BFH Beschluss v. - VII B 10/01

Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), von Beruf Spediteur, ist Geschäftsführer der Firma S, die eine internationale Spedition mit Sitz in Belgien betreibt. Im Herbst des Jahres 1990 stellte er den belgischen Staatsangehörigen M als Fahrer ein. Auf Grund von Ermittlungen der Zollfahndung kam das damals zuständige Hauptzollamt ..., dessen Zuständigkeiten inzwischen auf den Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt —HZA—) übergegangen sind, zu dem Ergebnis, dass sich der Kläger u.a. mit M in der Zeit vom bis zum an einem Einfuhrschmuggel von Rindern aus Polen beteiligte. Durch jeweils rechtskräftige Urteile des Landgerichts…wurden M und zwei weitere Beteiligte an dem Einfuhrschmuggel wegen Abgabenhinterziehung verurteilt. Das gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde an Belgien abgegeben. Das Strafverfahren gegen den Kläger ist derzeit beim Appellationsgericht in Brüssel anhängig. Gestützt auf die Feststellungen der Zollfahndung wurde der Kläger mit dem angefochtenen Steuerhaftungsbescheid vom für…Einfuhren, die in dem genannten Zeitraum stattfanden, als Mittäter an der Steuerhinterziehung über insgesamt ... DM Eingangsabgaben in Anspruch genommen. Einspruch (Einspruchsentscheidung vom ) und Klage hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) führte u.a. aus, der Kläger sei zu Recht als Haftender für die durch die Entziehung der Rinder aus der zollamtlichen Überwachung (externes gemeinschaftliches Versandverfahren) entstandenen Eingangsabgaben gemäß § 71 der Abgabenordnung (AO 1977) in Anspruch genommen worden, weil der Kläger Mittäter einer gemeinsam mit M begangenen Steuerhinterziehung sei, was sich aus im Einzelnen vom FG zitierten Feststellungen des Landgerichts…in den drei genannten Strafurteilen ergebe. Danach stehe nach Überzeugung des FG fest, dass der Kläger als Mittäter gemeinsam mit M in den…streitgegenständlichen Fällen Einfuhrschmuggel betrieben und dadurch bewusst und gewollt Eingangsabgaben verkürzt habe.

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision durch das FG. Er macht geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, das Urteil weiche von Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) ab und die angefochtene Entscheidung beruhe auf einem Verfahrensmangel.

II. Die Beschwerde, deren Zulässigkeit noch nach den Vorschriften der Finanzgerichtsordnung (FGO) in ihrer vor dem geltenden Fassung (FGO a.F.) zu beurteilen ist, weil das Urteil vor diesem Zeitpunkt verkündet wurde (Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom , BGBl I 2000, 1757), ist unzulässig. Der Kläger hat keinen der geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO a.F.) in der nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F. erforderlichen Weise dargelegt bzw. bezeichnet.

1. Für von grundsätzlicher Bedeutung hält der Kläger die Frage, ”ob und in welchem Umfang Personen, (die) wie der Kläger im weiteren Umfeld damit zu tun haben sollen, dass Waren aus der zollamtlichen Überwachung entzogen werden (für die Eingangsabgaben in Anspruch genommen werden können)”.

Es kann dahinstehen, ob die Beschwerdebegründung in Bezug auf den vom Kläger in diesem Zusammenhang genannten Art. 203 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex —ZK—) des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 302/1) ausreichend wäre. Denn diese Vorschrift findet im Streitfall noch keine Anwendung, weil maßgebend die Vorschriften sind, die im Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld im Jahre 1991 gegolten haben. Das aber ist nicht die genannte, erst ab geltende Bestimmung des ZK (Art. 253 ZK), sondern sind die Vorschriften der Verordnung (EWG) Nr. 1031/88 (VO Nr. 1031/88) des Rates vom über die zur Erfüllung einer Zollschuld verpflichteten Personen. Danach sind u.a. neben demjenigen, der die Ware tatsächlich der zollamtlichen Überwachung entzogen hat (Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 1031/88), nach Maßgabe der geltenden Vorschriften der Mitgliedstaaten zur Erfüllung der Zollschuld gesamtschuldnerisch auch die in Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a und b VO Nr. 1031/88 genannten Personen verpflichtet. Unberührt davon bleiben weiter die in den Mitgliedstaaten bestehenden Regelungen, wonach noch andere Personen zur Erfüllung der Zollschuld verpflichtet sind (Art. 10 Buchst. a VO Nr. 1031/88). In der Bundesrepublik Deutschland enthielten § 57 Abs. 2 Satz 2 des Zollgesetzes und § 71 AO 1977 die maßgebenden Vorschriften.

In Bezug auf die danach im Streitfall einschlägigen Vorschriften, die im Gegensatz zu Art. 203 ZK —soweit hier erheblich— noch durch die Mitgliedstaaten festgelegt waren, hat der Kläger indes die grundsätzliche Bedeutung der aufgeworfenen Frage nicht hinreichend dargelegt, weil insoweit jede Auseinandersetzung mit der angeblichen Problematik der aufgeworfenen Frage in der Beschwerdeschrift fehlt. Im Übrigen handelt es sich bei diesen Vorschriften um ausgelaufenes Recht. Deshalb hätte es auch besonderer Ausführungen dazu bedurft, weshalb diesbezüglich noch eine grundsätzliche Klärung der Frage als notwendig erscheint (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom VII B 120/97, BFH/NV 1998, 281).

