager BGB 14. Aufl. § 315 Rn. 22 [jeweils allg. zu § 315 BGB]), überwiegend aber deutliche Ablehnung ( - zu A II 3 c der Gründe;  - zu II 2 der Gründe;  - zu 1.1.1.3.3.3 der Gründe; AR/Kolbe 8. Aufl. § 106 GewO Rn. 63; BeckOK/Tillmanns Stand: § 106 GewO Rn. 57; Boemke jurisPR-ArbR 30/2012 Anm. 1; ders. NZA 2013, 6 ff.; Busemann ZTR 2015, 63 ff., 70 f.; ErfK/Preis 17. Aufl. § 106 GewO Rn. 7a; Däubler/Deinert/Zwanziger/Zwanziger KSchR 10. Aufl. § 2 KSchG Rn. 80; Eickmanns Die Flexibilisierung von Arbeitsbedingungen durch Vertragsgestaltung Diss. 2014, S. 77; Fischer FA 2014, 38 ff.; HWK/Lembke 7. Aufl. § 106 GewO Rn. 116 f.; Kühn NZA 2015, 10 ff., 13; NK-GA/Boecken/Pils § 106 GewO Rn. 68, 77 ff.; Preis NZA 2015, 1 ff., 5 ff.; Preis/Wieg AuR 2016, 313 ff., 319; Schauß ArbR-aktuell 2016, 518 ff., 520; Schaub ArbR-HdB/Linck 17. Aufl. § 45 Rn. 18 ff.; MüKoBGB/Würdinger 7. Aufl. § 315 Rn. 67; Staudinger/Rieble Stand Januar 2015 § 315 BGB Rn. 418; Thüsing JM 2014, 20 ff.; Ziemann jurisPR-ArbR 42/2016 Anm. 2). Diese Kritik ist berechtigt.

622. § 106 GewO regelt nunmehr für alle Arbeitsverhältnisse (§ 6 Abs. 2 GewO) das Weisungsrecht des Arbeitgebers. Es handelt sich um ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers, das doppelte Relevanz hat: Einerseits ist es notwendige Bedingung, um überhaupt vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses bzw. vom Status als Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinn ausgehen zu können (st. Rspr., vgl. zB zuletzt  - Rn. 14; vgl. seit auch § 611a Abs. 1 Satz 1 BGB). Andererseits konkretisiert der Arbeitgeber mit seinem Weisungsrecht die arbeitsvertraglich häufig nur rahmenmäßig bestimmte Arbeitspflicht - dh. die dem Umfang nach bereits bestimmte Gegenleistung des Arbeitnehmers - hinsichtlich Zeit, Ort und Art der zu erbringenden Arbeitsleistung und schafft damit regelmäßig erst die Voraussetzung dafür, dass der Arbeitnehmer diese erbringen und das Arbeitsverhältnis praktisch durchgeführt werden kann. Insofern ist die Ausübung des Weisungsrechts notwendige Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers, wobei der erforderliche Weisungsumfang von den Umständen des Einzelfalls abhängt (vgl.  - Rn. 38; - 10 AZR 637/13 - Rn. 15, BAGE 148, 16).

