EuGH Urteil v. - C-126/15

Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Verbrauchsteuern auf Zigaretten – Richtlinie 2008/118/EG – Entstehung des Steueranspruchs – Ort und Zeitpunkt der Entstehung des Steueranspruchs – Steuerzeichen – Freier Verkehr von verbrauchsteuerpflichtigen Waren – Zeitliche Begrenzung für die Vermarktung und den Verkauf von Zigarettenpackungen – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

Instanzenzug:

Gründe

1Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass die Portugiesische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 7, Art. 9 Abs. 1 und Art. 39 Abs. 3 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. 2009, L 9, S. 12) sowie aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen hat, dass sie ein Verbot erlassen hat, Zigarettenpackungen, die in einem bestimmten Wirtschaftsjahr bereits besteuert und in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt worden waren, nach Ablauf der übermäßig kurzen, in Art. 27 der Portaria n.° 1295/2007 do Ministério das Finanças e da Administração Pública (Durchführungsverordnung Nr. 1295/2007 des Ministeriums für Finanzen und öffentliche Verwaltung) vom (Diário da República, Reihe 1, Nr. 189 vom ) in der auf die vorliegende Klage anwendbaren Fassung (im Folgenden: Durchführungsverordnung Nr. 1295/2007) vorgesehenen Frist öffentlich zu vermarkten und zu verkaufen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

2Der 31. Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/118 lautet:

"Mitgliedstaaten sollte es erlaubt sein festzulegen, dass in den steuerrechtlich freien Verkehr überführte Waren mit Steuerzeichen oder mit nationalen Erkennungszeichen versehen sind. Die Verwendung solcher Steuer- bzw. Erkennungszeichen sollten keine Hemmnisse für den innergemeinschaftlichen Handel schaffen.

Da die Verwendung dieser Steuer- bzw. Erkennungszeichen nicht zu einer Doppelbesteuerung führen darf, sollte klargestellt werden, dass der Mitgliedstaat, der die Zeichen ausgegeben hat, jeden Betrag, der dafür bezahlt oder als Sicherheit geleistet wurde, erstattet, erlässt oder freigibt, wenn die Steuerschuld in einem anderen Mitgliedstaat entstanden ist und dort auch eingezogen wurde.

Um allerdings jede Form des Missbrauchs zu vermeiden, können die Mitgliedstaaten, die diese Steuer- bzw. Erkennungszeichen ausgegeben haben, die Erstattung, den Erlass oder die Freigabe davon abhängig machen, dass ein Nachweis für die Entfernung oder Zerstörung der Zeichen erbracht wird."

3Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2008/118 bestimmt:

"(1) Der Verbrauchsteueranspruch entsteht zum Zeitpunkt und im Mitgliedstaat der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr.

(2) Als Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr im Sinne dieser Richtlinie gilt

a) die Entnahme verbrauchsteuerpflichtiger Waren, einschließlich der unrechtmäßigen Entnahme, aus dem Verfahren der Steueraussetzung;

b) der Besitz verbrauchsteuerpflichtiger Waren außerhalb eines Verfahrens der Steueraussetzung, wenn keine Verbrauchsteuer gemäß den geltenden Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts und des einzelstaatlichen Rechts erhoben wurde;

c) die Herstellung verbrauchsteuerpflichtiger Waren, einschließlich der unrechtmäßigen Herstellung, außerhalb eines Verfahrens der Steueraussetzung;

d) die Einfuhr verbrauchsteuerpflichtiger Waren, einschließlich der unrechtmäßigen Einfuhr, es sei denn, die verbrauchsteuerpflichtigen Waren werden unmittelbar bei ihrer Einfuhr in ein Verfahren der Steueraussetzung überführt."

4Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie sieht vor:

"Die Voraussetzungen für das Entstehen des Steueranspruchs und der anzuwendende Verbrauchsteuersatz richten sich nach den Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Entstehens des Steueranspruchs in dem Mitgliedstaat gelten, in dem die Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr stattfindet."

5Art. 11 Abs. 1 der genannten Richtlinie lautet:

"Neben den in Artikel 33 Absatz 6, Artikel 36 Absatz 5 und Artikel 38 Absatz 3 genannten Fällen, sowie den Fällen, die in den in Artikel 1 genannten Richtlinien vorgesehen sind, kann die Verbrauchsteuer für in den steuerrechtlich freien Verkehr überführte verbrauchsteuerpflichtige Waren auf Antrag einer betroffenen Person von den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem die Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt wurden, in den von den Mitgliedstaaten festgelegten Situationen und zu den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Vorbeugung von Steuerhinterziehung oder Missbrauch festlegen, erstattet oder erlassen werden."

