Gründe
Der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger), Angestellter im öffentlichen Dienst, ist im Jahr 1986 rückwirkend für mehrere Kalenderjahre von seinem Arbeitgeber, dem Land Nordrhein-Westfalen (Land), bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder im Hinblick auf eine irrtümlich unterbliebene Zusatzversorgung nachversichert worden. Gleichzeitig entrichtete das Land die auf den Nachversicherungsbetrag entfallenden Lohn- und Lohnkirchensteuern an das Betriebsstättenfinanzamt.
Bei der Einkommensteuerveranlagung 1986 erfasste der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt —FA—) den Nachversicherungsbetrag als Arbeitslohn und rechnete die Lohn- und Lohnkirchensteuer auf die festgesetzte Einkommen- und Kirchensteuer an. Später erstattete das Betriebsstättenfinanzamt jedoch auf Ersuchen des Landesamtes für Besoldung und Versorgung die auf den Nachversicherungsbetrag entfallenden Lohn- und Lohnkirchensteuern an dieses ohne Zustimmung des Klägers zurück.
Daraufhin änderte das FA den ursprünglichen Einkommensteuerbescheid 1986 und lehnte die Anrechnung der erstatteten Lohn- und Lohnkirchensteuern auf die festgesetzte Einkommen- und Kirchensteuer ab.
Auf Antrag des Klägers erließ das FA einen Abrechnungsbescheid zur Einkommensteuer 1986, in dem die Anrechnung der erstatteten Lohn- und Lohnkirchensteuern ebenfalls abgelehnt wurde.
Die dagegen nach erfolglosem Vorverfahren beim Finanzgericht (FG) erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG urteilte, dass die auf den Nachversicherungsbetrag entrichteten Lohn- und Lohnkirchensteuern auf die festgesetzte Einkommen- und Kirchensteuer anzurechnen seien. Zwar seien die materiellen Voraussetzungen der Anrechnung wegen der zwischenzeitlichen Erstattung nicht gegeben. Beim Erlass des Abrechnungsbescheides müsse aber der eingeschränkte Bestandsschutz der im ursprünglichen Einkommensteuerbescheid enthaltenen Anrechnungsverfügung beachtet werden. Die Anrechnungsverfügung sei ein bestätigender Verwaltungsakt mit Bindungswirkung, der nur unter den Voraussetzungen der §§ 130 ff. der Abgabenordnung (AO 1977) geändert werden könne. Zwar werde durch den Abrechnungsbescheid die Anrechnungsverfügung nicht formal aufgehoben, gleichwohl trete der Abrechnungsbescheid faktisch an die Stelle der Anrechnungsverfügung und regele denselben Sachverhalt. Das durch die Anrechnungsverfügung begründete Vertrauen müsse daher gegenüber einem nachfolgenden Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 AO 1977 berücksichtigt werden. Die Voraussetzungen für eine Änderung der ursprünglichen Anrechnungsverfügung gemäß §§ 130 ff. AO 1977 lägen jedoch nicht vor.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des FG hat das FA Beschwerde eingelegt. Das Urteil des FG stimme zwar mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats (Senatsurteil vom VII R 100/96, BFHE 182, 506, BStBl II 1997, 787) überein. Danach sei die Anrechnungsverfügung ein Verwaltungsakt mit Bindungswirkung und das durch die Anrechnungsverfügung begründete Vertrauen sei gegenüber einem nachfolgenden Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 AO 1977 im Rahmen des § 130 Abs. 2 AO 1977 zu schützen. Diese Rechtsfrage werde aber von dem I. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) in den Urteilen vom I R 100/92 (BFHE 171, 397, BStBl II 1993, 836) und I R 123/91 (BFHE 170, 573, BStBl II 1994, 147) anders beurteilt. Danach entfalte die Anrechnungsverfügung keine Bindungswirkung. Die Frage der Änderungsmöglichkeit der Anrechnungsverfügung sei für den Erlass des Abrechnungsbescheides gemäß § 218 Abs. 2 AO 1977 bedeutungslos, da diese Regelung gegenüber den Änderungsvorschriften der §§ 130 ff. AO 1977 vorgreiflich sei. Die streitige Rechtsfrage sei dem Großen Senat des BFH bislang mangels Entscheidungserheblichkeit nicht vorgelegt worden. Im vorliegend zu entscheidenden Fall sei die Entscheidungserheblichkeit aber zu bejahen, da unter Heranziehung der Rechtsprechung des I. Senats die Klage abzuweisen wäre. Der Rechtsfrage, ob bei Erlass eines Abrechnungsbescheides eine Bindungswirkung an eine zuvor ergangene Anrechnungsverfügung bestehe und demzufolge der Abrechnungsbescheid nur unter den engen Voraussetzungen der §§ 130, 131 AO 1977 ergehen dürfe, komme schon wegen der unterschiedlichen Beurteilungen der beiden Senate des BFH aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtseinheitlichkeit grundsätzliche Bedeutung zu.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
1. Die Revision ist nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der nach Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom insoweit noch anzuwendenden bisherigen Fassung (FGO a. F.) zuzulassen, da die Entscheidung des FG nicht in entscheidungserheblicher Weise von den Urteilen des I. Senats in BFHE 171, 397, BStBl II 1993, 836 und in BFHE 170, 573, BStBl II 1994, 147 abweicht.