63a) Bereits vor Inkrafttreten des § 106 GewO war anerkannt, dass das Weisungsrecht wesentlicher Inhalt eines jeden Arbeitsverhältnisses ist (st. Rspr., vgl. zB  - zu IV 1 der Gründe mwN, BAGE 112, 80; - 5 AZR 1009/94 - zu I 1 der Gründe mwN). Dieses einseitige Leistungsbestimmungsrecht durfte der Arbeitgeber stets - und nicht nach § 315 Abs. 1 BGB „im Zweifel“ - nur nach billigem Ermessen ausüben (vgl. zB  - zu B III 2 c bb der Gründe mwN, BAGE 47, 363) und diese Ausübung unterlag der vollen gerichtlichen Kontrolle (vgl. zB  - zu I 1 der Gründe; - 2 AZR 633/88 - zu II 2 b aa der Gründe). Nach diesem Maßstab wirksame Weisungen wurden (und werden) als verbindlich angesehen, der Arbeitnehmer muss sie befolgen (allgM, vgl. zB  - Rn. 48, BAGE 118, 22). Weisungen, die dieser Kontrolle nicht standhielten, also unbillig waren, wurden hingegen als unwirksam angesehen, der Arbeitnehmer war nicht verpflichtet, ihnen zu folgen und Sanktionen wie Abmahnungen oder Kündigungen konnten auf solche Weisungen nicht gestützt werden (vgl. zB  - Rn. 25 [Unwirksamkeit einer Abmahnung]; - 2 AZR 633/88 - zu II 2 b der Gründe [Unwirksamkeit einer Kündigung - unbillige Zuweisung von Bereitschaftsdiensten]; - 2 AZR 285/88 - zu B I 1 der Gründe, BAGE 62, 59; - 2 AZR 436/83 - zu B III 2 c bb der Gründe, BAGE 47, 363 [jeweils zu Kündigungen nach einer wegen Nichtbeachtung einer Gewissensentscheidung unbilligen Weisung]). Die Auffassung, der Arbeitnehmer müsse unbillige Weisungen vorläufig bis zu einer gerichtlichen Entscheidung befolgen, wurde - soweit erkennbar - weder in Rechtsprechung noch Literatur vertreten. Ebenso wenig wurden durch die Gerichte im Bereich des Weisungsrechts über Zeit, Ort und Art der Arbeitsleistung Ersatzleistungsbestimmungen iSv. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB vorgenommen, also unbillige Weisungen durch eine „gerichtliche Weisung“ ersetzt (anders aber bei „Ermessensreduzierung auf null“ aufgrund von Verwaltungsvorschriften, zB  - zu II der Gründe).

64b) Mit Wirkung zum hat der Gesetzgeber im Zuge der Novellierung der Gewerbeordnung mit § 106 GewO erstmals eine gesetzliche Regelung über das Weisungsrecht geschaffen, die für alle Arbeitsverhältnisse gilt. Dabei sollte unter wesentlicher Übernahme des Inhalts des im Gegenzug aufgehobenen § 121 GewO die bisherige Rechtsprechung „in moderner Sprache“ im Interesse von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit kodifiziert werden (BT-Drs. 14/8796 S. 16, 24). Inhaltliche Veränderungen waren damit nicht verbunden (ErfK/Preis 17. Aufl. § 106 GewO Rn. 1), sieht man von der besonderen Vorschrift zur Berücksichtigung von Behinderungen ab (vgl. § 106 Satz 3 GewO). Seither ist § 106 GewO ua. gesetzliches Leitbild für die Überprüfung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (vgl. dazu zB  - BAGE 135, 239; zur rein klarstellenden Bedeutung von § 106 Satz 1 Halbs. 2 GewO  - Rn. 18, BAGE 132, 210).

653. Nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB besteht keine - auch keine vorläufige - Bindung des Arbeitnehmers an unbillige Weisungen, sofern der Arbeitnehmer diese nicht trotz ihrer Unbilligkeit akzeptiert.

66a) § 106 Satz 1 GewO trifft keine ausdrückliche Regelung über die Rechtsfolgen von Weisungen, die billigem Ermessen nicht entsprechen. Allerdings legt bereits der Wortlaut nahe, dass der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nur dann näher bestimmen kann, wenn er billiges Ermessen wahrt (ähnlich Preis NZA 2015, 1 ff., 5). Hält er diese Grenzen nicht ein, verlässt er den Rahmen, den das Gesetz für sein Bestimmungsrecht vorgibt (BeckOK/Tillmanns Stand § 106 GewO Rn. 57 „Leistungspflicht nicht entsprechend konkretisiert“). An eine solchermaßen gesetzwidrige Weisung kann regelmäßig ohne ausdrückliche Anordnung keine Bindung bestehen.

67b) Systematik und Gesamtzusammenhang der gesetzlichen Regelung sprechen gegen eine solche vorläufige Bindung. Dies gilt insbesondere auch im Kontext des § 315 BGB, soweit er auf das Weisungsrecht Anwendung findet.