6In Art. 39 der Richtlinie heißt es:

"(1) Unbeschadet des Artikels 7 Absatz 1 können die Mitgliedstaaten verlangen, dass verbrauchsteuerpflichtige Waren zu dem Zeitpunkt, zu dem sie in ihrem Gebiet in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt werden oder zu dem sie in den Fällen nach Artikel 33 Absatz 1 Unterabsatz 1 und Artikel 36 Absatz 1 in ihr Gebiet eingebracht werden, mit Steuerzeichen oder mit zu steuerlichen Zwecken verwendeten nationalen Erkennungszeichen versehen sind.

...

(3) Die Mitgliedstaaten tragen unbeschadet der Vorschriften, die sie zur ordnungsgemäßen Anwendung dieses Artikels und zur Vorbeugung gegen Steuerhinterziehung, Steuerumgehung oder Missbrauch erlassen, dafür Sorge, dass die Steuer- bzw. Erkennungszeichen im Sinne des Absatz 1 keine Hemmnisse für den freien Verkehr von verbrauchsteuerpflichtigen Waren schaffen.

..."

Portugiesisches Recht

7Art. 106 des Código dos Impostos Especiais de Consumo (Verbrauchsteuergesetz, im Folgenden: CIEC) sieht vor:

"(1) Die Überführung von Tabakwaren in den steuerrechtlich freien Verkehr unterliegt einschränkenden Regelungen, die im Zeitraum zwischen dem 1. September und dem 31. Dezember eines jeden Kalenderjahres gelten.

(2) In dem im vorstehenden Absatz genannten Zeitraum dürfen die Überführungen von Tabakwaren in den steuerrechtlich freien Verkehr, die ein Wirtschaftsteilnehmer monatlich vornimmt, die Mengenbeschränkungen nicht überschreiten, die sich aus der Anwendung eines Erhöhungsfaktors von 10 % auf die durchschnittliche monatliche Menge an Tabakwaren ergeben, die in den unmittelbar vorangegangenen zwölf Monaten in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt worden sind.

(3) Für die Zwecke des vorstehenden Absatzes wird bei der Berechnung des Monatsdurchschnitts die Gesamtmenge der zwischen dem 1. September des Vorjahres und dem 31. August des Folgejahres getätigten Überführungen nicht steuerbefreiter Tabakwaren in den steuerrechtlich freien Verkehr zugrunde gelegt.

(4) Jeder Wirtschaftsteilnehmer übermittelt der zuständigen Zollstelle spätestens am 15. September eines jeden Jahres eine das Verfahren einleitende Erklärung, in der er seinen Monatsdurchschnitt angibt und in der die in seinem Fall während des Einschränkungszeitraums geltende Mengenbeschränkung festgelegt ist.

(5) In Ausnahmefällen, die durch unvermittelte und zeitlich begrenzte Änderungen des Verkaufsvolumens hinreichend begründet sind, kann die Außerachtlassung der genannten Mengenbeschränkungen genehmigt werden, jedoch bleiben diese Ausnahmefälle bei der Berechnung des Monatsdurchschnitts für das Folgejahr unberücksichtigt.

(6) Nach Ablauf des Einschränkungszeitraums und spätestens Ende Januar eines jeden Jahres übermittelt der Wirtschaftsteilnehmer der zuständigen Zollstelle eine das Verfahren abschließende Erklärung, in der die Gesamtmenge der im Einschränkungszeitraum tatsächlich in den steuerrechtlich freien Verkehr überführten Tabakwaren angegeben ist.

(7) Die Tabakwarenmengen, die die Mengenbeschränkung nach Abs. 4 überschreiten, unterliegen - unbeschadet eines etwaigen Deliktsverfahrens - der Steuer zum im Zeitpunkt der Einreichung der das Verfahren abschließenden Erklärung geltenden Steuersatz, wenn die Überschreitung durch einen Vergleich der in diesem Dokument enthaltenen Angaben mit den von der Verwaltung verarbeiteten Angaben festgestellt wird.

(8) Die Bestimmungen der vorstehenden Absätze gelten auf dem portugiesischen Festland, in der autonomen Region Azoren und in der autonomen Region Madeira, wobei die in den vorstehenden Absätzen vorgesehenen Verpflichtungen bei der Zollstelle zu erfüllen sind, die die jeweilige Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr bearbeitet."

8Art. 27 der Durchführungsverordnung Nr. 1295/2007 lautet:

"Für die Zwecke des Art. 93 Abs. 7 [CIEC] dürfen Tabakwaren innerhalb der folgenden Fristen öffentlich vermarktet und verkauft werden:

a) Zigarettenpackungen: bis zum Ende des dritten Monats des Jahres, das dem auf dem angebrachten Steuerzeichen angegebenen Jahr folgt;

b) Feinschnitttabak für selbstgedrehte Zigaretten und anderer Rauchtabak: bis zum Ende des Jahres, das dem auf dem angebrachten Steuerzeichen angegebenen Jahr folgt;

a) Zigarren und Zigarillos: bis zum Ende des fünften Jahres, das dem auf dem angebrachten Steuerzeichen angegebenen Jahr folgt."