Eine Abweichung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO a.F. liegt nur dann vor, wenn die angebliche Divergenzentscheidung des BFH auf der Rechtsauffassung, von der das FG abgewichen ist, beruht. Die betreffende Rechtsauffassung des BFH muss also der tragende Grund oder einer der tragenden Gründe gewesen sein. Abweichungen von nur beiläufig geäußerten Rechtsansichten bleiben für die Zulassung außer Betracht (vgl. , BFH/NV 1995, 815).
Der erkennende Senat hat bereits in seinem Urteil in BFHE 182, 506, BStBl II 1997, 787 im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen zur Anrufung des Großen Senats wegen Abweichung gemäß § 11 Abs. 2 FGO ausgeführt, dass die Rechtsauffassung in den Urteilen des I. Senats in BFHE 171, 397, BStBl II 1993, 836 und in BFHE 170, 573, BStBl II 1994, 147, wonach in einem nachfolgenden Abrechnungsstreit keinerlei Bindung an eine zuvor ergangene Anrechnungsverfügung bestehe, nicht entscheidungserheblich gewesen sei, es sich dabei vielmehr um obiter dicta, also nur um beiläufige Äußerungen einer Rechtsansicht gehandelt habe (so auch: Völlmeke, Probleme bei der Anrechnung von Lohnsteuer, Der Betrieb —DB— 1994, 1746, 1751; Brenner in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 36 Rdnr. A 238; Schmieszek in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 218 AO 1977 Rz. 37.3). Der erkennende Senat sieht keine Veranlassung von dieser rechtlichen Beurteilung abzurücken. Das Vorliegen einer Divergenz kann daher nicht, wie das FA meint, deshalb bejaht werden, weil die streitige Rechtsfrage im vorliegenden Verfahren anders als in den angeführten Entscheidungen des I. Senats des BFH entscheidungserheblich ist. Insoweit verkennt das FA, dass die benannten Divergenzentscheidungen auf der Rechtsauffassung, von der das FG abgewichen ist, beruhen müssen. Dies ist wie dargelegt nicht der Fall.
2. Die Zulassung der Revision kann auch nicht auf § 115 Abs. 1 Nr. 1 FGO gestützt werden, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat. Die Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung kommt nur wegen einer klärungsbedürftigen und klärungsfähigen Rechtsfrage in Betracht.
Vorliegend fehlt es schon an der Klärungsbedürftigkeit, weil die vom FA aufgeworfene Rechtsfrage bereits durch eine Entscheidung des BFH geklärt worden ist und trotz des Vortrags des FA keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erforderlich machen (, BFHE 113, 409, BStBl II 1975, 196). Der erkennende Senat hat in dem Urteil vom VII R 159/83 (BFHE 148, 4, BStBl II 1987, 405) und darauf Bezug nehmend in dem Urteil in BFHE 182, 506, BStBl II 1997, 787 die aufgeworfene Rechtsfrage dahin gehend beantwortet, dass eine fehlerhafte Anrechnung von Steuern in einer Anrechnungsverfügung auch durch einen nachfolgenden Abrechnungsbescheid nur dann zum Nachteil des Steuerpflichtigen geändert werden kann, wenn eine der Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 AO 1977 für die Rücknahme der Anrechnungsverfügung gegeben ist. Dieser Rechtsansicht, an der der erkennende Senat festhält, hat sich das FG in der angefochtenen Entscheidung angeschlossen.
Ebenso fehlt es an der Klärungsfähigkeit, da eine Klärung der von dem FA aufgeworfenen Rechtsfrage in dem angestrengten Revisionsverfahren nicht zu erwarten ist. Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats wäre die von dem FA gewünschte weitere Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage nur dann zu erwarten, wenn diese dem Großen Senat gemäß § 11 Abs. 4 FGO im Hinblick auf die abweichende Rechtsansicht des I. Senats in den Urteilen in BFHE 171, 397, BStBl II 1993, 836 und in BFHE 170, 573, BStBl II 1994, 147 vorgelegt würde. Eine diesbezügliche Notwendigkeit der Vorlage an den Großen Senat hat der erkennende Senat jedoch bereits in dem Urteil in BFHE 182, 506, BStBl II 1997, 787 verneint. Neue Gesichtspunkte, die nunmehr eine Vorlage rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
XAAAA-67372