68aa) Dass die Weisungsgebundenheit das Arbeitsverhältnis prägt, trifft zwar zu, sagt aber entgegen der Auffassung des Fünften Senats ( - 5 AZR 249/11 - Rn. 24, BAGE 141, 34) über eine vorläufige Bindung nichts aus. Es handelt sich nicht etwa um einen vorläufig vollziehbaren Verwaltungsakt (vgl. dazu Staudinger/Rieble Stand Januar 2015 § 315 Rn. 420). Auch kann das Arbeitsverhältnis nach heutigem Verständnis nicht als Subordinationsverhältnis angesehen werden (zugespitzt Däubler/Deinert/Zwanziger/Zwanziger 10. Aufl. § 2 KSchR Rn. 80 „Arbeitnehmer sind weisungsgebunden, aber keine Soldaten“). Soweit der Gesetzgeber für bestimmte Arbeitnehmergruppen weiterreichende Verpflichtungen vorsieht, hat er diese angeordnet. So bestimmt § 124 Abs. 1 Satz 1 SeeArbG, dass Besatzungsmitglieder „vollziehbare Anordnungen der Vorgesetzten unverzüglich zu befolgen“ haben; nach Satz 2 gilt dies insbesondere in Gefahrensituationen. Dabei handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Pflicht, die über die heuervertragliche „Folgeleistungspflicht“ nach § 32 Abs. 1 Satz 2 SeeArbG hinausgeht (Bubenzer/Noltin/Peetz/Mallach/Bubenzer SeeArbG § 32 Rn. 7, § 124 Rn. 1 f.; Lindemann SeeArbG § 124 Rn. 3 f.; zur Vorgängerregelung Bemm/Lindemann SeemannsG 6. Aufl. § 29 Rn. 10 ff.; vgl. auch § 23 Abs. 1 Binnenschifffahrtsgesetz).

69bb) Eine vorläufige Verpflichtung, einer unbilligen Weisung nachzukommen, ergibt sich auch nicht aus einem Vergleich mit der Situation nach Ausspruch einer Änderungskündigung. Mit der Änderungskündigung wird das bisher bestehende Arbeitsverhältnis beendet und die Beschäftigung nach Ablauf der Kündigungsfrist erfolgt auf Basis neuer vertraglicher Bedingungen, die der Arbeitnehmer, wenn auch unter Vorbehalt, akzeptiert hat (Ziemann jurisPR-ArbR 42/2016 Anm. 2 unter B.; aA Hromadka NZA 2017, 601 ff., 603; ders. FS von Hoyningen-Huene aaO S. 153). Der Arbeitnehmer schließt bei Annahme des Änderungsangebots unter Vorbehalt einen auflösend bedingten Vertrag, der für ihn bis zur Entscheidung über die soziale Rechtfertigung der Änderungskündigung verbindlich ist. Bei der unbilligen Weisung geht es jedoch nicht um den Vertragsschluss, sondern um die Konkretisierung der aus dem Vertrag folgenden Arbeitspflichten.

70cc) Ähnliches gilt im Verhältnis zu § 275 Abs. 3 BGB. Nach dieser Norm besteht ein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers (nur) im Fall der Unzumutbarkeit der Leistung. Daraus kann aber nicht der (Umkehr-)Schluss gezogen werden, dass im Anwendungsbereich des § 106 GewO unbillige Weisungen verbindlich sind (so aber Hromadka NZA 2017, 601 ff.), eine solche Regelung trifft die Norm nicht. Vielmehr gibt § 106 GewO seinerseits den - gegenüber § 275 Abs. 3 BGB abweichenden - Maßstab vor ( - Rn. 31, BAGE 137, 164). Andernfalls hätte es nahegelegen, im später in Kraft getretenen § 106 GewO auf § 275 Abs. 3 BGB zu verweisen und als Maßstab nicht die Unbilligkeit, sondern die Unzumutbarkeit zu normieren. Dies schließt allerdings nicht aus, dass weitergehend auch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 275 Abs. 3 BGB erfüllt sein können (vgl. dazu Staudinger/Rieble Stand Januar 2015 § 315 Rn. 444, 457 ff.) oder die Norm Anwendung finden kann, wenn die Weisung zum Zeitpunkt ihrer Erteilung zwar rechtmäßig war, aber später Unzumutbarkeit eintritt, zB wegen eines erst nach erteilter Weisung entstehenden Gewissenskonflikts (vgl. dazu Schaub/Linck aaO § 45 Rn. 41 mwN).