9Art. 109 des Regime Geral das Infrações Tributárias (Allgemeine Regelung zu den Steuerdelikten, im Folgenden: RGIT) bestimmt:

"(1) Die in Art. 96 dieses Gesetzes umschriebenen Verstöße, die aufgrund des Wertes der Steuer oder der betroffenen Ware keine Straftat darstellen, oder, ungeachtet dieser Werte, auf Fahrlässigkeit beruhen, werden mit einer Geldbuße von 500 bis 165 000 Euro geahndet.

(2) Die folgenden Verstöße werden mit einer Geldbuße von 250 bis 165 000 Euro geahndet:

...

o) die Verweigerung, Störung oder Verhinderung der Prüfung der Bedingungen, unter denen die Tätigkeit ausgeübt wird, insbesondere das Unterlassen der Übermittlung gesetzlich vorgesehener Informationen an die Überwachungsstelle;

p) die Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr, der Versand, der Besitz oder die Vermarktung von Waren unter Verstoß gegen die Bestimmungen über das Steuerzeichen, die Verpackung, den Besitz oder die Vermarktung, insbesondere was die durch den [CIEC] und die ergänzenden Rechtsvorschriften festgelegten Mengenbeschränkungen anbelangt;

...

(4) Der Versuch ist strafbar."

10Nach Punkt 4.2.9 in Kapitel XII des Verbrauchsteuerhandbuchs können Waren, die aufgrund der in Art. 27 der Durchführungsverordnung Nr. 1295/2007 vorgesehenen Frist nicht vermarktet oder verkauft werden konnten, mittels Anbringens neuer Steuerzeichen erneut in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt werden.

Vorverfahren

11Am leitete die Kommission gemäß Art. 226 EG (jetzt Art. 258 AEUV) ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Portugiesische Republik ein, indem sie diesem Mitgliedstaat ein Mahnschreiben übersandte, worin sie darlegte, dass dieser Mitgliedstaat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit - angewandt im Licht von Art. 6 und Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (ABl. 1992, L 76, S. 1) - verstoßen habe, dass er mit den Art. 27 und 28 der Durchführungsverordnung Nr. 1295/2007 ein Verbot erlassen habe, bereits besteuerte und in den steuerrechtlich freien Verkehr überführte Tabakwaren nach einem festgelegten Zeitraum des Jahres, das dem auf dem angebrachten Steuerzeichen angegebenen Jahr folgt, zu vermarkten und zu verkaufen (im Folgenden: Mahnschreiben vom ).

12Mit Schreiben vom wies die Portugiesische Republik die von der Kommission erhobenen Vorwürfe zurück.

13Am übersandte die Kommission der Portugiesischen Republik ein ergänzendes Mahnschreiben.

14Die Kommission bekräftigte darin ihren im Mahnschreiben vom dargelegten Standpunkt, indem sie im Wesentlichen die Auffassung vertrat, dass die Portugiesische Republik ihren Verpflichtungen aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie aus Art. 7, Art. 9 Abs. 1 und Art. 39 Abs. 3 der - inzwischen aufgehobenen und durch die Richtlinie 92/12 ersetzten - Richtlinie 2008/118 nicht nachgekommen sei.

15Mit Schreiben vom wies die Portugiesische Republik die von der Kommission erhobenen Vorwürfe erneut zurück.

16Am übersandte die Kommission der Portugiesischen Republik eine mit Gründen versehene Stellungnahme, in der sie zu dem Ergebnis kam, dass dieser Mitgliedstaat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie aus Art. 7, Art. 9 Abs. 1 und Art. 39 Abs. 3 der Richtlinie 2008/118 verstoßen habe, dass er ein Verbot erlassen habe, bereits besteuerte und in den steuerrechtlich freien Verkehr überführte Zigaretten nach Ablauf übermäßig kurzer - in Art. 27 der Durchführungsverordnung Nr. 1295/2007 vorgesehener - Zeiträume des Jahres, das dem auf dem Steuerzeichen angegebenen Jahr folge, öffentlich zu vermarkten und zu verkaufen Die Kommission forderte die Portugiesische Republik auf, innerhalb einer Frist von zwei Monaten die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um dieser mit Gründen versehenen Stellungnahme nachzukommen.

17Mit Schreiben vom antwortete die Portugiesische Republik auf die mit Gründen versehene Stellungnahme, wobei sie im Wesentlichen geltend machte, dass das Vorbringen der Kommission der Grundlage entbehre.