2. Ferner lässt sich dem Beschwerdevorbringen nicht schlüssig die behauptete Abweichung der Entscheidung von der Rechtsprechung des BFH entnehmen.

Zur Darlegung einer angeblichen Abweichung des FG-Urteils von Entscheidungen des BFH wäre es erforderlich gewesen, abstrakte Rechtssätze aus den in Bezug genommenen Entscheidungen herauszuarbeiten und so einander gegenüberzustellen, dass deren Abweichung von einander deutlich wird (vgl. , BFH/NV 2000, 1507). Daran fehlt es im Streitfall. Die Beschwerde nennt keine abstrakten Rechtssätze aus der Entscheidung des FG, die den angeführten Entscheidungen des BFH entgegenstehen. Es wird auch nicht deutlich, inwieweit das FG-Urteil auf einer angeblichen Abweichung von den Entscheidungen des BFH in der Weise beruhen könnte, dass das FG zu einem anderen Ergebnis hätte kommen müssen, wenn es der angeführten Rechtsprechung des BFH gefolgt wäre.

3. Die Beschwerdeausführungen bezeichnen schließlich auch keine Verfahrensfehler in hinreichender Weise. Abgesehen davon, dass der Kläger nicht einmal Verfahrensvorschriften benennt, gegen die das FG verstoßen haben soll, lässt sich den diesbezüglichen Rügen auch sonst kein Verfahrensfehler entnehmen.

Anders als der Kläger meint, wird mit der Rüge, das FG habe angeblich notwendige Tatsachenfeststellungen nicht getroffen (Abschn. III Buchst. a und b der Beschwerde), kein Verfahrensfehler geltend gemacht. Vielmehr wird damit der materiell-rechtliche Fehler beanstandet, dass die vom FG ausgesprochene Rechtsfolge nicht durch ausreichende tatsächliche Feststellungen gedeckt ist (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Anm. 27). Ein solcher Fehler wäre aber, selbst wenn er vorläge, kein Zulassungsgrund.

Ein Verfahrensfehler ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht darin zu sehen, dass das FG ohne eigene Sachverhaltsaufklärung von Tatsachenfeststellungen ausgegangen ist, die es Strafurteilen gegen Dritte entnommen hat. Nach der Rechtsprechung des BFH ist es vielmehr grundsätzlich zulässig, dass sich das FG strafgerichtliche Feststellungen auch dann zu eigen macht, wenn der im finanzgerichtlichen Verfahren betroffene Beteiligte an dem strafgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt war (vgl. , BFH/NV 1990, 300; , Steuerrechtsprechung in Karteiform, Finanzgerichtsordnung, § 76 Rechtsspruch 88 a; , BFHE 153, 463). Das FG hat sich in der mündlichen Verhandlung und in der angefochtenen Entscheidung mit den Einwendungen des Klägers gegen die strafgerichtlichen Feststellungen auseinander gesetzt. Insoweit handelt es sich um eine vom FG vorgenommene Beweiswürdigung, die dem materiellen Recht zuzurechnen ist, und daher, soweit sie zu beanstanden wäre, keinen Verfahrensfehler darstellt.

Soweit der Kläger rügen möchte, dass das FG gegen seine Verpflichtung zur Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO), den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 81 FGO) verstoßen oder das Recht des Klägers auf Gehör (§ 96 FGO) verletzt habe, weil es sich nur auf die strafgerichtlichen Feststellungen gestützt hat, obwohl er diese in seinem Schriftsatz vom bestritten habe, fehlt es zur schlüssigen Bezeichnung eines insoweit etwa in Betracht kommenden Verfahrensfehlers an Ausführungen dazu, warum er solche Verfahrensverstöße nicht schon —spätestens in der mündlichen Verhandlung— vor dem FG gerügt hat, obwohl er in diesem Termin durch einen sachkundigen Prozessbevollmächtigten vertreten war, oder weshalb diesem eine solche Rüge nicht möglich gewesen ist (vgl. , BFH/NV 1993, 34). Denn auf die Geltendmachung dieser Verfahrensmängel kann verzichtet werden (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung); von einem solchen Verzicht ist auszugehen, wenn die betreffenden Verfahrensmängel nicht rechtzeitig gerügt werden (vgl. , BFHE 121, 286, BStBl II 1977, 348, 349; vom II R 39/94, BFH/NV 1996, 757). Die bloße Bezugnahme des Klägers auf den in der 1. Instanz vorgelegten Schriftsatz vom , in dem dargestellt worden sei, dass und warum die Passagen der drei Strafurteile, soweit sie sich mit dem Kläger befassen, nicht richtig sein können, reicht insoweit nicht aus. Es hätte vielmehr eingehender Ausführungen dazu bedurft, welche Beweisanträge gestellt und trotz entsprechender Rüge übergangen worden sein sollen oder weshalb sich dem FG auch ohne solche Anträge eine weitere Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen. Dazu wird aber in der Beschwerde nichts vorgetragen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
HAAAA-67334