71dd) Ebenso wenig ergibt sich aus allgemeinen Grundsätzen der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB eine vorläufige Bindung. Zwar findet § 315 BGB bei der Überprüfung einer Weisung gemäß § 106 GewO grundsätzlich entsprechend Anwendung, nicht aber § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB und die dort vorgesehene gerichtliche Ersatzleistungsbestimmung.

72(1) § 106 Satz 1 GewO verweist hinsichtlich der Ausübung und der Kontrolle billigen Ermessens nicht ausdrücklich auf § 315 BGB. Allerdings ging die Rechtsprechung bereits vor Inkrafttreten des § 106 GewO davon aus, dass sich die Überprüfung einer Weisung am Maßstab billigen Ermessens an den zu § 315 BGB entwickelten Grundsätzen zu orientieren hatte. Dies galt trotz des Umstands, dass mit der Weisung nicht die Leistung des Arbeitgebers bestimmt wird, sondern die hinsichtlich des Umfangs bereits vertraglich festgelegte Gegenleistung des Arbeitnehmers konkretisiert wird (weshalb im Schrifttum teilweise § 316 BGB zur Begründung des Weisungsrechts zusätzlich herangezogen wird, vgl. von Hoyningen-Huene Die Billigkeit im Arbeitsrecht 1978 S. 143). Hieran hat der Gesetzgeber angeknüpft (vgl. Schönleiter/Viethen GewArch 2003, 129 ff., 135) und die befassten Senate des Bundesarbeitsgerichts haben auch zu § 106 GewO an der (entsprechenden) Anwendung des § 315 BGB festgehalten. Die Vorschriften wurden dabei regelmäßig „in einem Atemzug“ („§ 315 BGB“, „§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB“, „§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB“) genannt (vgl. zB  - Rn. 28; - 5 AZR 249/11 - Rn. 24, BAGE 141, 34; - 2 AZR 636/09 - Rn. 17, BAGE 137, 164; - 10 AZR 275/09 - Rn. 31, BAGE 135, 239; - 9 AZR 557/05 - Rn. 48 ff., BAGE 118, 22; ebenso zB AR/Kolbe § 106 GewO Rn. 50; HWK/Lembke 7. Aufl. § 106 GewO Rn. 9; Kühn NZA 2015, 10, 12; MüKoBGB/Würdinger 7. Aufl. § 315 Rn. 67; Schaub/Linck aaO § 45 Rn. 21; Staudinger/Rieble Stand Januar 2015 § 315 Rn. 185). Nach anderer Auffassung soll § 315 BGB neben § 106 GewO als arbeitsrechtlicher Spezialnorm nicht anwendbar sein (insbesondere ErfK/Preis 17. Aufl. § 106 GewO Rn. 1; Hromadka FS von Hoyningen-Huene S. 145 ff.; NK-GA/Boecken/Pils § 106 Rn. 6, 66 ff.; kritisch wohl auch Thüsing jM 2014, 20, 21), wobei auch die Vertreter dieser Auffassung wohl weder den Begriff des billigen Ermessens noch das gerichtliche Kontrollsystem verändert sehen wollen.