18Mit Schreiben vom übersandte die Kommission der Portugiesischen Republik eine ergänzende mit Gründen versehene Stellungnahme, die dazu bestimmt war, einige Fehler in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vom zu berichtigen, aber im Wesentlichen dieselbe Schlussfolgerung enthielt wie die erste mit Gründen versehenen Stellungnahme. Die Kommission forderte die Portugiesische Republik auf, innerhalb einer Frist von zwei Monaten die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um der ergänzenden mit Gründen versehenen Stellungnahme nachzukommen.

19Mit Schreiben vom wies die Portugiesische Republik die von der Kommission erhobenen Vorwürfe in Beantwortung der ergänzenden mit Gründen versehenen Stellungnahme erneut zurück.

20Vor diesem Hintergrund hat die Kommission die vorliegende Klage erhoben.

Zur Klage

Zur ersten Rüge, mit der ein Verstoß gegen die Art. 7 und 9 der Verordnung 2008/118 sowie gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geltend gemacht wird

Vorbringen der Parteien

21Mit ihrer ersten Rüge macht die Kommission geltend, dass die steuerrechtlichen Vorschriften der Europäischen Union die Mitgliedstaaten nicht ermächtigten, auf Tabakwaren, die bereits in den Verkehr gebracht worden seien, in Anbetracht des Zeitpunkts der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr zusätzlich zur geschuldeten Steuer eine Verbrauchsteuer zu erheben oder den Vertrieb aus steuerlichen Gründen zu beschränken. In Portugal dürften Zigarettenpackungen, auf denen das Steuerzeichen eines bestimmten Wirtschaftsjahres angebracht sei, nach Art. 27 Buchst. a der Durchführungsverordnung Nr. 1295/2007 jedoch nur bis zum Ende des dritten Monats des Jahres verkauft und vermarktet werden, das dem Jahr folge, in dem sie in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt worden seien (im Folgenden: streitige Maßnahme).

22Die Kommission vertritt erstens die Auffassung, dass diese Maßnahme selbst dann, wenn mit ihr ein legitimes Ziel - im vorliegenden Fall die Verhinderung von Steuerhinterziehung und -umgehung - verfolgt werde, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße.

23Die geplante Maßnahme sei nämlich auf die unwiderlegliche Vermutung gestützt, wonach sämtliche Zigarettenpackungen, die nach Ablauf der vorgesehenen Frist nicht verkauft worden seien, als im Hinblick auf eine Erhöhung der Verbrauchsteuer in übermäßig großen Mengen in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt anzusehen seien. Da der Gegenbeweis unzulässig sei, sei diese Vermutung jedoch im Hinblick auf das angestrebte Ziel unverhältnismäßig.

24Die Kommission führt weiter aus, dass die in Art. 106 CIEC vorgesehenen Maßnahmen bereits eine Begrenzung der Zigarettenmenge ermöglichten, die ein einzelner Wirtschaftsteilnehmer im Zeitraum zwischen dem 1. September und dem 31. Dezember eines jeden Kalenderjahres in Portugal in Verkehr bringen dürfe.

25Damit die streitige Maßnahme mit dem Ziel der Bekämpfung der Steuerhinterziehung und -umgehung gerechtfertigt werden könne, müsste die Erhöhung der Verbrauchsteuern auf Zigaretten erheblich sein. Die Verbrauchsteuer auf Zigaretten sei in den vergangenen Jahren in Portugal jedoch nicht wesentlich gestiegen. Angaben bezüglich der gefragtesten Preisklasse zufolge sei der Preis für 1 000 Zigaretten von 170 Euro im Jahr 2009 nämlich auf 195 Euro im Jahr 2014 gestiegen, was eine Erhöhung um 14,7 % über einen Zeitraum von fünf Jahren, d. h. einen Anstieg von 3,4 Euro auf 3,9 Euro pro Packung mit 20 Zigaretten, bedeute.

26Zweitens ist die Kommission der Ansicht, dass die vom portugiesischen Recht vorgesehene Frist weder der Aufbewahrungsdauer der verschiedenen Erzeugnisse, noch den saisonalen Umsatzschwankungen hinreichend Rechnung trage.

27Die Frist nach Art. 27 Buchst. a der Durchführungsverordnung Nr. 1295/2007 sei nämlich - insbesondere für Zigaretten weniger gängiger Marken, für die im Allgemeinen ein längerer Zeitraum erforderlich sei, um den erwarteten Umsatz zu erzielen - übermäßig kurz. Die Kommission verweist insoweit auf Art. 14 der Richtlinie 2001/37/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen (ABl. 2001, L 194, S. 26), wonach andere Tabakerzeugnisse als Zigaretten, die den Bestimmungen dieser Richtlinie nicht entsprechen, noch bis zu zwei Jahren nach Inkrafttreten dieser Richtlinie vermarktet werden dürfen, während für Zigaretten eine Frist von einem Jahr gilt. Sie führt aus, dass diese Fristen festgesetzt worden seien, um den saisonalen Umsatzschwankungen bei diesen Erzeugnissen Rechnung zu tragen.