73(2) An einer entsprechenden Anwendung des § 315 BGB unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Weisungsrechts ist festzuhalten. Dabei hat die Ausübung des Weisungsrechts nach ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung gemäß § 106 Satz 1 BGB immer nach billigem Ermessen zu erfolgen, insoweit wird die Zweifelsregelung des § 315 Abs. 1 BGB verdrängt. Hinsichtlich des Begriffs des billigen Ermessens gibt es hingegen keinen Grund, im Rahmen des § 106 Satz 1 GewO von den allgemeinen Maßstäben abzuweichen. Gleiches gilt im Hinblick auf § 315 Abs. 2 BGB, wonach die Leistungsbestimmung durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil zu erfolgen hat. Nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil (nur) verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Dies gilt auch für das Weisungsrecht nach § 106 GewO. Dabei folgt aus der Norm im Umkehrschluss zunächst, dass die Leistungsbestimmung für den Berechtigten grundsätzlich verbindlich ist (vgl. dazu  - Rn. 40 f. mwN, BAGE 139, 296). Dies gilt auch im Bereich der Ausübung des Weisungsrechts. Eine vom Arbeitgeber hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Arbeitsleistung vorgenommene Weisung hat für diesen Bestand, bis sie von ihm durch eine andere (wirksame) Weisung ersetzt wird ( - Rn. 15, BAGE 135, 239; Schaub/Linck aaO § 45 Rn. 18). Der Arbeitnehmer kann (und muss) seine Arbeitsleistung so erbringen, wie sie durch die letzte wirksame Weisung konkretisiert wurde. Die Erteilung einer neuen Weisung durch den Arbeitgeber ist - anders als zB bei der Festsetzung einer Bonusleistung für ein bestimmtes Jahr - mit Wirkung für die Zukunft im Rahmen der arbeitsvertraglichen Bestimmungen jederzeit möglich (diesen Aspekt übersieht Hromadka NZA 2017, 601, 603). Für den Arbeitnehmer ist die Weisung hingegen - wie § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB bereits nach seinem Wortlaut anordnet - nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht ( - Rn. 16, 39 - unklar aber Rn. 25 -, BAGE 137, 164; - 2 AZR 606/08 - Rn. 25; - 2 AZR 633/88 - zu II 2 b der Gründe; - 2 AZR 285/88 - zu B I 1 b ff. der Gründe, BAGE 62, 59; - 2 AZR 436/83 - zu B III 2 c bb der Gründe, BAGE 47, 363; HWK/Lembke 7. Aufl. § 106 GewO Rn. 116a; MüKoBGB/Gottwald 5. Aufl. § 315 Rn. 67; Münchner Handbuch ArbR/Reichold 3. Aufl. § 36 Rn. 29; Staudinger/Rieble aaO § 315 Rn. 186; Tettinger/Wank/Ennuschat/Wank aaO GewO 8. Aufl. § 106 Rn. 33; vgl. zur Diskussion, ob bei einem Glaubens- und Gewissenskonflikt vorrangig § 275 Abs. 3 BGB Anwendung finden muss einerseits  - Rn. 30 f. aaO, andererseits Schaub/Linck aaO § 45 Rn. 41).

74(3) Aus § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB ergibt sich nichts anderes; die Norm ist im Bereich des Weisungsrechts nicht, auch nicht entsprechend anwendbar.

75(a) Entspricht eine einseitige Leistungsbestimmung nicht der Billigkeit, wird die Bestimmung grundsätzlich durch Urteil getroffen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB). Dem Gläubiger ist damit ein - nicht fristgebundenes, aber durch den Gesichtspunkt der Verwirkung begrenztes - Klagerecht eingeräumt. Die Klage kann auch unmittelbar auf die Leistung gerichtet werden (vgl. zB  - Rn. 32 mwN auch aus der zivilgerichtlichen Rechtsprechung). Ohne eine solche gerichtliche Ersatzleistungsbestimmung könnte der Anspruchsinhaber im Bereich der „klassischen“ Leistungsbestimmungsrechte bei einer unbilligen oder verzögerten Leistungsbestimmung seinen Anspruch nicht durchsetzen, er kennt ihn nicht einmal. Auf etwa vorher festgesetzte Leistungen kann - da es sich um einen neuen Anspruch auf Leistungsfestsetzung handelt - nicht zurückgegriffen werden. Dies betrifft insbesondere Geldleistungen, so zB Bonuszahlungen (vgl. zB  - [umfangreich zur gerichtlichen Ersatzleistungsbestimmung] Rn. 29 f.).

76(b) Anders ist dies im Anwendungsbereich des § 106 Satz 1 GewO bei der Ausübung des arbeitsvertraglichen Weisungsrechts. Diese betrifft die Gegenleistung des Arbeitnehmers. Eine vom Arbeitgeber hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Arbeitsleistung vorgenommene Weisung hat insoweit Bestand, bis sie vom Arbeitgeber durch eine andere (wirksame) Weisung ersetzt wird ( - Rn. 15, BAGE 135, 239). Damit sind für beide Vertragsparteien regelmäßig die wechselseitigen Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit der Erbringung der Arbeitsleistung bestimmt, sofern es auch nur einmal zur wirksamen Ausübung des Weisungsrechts kam. Unterlässt der Arbeitgeber jegliche Ausübung des Weisungsrechts auch zu Beginn des Arbeitsverhältnisses bzw. fehlt es insoweit an einer wirksamen Weisung, kann der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung mangels entsprechender Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers nicht erbringen (vgl. zu einem Fall der Nichtausübung des Weisungsrechts auch  - BAGE 148, 16). In einem solchen Fall hat der Arbeitgeber das Risiko der Vergütungs- bzw. Schadensersatzpflicht (vgl. zur Abgrenzung zwischen Annahmeverzugs- und Schadensersatzansprüchen  - BAGE 134, 296) zu tragen, ohne im Gegenzug mangels wirksamer Mitwirkungshandlung die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers zu erhalten. Seinen Beschäftigungsanspruch kann der Arbeitnehmer wiederum geltend machen, indem er eine Leistungsklage auf tatsächliche Beschäftigung erhebt. Dabei kann (und muss) der Antrag bei im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebener Arbeitspflicht aus materiell-rechtlichen Gründen nicht so genau sein, dass er auf eine ganz bestimmte im Einzelnen beschriebene Tätigkeit oder Stelle zugeschnitten ist. Ausreichend und erforderlich ist, dass die Art der ausgeurteilten Beschäftigung des Arbeitnehmers aus dem Titel ersichtlich ist (näher dazu  - Rn. 44, BAGE 152, 1; - 3 AZB 93/08 - Rn. 19, BAGE 130, 195).

77(c) Eine gerichtliche Ersatzleistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB scheidet hingegen im Anwendungsbereich des § 106 GewO aus. Durch sein Weisungsrecht konkretisiert der Arbeitgeber die Erbringung der Arbeitsleistung im Betrieb. Die Mitwirkungshandlung iSv. §§ 295, 296 BGB ist erforderlich, um dem Arbeitnehmer die Leistungserbringung zu ermöglichen ( - Rn. 38), der Arbeitnehmer kann sich einer rechtlich einwandfreien Konkretisierung der Arbeitspflicht nach § 106 Satz 1 GewO nicht entziehen, indem er eine andere, ebenfalls vertragsgemäße Arbeit anbietet ( - Rn. 24, BAGE 126, 316). Ebenso wenig könnte im Fall einer unbilligen Leistungsbestimmung das Gericht Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung an Stelle des Arbeitgebers festlegen. Ein solches Gestaltungsurteil scheidet aus, es würde sich um einen unzulässigen Eingriff in die Organisationshoheit des Arbeitgebers handeln (vgl. dazu zB  - Rn. 27 f.), den § 106 GewO weder vorsieht noch zulässt (vgl. zB AR/Kolbe aaO § 106 GewO Rn. 66; Busemann ZTR 2015, 63, 66, 71; Fischer FA 2014, 38, 39; Hromadka/Maschmann 6. Aufl. § 6 Rn. 24a; MüKoBGB/Gottwald 5. Aufl. § 315 BGB Rn. 67; NK-GA/Boecken/Pils § 106 GewO Rn. 67 [bereits generell die Anwendbarkeit des § 315 ablehnend]; Staudinger/Rieble aaO § 315 BGB Rn. 187; im Ergebnis ebenso für den Fall der „Unzufriedenheit mit bestimmten vom Arbeitgeber übertragenen Arbeiten“ bereits Söllner Einseitige Leistungsbestimmung im Arbeitsverhältnis 1966 S. 125; aA ohne Begründung MünchArbR/Reichold 3. Aufl. § 36 Rn. 31). Auch in der Rechtsprechung sind - ohne dies überhaupt zu thematisieren - weder vor noch nach Inkrafttreten des § 106 GewO Weisungen im Wege der Ersatzleistungsbestimmung ausgeurteilt worden (vgl. zur Abgrenzung auch  - BAGE 148, 16 [für den Fall der Nichtausübung des Weisungsrechts, allerdings missverständlich § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB zitierend]). Soweit der Vierte Senat in der Entscheidung vom (- 4 AZR 468/14 - Rn. 19 ff., BAGE 154, 83) § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB erwähnt, wird klargestellt, dass der Arbeitnehmer, der mit seiner Klage die Billigkeit einer nur vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit im Sinne der tarifvertraglichen Regelung des öffentlichen Dienstes angreift, regelmäßig die bloße Kassation des Merkmals „vorübergehend“ anstrebt. Dies habe nach den tariflichen Vorschriften zur Folge, dass die höherwertige Tätigkeit als von Anfang an dauerhaft übertragen gilt. Ähnliches gilt bei tariflichen Ansprüchen auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses (vgl. zB zuletzt  - Rn. 30).