28Die Kommission weist außerdem darauf hin, dass der Unterschied zwischen der Frist für die Vermarktung und den Verkauf von Zigarettenpackungen nach Art. 27 Buchst. a der Durchführungsverordnung Nr. 1295/2007 und den Fristen für die Vermarktung und den Verkauf anderer Tabakerzeugnisse nach Art. 27 Buchst. b und c dieser Durchführungsverordnung die Unverhältnismäßigkeit der streitigen Maßnahme belege.

29Drittens bringe diese Maßnahme zusätzliche Kosten und Verluste für die Wirtschaftsteilnehmer mit sich, da nach Ablauf der in Art. 27 Buchst. a der Durchführungsverordnung Nr. 1295/2007 vorgesehenen Frist die einzige, ihnen zur Verfügung stehende wirtschaftlich gangbare Lösung die Zerstörung der nicht verkauften Packungen sei, was die Unverhältnismäßigkeit zwischen den geltend gemachten Zielen und den Wirkungen der streitigen Maßnahme verdeutliche.

30Viertens sei der Schutz der öffentlichen Gesundheit zwar ein legitimes Ziel, das mit der streitigen Maßnahme verfolgt werde, jedoch gehe diese über das zur Erreichung dieses Ziels Erforderliche hinaus. Die Portugiesische Republik habe nicht dargelegt, wie diese Maßnahme bisher zu einer Verringerung des Tabakkonsums beigetragen habe.

31Fünftens sei für die Kommission nicht nachvollziehbar, wie die genannte Maßnahme zur Bekämpfung des unerlaubten Handels mit Tabak beitragen und die Steuereinnahmen gewährleisten können sollte.

32Sechstens ist die Kommission der Ansicht, dass sich die nach portugiesischem Recht vorgesehenen Sanktionen bei Verstößen gegen Art. 27 der Durchführungsverordnung Nr. 1295/2007, die sich auf bis zu 165 000 Euro belaufen könnten, unter Umständen als unverhältnismäßig erweisen könnten, insbesondere, wenn man die geringen Erhöhungen der Verbrauchsteuern in Portugal in den letzten Jahren und die in Art. 106 CIEC vorgesehenen Beschränkungen für das Inverkehrbringen berücksichtige.

33In ihrer Klagebeantwortung trägt die Portugiesische Republik vor, dass Art. 27 der Durchführungsverordnung Nr. 1295/2007 mit den Art. 7 und 9 der Richtlinie 2008/118 sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sei, da er auf Gründe des öffentlichen Interesses gestützt sei.

34Zunächst führt die Portugiesische Republik aus, dass das portugiesische Steuerzeichensystem in weitem Maß darauf beruhe, dass die Hintergrundfarbe des Steuerzeichens jährlich geändert werde. Es sei im Wesentlichen dieses Merkmal, das diesem System Ausgewogenheit verleihe und es ermögliche, mit diesem System die angestrebten Ziele zu erreichen. So habe ein Tabakerzeugnis, das im Jahr 2015 in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt worden sei, nach portugiesischem Recht mit dem diesem Jahr entsprechenden Steuerzeichen versehen und grundsätzlich bis zum in den Handel gebracht worden sein müssen, da vom an ein neues Steuerzeichen mit einer anderen Hintergrundfarbe Gültigkeit erlangt habe. Die Art. 27 und 28 der Durchführungsverordnung Nr. 1295/2007 enthielten eine Ausnahme von diesem Grundsatz, indem sie die Vermarktung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen über den Einzelhandel über das Ende des dem angebrachten Steuerzeichen entsprechenden Jahres hinaus erlaubten. Die Gültigkeitsdauer des Jahressteuerzeichens betrage somit praktisch 15 Monate.

35Was erstens die Verhinderung von Steuerhinterziehung und -umgehung betrifft, weist die Portugiesische Republik darauf hin, dass die nach Art. 106 CIEC vorgesehenen Mengenbeschränkungen für sich allein nicht ausreichten, um dieses Ziel zu erreichen. Gäbe es nur diese Beschränkungen, wäre es für einen finanzstarken Wirtschaftsteilnehmer nämlich ein Leichtes, vor Beginn des Einschränkungszeitraums - beispielsweise in den Monaten Juli und August - in großem Umfang Überführungen in den steuerrechtlich freien Verkehr vorzunehmen und gelagerte Waren zur Verfügung zu haben, um im Folgejahr den Markt zu beliefern.

36Die streitige Maßnahme verhindere außerdem eine Verzerrung des Wettbewerbs zwischen großen und kleinen Wirtschaftsteilnehmern. Würde Art. 27 Buchst. a der Durchführungsverordnung Nr. 1295/2007 den Verkauf und die Vermarktung von Zigarettenpackungen nach Ablauf der in dieser Vorschrift vorgesehenen Frist nicht verbieten, hätten finanzstarke Wirtschaftsteilnehmer nämlich einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil, da ihnen im Folgejahr preiswertere Waren als den weniger finanzstarken Mitbewerbern zur Verfügung stünden.