78(d) Entgegen der Auffassung des Fünften Senats ( - 5 AZR 249/11 - Rn. 24, BAGE 141, 34) lassen sich daher aus der Gestaltungswirkung der Ersatzleistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB keine Anhaltspunkte für die Frage der Verbindlichkeit einer unbilligen Weisung herleiten. Die als Beleg zitierten Entscheidungen ( -; - 5 AZR 304/65 -;  - BGHZ 167, 139) betrafen dementsprechend nicht die Ausübung des Weisungsrechts, sondern Ersatzleistungsbestimmungen nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB. Eine Klageobliegenheit des von der unbilligen Weisung betroffenen Arbeitnehmers ergibt sich daraus nicht (Boemke NZA 2013, 6 ff., 10; Schaub/Linck aaO § 45 Rn. 19; allg. MüKoBGB/Gottwald 5. Aufl. § 315 Rn. 44).

79c) Sinn und Zweck des Weisungsrechts in der Form, wie es durch § 106 GewO ausgestaltet ist, verlangen gleichfalls keine vorläufige Verbindlichkeit einer unbilligen Weisung, sondern stehen einer solchen vielmehr entgegen.

80aa) Das Weisungsrecht soll dem Arbeitgeber ermöglichen, den Arbeitsvertrag und die dort regelmäßig nur rahmenmäßig ausgestaltete Arbeitspflicht in der von ihm gewollten Form zu konkretisieren. § 106 GewO normiert dabei ausdrücklich Grenzen, die zum einen in den rechtlichen Rahmenbedingungen (Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarungen, Tarifvertrag, Gesetz) und zum anderen im billigen Ermessen liegen. Dabei soll die Ausübung des Weisungsrechts - anders als noch der Wortlaut von § 121 GewO nahelegte, ohne dass die Rechtsprechung die Vorschrift so verstand - nicht in einem „Über- oder Unterordnungsverhältnis“ erfolgen, sondern in einem „eher partnerschaftliche[n] Miteinander“ im Arbeitsverhältnis (so ausdrücklich die Gesetzesbegründung BT-Drs. 14/8796 S. 24). Mit einer solchen Zielrichtung ist ein Verständnis, wonach der Arbeitnehmer sanktionsbewehrt an unbillige Weisungen gebunden sein soll, nicht vereinbar.