37Zweitens sei die Frist von drei Monaten völlig ausreichend, da der portugiesischen Regierung zur Verfügung stehenden Angaben zufolge die durchschnittliche Lagerumschlagsdauer bei Zigaretten zwei Monate betrage.

38Die Portugiesische Republik führt aus, dass somit dann, wenn Ende März eines Jahres Tabakerzeugnisse im Lager übrig seien, dies nicht darauf beruhe, dass die Frist nach Art. 27 Buchst. a der Durchführungsverordnung Nr. 1295/2007 übermäßig kurz sei, wie die Kommission zu Unrecht behaupte, sondern darauf, dass die Wirtschaftsteilnehmer vor Beginn des Einschränkungszeitraums übermäßige Überführungen in den steuerrechtlich freien Verkehr mit dem Ziel vorgenommen hätten, ausreichende Lagerbestände aufzubauen, um im Folgejahr sowie während des maximal zulässigen Zeitraums die Waren weiterhin zu vermarkten, die das Steuerzeichen des Vorjahres trügen.

39Was drittens die von den Wirtschaftsteilnehmern aufgrund der streitigen Maßnahme zu tragenden Kosten anbelangt, tritt die Portugiesische Republik den hierzu von der Kommission vorgebrachten Behauptungen entgegen. Da die Verbrauchsteuern, die 78,08 % des Zigarettenpreises ausmachten, im Fall der Zerstörung von Zigarettenpackungen, die nicht innerhalb der in Art. 27 Buchst. a der Durchführungsverordnung Nr. 1295/2007 vorgesehenen Frist verkauft worden seien, erstattet würden, seien die Kosten der Zerstörung in Anbetracht der für die Ware bis zum Verlassen des Werks entstandenen Kosten nicht sehr hoch.

40Die Portugiesische Republik führt aus, dass nach ihr zur Verfügung stehenden Angaben mehrere Wirtschaftsteilnehmer die Praxis verfolgten, Waren, die nach Art. 27 der Durchführungsverordnung Nr. 1295/2007 nicht mehr vermarktet werden dürften, wieder in das Steuerlager zu verbringen, damit auf diesen Waren eine neue Steuermarke angebracht und ein neuer Einzelhandelspreis ausgewiesen werden könnten. Diese Vorgänge würden nur geringe Kosten verursachen, da sie keine komplexe Technologie erforderten.

41Viertens weist die Portugiesische Republik darauf hin, dass mit der streitigen Maßnahme zwar Ziele im Bereich der Erzielung von Steuereinnahmen verfolgt würden, sie aber auch Zielen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit diene, insbesondere der Verringerung des Konsums von Tabakerzeugnissen.

42Was fünftens die Bekämpfung des unerlaubten Handels mit Tabak anbelangt, weist die Portugiesische Republik darauf hin, dass dieses Ziel in hohem Maß vom Steuerzeichensystem abhänge, von dem die streitige Maßnahme ein wesentliches Element darstelle. Sie weist insoweit darauf hin, dass die jährliche Änderung der Farbe des Hintergrundes des Steuerzeichens zu guten Ergebnissen führe, da sie die Reproduktion des Steuerzeichens schwieriger mache und Missbrauch verhindere.

43Was sechstens die Anwendung von Sanktionen im Fall eines Verstoßes gegen Art. 27 der Durchführungsverordnung Nr. 1295/207 anbelangt, die sich auf bis zu 165 000 Euro belaufen können, macht die Portugiesische Republik geltend, dass sich die Höhe der verhängten Sanktion nach der Schwere des Verschuldens des Täters sowie nach dessen wirtschaftlicher Lage richte, und die Sanktion außerdem den wirtschaftlichen Vorteil, den der Täter aus der Tat erlangt habe, so weit wie möglich übersteigen müsse.

44Die Kommission hat in ihrer Erwiderung an ihrer Auffassung festgehalten.

45Was das Ziel anbelangt, Betrug zu verhindern, weist sie darauf hin, dass die Durchführungsverordnung Nr. 1295/2007 in allen Fällen Anwendung finde, unabhängig von der Entwicklung der Höhe der Besteuerung von Zigaretten, was als Beleg für die Unverhältnismäßigkeit der streitigen Maßnahme genüge.

46Die Kommission weist darauf hin, dass sich die maximale Umschlagsdauer bei Zigarettenpackungen den von der Portugiesischen Republik vorgebrachten Angaben zufolge auf zwei Monate belaufe, was lediglich eine mittlere Zeitspanne darstelle.

47Was die Kosten zulasten der Wirtschaftsteilnehmer anbelangt, zweifelt die Kommission an der Stichhaltigkeit der Behauptung der Portugiesischen Republik, wonach es wirtschaftlich gangbar sei, Zigarettenpackungen, die am Ende der nach Art. 27 Buchst. a der Durchführungsverordnung Nr. 1295/2007 vorgesehenen Frist nicht verkauft worden seien, wieder in den Handel zu bringen. Diese Behauptung stehe im Widerspruch zu der Position, die dieser Mitgliedstaat im Verwaltungsverfahren eingenommen habe, und sei auf Umstände gestützt, die nach Ablauf der ergänzenden mit Gründen versehenen Stellungnahme eingetreten seien, d. h. nach dem .

48Die Kommission weist darauf hin, dass die sich aus der streitigen Maßnahme ergebenden Kosten im Zusammenhang mit der erneuten Versiegelung der Zigarettenpackungen jedenfalls zulasten der Wirtschaftsteilnehmer gingen, und zwar auch dann, wenn die Erhöhung der Verbrauchsteuer gering sei oder überhaupt keine Erhöhung gegeben sei, was die Unverhältnismäßigkeit dieser Maßnahme belege.

49In ihrer Gegenerwiderung weist die Portugiesische Republik darauf hin, dass die Kommission, indem sie davon ausgehe, dass die in Art. 27 Buchst. a der Durchführungsverordnung Nr. 1295/2007 vorgesehene Frist von drei Monaten "zu kurz" sei, implizit einräume, dass es eine zeitliche Begrenzung für die Vermarktung - innerhalb eines bestimmten Jahres - von mit dem Steuerzeichen des Vorjahres versehenen Zigarettenpackungen geben müsse. Jedoch habe die Kommission keinerlei Angaben dazu gemacht, was ihrer Auffassung nach einen angemessenen Zeitraum darstellen würde.

50Was die von den Wirtschaftsteilnehmern aufgrund der streitigen Maßnahme zu tragenden Kosten anbelangt, räumt die Portugiesische Republik ein, dass sich ihr Standpunkt seit dem Verwaltungsverfahren geändert habe. Allerdings beruhe diese Änderung auf einer Veränderung des Sachverhalts, da die portugiesischen Behörden während des Verwaltungsverfahrens nicht mit Anträgen befasst gewesen seien, die darauf gerichtet gewesen wären, neue Steuerzeichen auf Zigarettenpackungen anzubringen. Erst von 2014 an seien solche - gemäß einem Verwaltungsrundschreiben vom zulässigen - Anträge eingereicht worden.

51Das Königreich Belgien, die Republik Estland und die Republik Polen unterstützen in ihren Streithilfeschriftsätzen die Anträge der Portugiesischen Republik.

52Die Kommission hält in ihren Stellungnahmen zu den Streithilfeschriftsätzen des Königreichs Belgien, der Republik Estland und der Republik Polen an ihrem Standpunkt fest.

Würdigung durch den Gerichtshof

53Mit ihrer ersten Rüge macht die Kommission im Wesentlichen geltend, dass Art. 27 Buchst. a der Durchführungsverordnung Nr. 1295/2007 gegen Art. 7 und Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118 sowie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße, indem er vorsehe, dass Zigarettenpackungen, die in Portugal bereits in Verkehr gebracht worden seien, nicht über den dritten Monat des Jahres hinaus vermarktet oder verkauft werden dürften, das dem Jahr folge, in dem sie in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt worden seien.

- Zum Verstoß gegen die Art. 7 und 9 der Richtlinie 2008/118

54Nach Art. 7 der Richtlinie 2008/118 entsteht der Verbrauchsteueranspruch zum Zeitpunkt und im Mitgliedstaat der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr. Nach Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie richten sich die Voraussetzungen für das Entstehen des Steueranspruchs und der anzuwendende Verbrauchsteuersatz nach den Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Entstehens des Steueranspruchs in dem Mitgliedstaat gelten, in dem die Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr stattfindet.

55Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass das Unionsrecht zwar den Zeitpunkt des Entstehens des Verbrauchsteueranspruchs bestimmt, aber hinsichtlich der Festlegung der Voraussetzungen hierfür und des anzuwendenden Steuersatzes auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist.

56Daher lässt sich, wie die Generalanwältin in Nr. 25 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, diesen Vorschriften entgegen dem Vorbringen der Kommission kein an die Mitgliedstaaten gerichtetes Verbot entnehmen, den Verkauf von Zigaretten, die rechtmäßig in Verkehr gebracht wurden, zu befristen.