81bb) Es bestehen auch keine praktischen Gründe, von einer vorläufigen Verbindlichkeit auszugehen. Spricht der Arbeitgeber eine Weisung aus, ist diese für ihn als Bestimmungsberechtigten verbindlich. Befolgt der Arbeitnehmer diese Weisung und erbringt er - unabhängig von einer möglichen Unbilligkeit - seine Arbeitsleistung, wird das Arbeitsverhältnis in der Form durchgeführt, die der Arbeitgeber begehrt. Eine Verpflichtung des Arbeitnehmers, sich gegen unbillige Weisungen zu wehren, besteht nicht, vielmehr kann er diese hinnehmen (vgl. zB  - zu 1.1.1.3.3.3 der Gründe; Staudinger/Rieble aaO § 315 Rn. 414). Ändert der Arbeitnehmer insoweit seine Auffassung, kann sein Recht zur Geltendmachung der Unbilligkeit - wie jedes andere Recht - verwirken (vgl. zu diesem Aspekt:  - zu A II 3 c der Gründe; Schaub/Linck aaO § 45 Rn. 19a). Akzeptiert der Arbeitnehmer hingegen eine Weisung, die er als unbillig ansieht, nicht und erbringt keine Arbeitsleistung, trägt er das Risiko, ob ein Gericht im Rahmen der Prüfung nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB seine Einschätzung teilt (vgl. zur Risikoverteilung:  - Rn. 32; - 2 AZR 449/15 - Rn. 29). Ist dies nicht der Fall, kann der Arbeitgeber Sanktionen aussprechen und der Arbeitnehmer verliert seinen Vergütungsanspruch. Erzwingen könnte der Arbeitgeber die Erbringung der Arbeitsleistung im Hinblick auf § 888 Abs. 3 ZPO in keinem Fall. Erweist sich die Weisung hingegen als unbillig, hat der Arbeitgeber - soweit die sonstigen Voraussetzungen vorliegen - nach § 615 iVm. § 611 BGB bzw. im Wege des Schadensersatzes die Vergütung zu leisten, ohne einen Nachleistungsanspruch zu haben. Denjenigen, der eine unbillige Weisung erteilt, trifft dementsprechend das Risiko der Unwirksamkeit dieser Weisung; dieses kann nicht auf den Vertragspartner abgewälzt werden (vgl. zu einer ähnlichen Risikoverteilung zwischen Verbraucher und Versorgungsunternehmen:  -; - VIII ZR 81/82 -; Schaub/Linck aaO § 45 Rn. 19a). Bei Annahme einer vorläufigen Verbindlichkeit unbilliger Weisungen könnte der Arbeitgeber diese hingegen risikolos erteilen. Folgt der Arbeitnehmer ihnen nicht, wäre er Sanktionen bis hin zur Kündigung ausgesetzt, obwohl die Weisung nicht den gesetzlichen Anforderungen und damit der objektiven Rechtslage entspricht (vgl. zu diesem Aspekt  - zu II 2 der Gründe). Folgt ihr der Arbeitnehmer hingegen und stellt das Gericht später deren Unbilligkeit fest, bliebe dies für den Arbeitgeber faktisch folgenlos. Damit geht es nicht um die Beseitigung von Rechtsunklarheiten (so aber  -), sondern es erscheint nicht völlig polemisch, eine solche Situation als „Spielwiese für trennungswillige Arbeitgeber“ zu qualifizieren (Schauß ArbR Aktuell 2016, 518, 519).

82d) Schließlich spricht - wie bereits dargelegt - auch die Entstehungsgeschichte des § 106 GewO für die hier vertretene Auffassung. Obwohl der Wortlaut des § 121 GewO vielleicht noch auf ein anderes Verständnis hindeutete („den Anordnungen der Arbeitgeber … Folge zu leisten“), hatte die Rechtsprechung bereits aus dieser Norm solche Schlussfolgerungen nicht gezogen, sondern eine Unwirksamkeit unbilliger Weisungen angenommen. Dies hat der Gesetzgeber aufgegriffen und sich ein mögliches anderes Verständnis von § 121 GewO nicht zu eigen gemacht (BT-Drs. 14/8796 S. 16, 24).

83VIII. Mit dieser Rechtsauffassung zur Unverbindlichkeit unbilliger Weisungen weicht der Senat in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von der Rechtsauffassung des Fünften Senats ( - 5 AZR 249/11 - Rn. 24, BAGE 141, 34) ab. Unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats wäre die Revision der Beklagten hinsichtlich des Feststellungsantrags und der hieran für die weiteren Anträge anknüpfenden Folgen unbegründet. Unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Fünften Senats wäre die Revision hingegen begründet. Gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG fragt daher der Zehnte Senat beim Fünften Senat an, ob dieser an seiner Rechtsauffassung festhält.

84C. Bis zu dessen Entscheidung wird der Rechtsstreit entsprechend § 148 ZPO ausgesetzt.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2017:140617.B.10AZR330.16A.0

Fundstelle(n):
BB 2017 S. 2163 Nr. 37
DStR 2017 S. 2753 Nr. 50
DAAAG-55811