57Die Kommission kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass Art. 27 der Durchführungsverordnung Nr. 1295/2007 zur Folge habe, dass die Wirtschaftsteilnehmer gezwungen seien, eine zusätzliche Verbrauchsteuer für die bereits rechtmäßig in den steuerrechtlich freien Verkehr überführten Zigarettenpackungen zu zahlen. Aus den dem Gericht vorgelegten Akten geht nämlich hervor, dass diese Wirtschaftsteilnehmer dann, wenn sie bei Ablauf der in dem genannten Art. 27 vorgesehenen Frist noch im Besitz von Zigarettenpackungen sind, die nicht abgesetzt werden konnten, entweder die Erstattung der zuvor entrichteten Verbrauchsteuer beantragen können, soweit diese Packungen unter zollamtlicher Überwachung zerstört werden, oder diese Waren durch Anbringen eines neuen Steuerzeichens unter zollamtlicher Überwachung erneut in den steuerrechtlich freien Verkehr überführen können, wobei dieser Vorgang eine eigenständige Verwirklichung des Steuertatbestands darstellt.

58Folglich ist dem Vorbringen der Kommission, wonach Art. 27 Buchst. a der Durchführungsverordnung Nr. 1295/2007 als solcher gegen Art. 7 und Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118 verstoße, nicht zu folgen.

59Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten ein legitimes Interesse daran haben, geeignete Maßnahmen zum Schutz ihrer finanziellen Interessen zu ergreifen (Urteil vom , Sosnowska, C-25/07, EU:C:2008:395, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung), und dass die Bekämpfung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen ein mit der Richtlinie 2008/118 verfolgtes Ziel ist, wie sich aus deren 31. Erwägungsgrund, Art. 11 und Art. 39 Abs. 3 Unterabs. 1 ergibt.

60Es steht jedoch fest, dass die streitige Maßnahme zum Ziel hat, zu verhindern, das Zigarettenpackungen zum Jahresende im Hinblick auf eine Erhöhung der Verbrauchsteuer in übermäßig großen Mengen in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt werden. Wie die Kommission in ihren Schriftsätzen im Übrigen ausdrücklich einräumt, stellen solche Überführungen übermäßig großer Mengen in den steuerrechtlich freien Verkehr, um einer künftigen Erhöhung der Verbrauchsteuer zuvorzukommen, eine Form des Missbrauchs dar, den die Mitgliedstaaten durch geeignete Maßnahmen zu verhindern berechtigt sind.

61Da Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118 hinsichtlich der Bestimmung der Voraussetzungen für das Entstehen des Steueranspruchs sowie des anzuwendenden Verbrauchsteuersatzes auf das zum Zeitpunkt des Entstehens des Steueranspruchs geltende nationale Recht verweist, impliziert dieses den Mitgliedstaaten zuerkannte Recht für diese notwendigerweise die Möglichkeit, Maßnahmen zu erlassen, wie sie in Art. 27 Buchst. a der Durchführungsverordnung Nr. 1295/2007 vorgesehen sind.

62Wie die Generalanwältin in Nr. 32 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, müssen die Mitgliedstaaten aber bei der Ausübung der ihnen durch das Unionsrecht verliehenen Befugnisse die allgemeinen Rechtsgrundsätze beachten, zu denen insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zählt, den die Kommission vorliegend als verletzt betrachtet.

63Somit ist zu prüfen, ob die streitige Maßnahme unverhältnismäßig ist und ob sie insoweit gegen Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118 verstößt.

- Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

64Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verpflichtet die Mitgliedstaaten, sich solcher Mittel zu bedienen, die es zwar erlauben, das vom innerstaatlichen Recht verfolgte Ziel wirksam zu erreichen, die aber nicht über das erforderliche Maß hinausgehen und die Ziele und Grundsätze des einschlägigen Unionsrechts möglichst wenig beeinträchtigen dürfen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Molenheide u. a., C-286/94, C-340/95, C-401/95 und C-47/96, EU:C:1997:623, Rn. 46, und vom , Impresa Edilux und SICEF, C-425/14, EU:C:2015:721, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung). Der Gerichtshof stellt insoweit in seiner Rechtsprechung klar, dass, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist und die dadurch bedingten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen müssen (Urteile vom , Jippes u. a., C-189/01, EU:C:2001:420, Rn. 81, und vom , ERG u. a., C-379/08 und C-380/08, EU:C:2010:127, Rn. 86).

65Was erstens die mit der streitigen Maßnahme verfolgten Ziele anbelangt, trägt die Portugiesische Republik vor, dass diese Maßnahme über die Verhinderung von Steuerhinterziehung und -umgehung hinaus die Aufrechterhaltung eines gesunden Wettbewerbs, den Schutz der öffentlichen Gesundheit und die Bekämpfung des unerlaubten Handels mit Tabak bezwecke. Es steht fest, dass es sich dabei um legitime Ziele handelt.

66Was zweitens die Geeignetheit der streitigen Maßnahme anbelangt, ist festzustellen, dass das Verbot, Zigarettenpackungen nach dem Monat März des Jahres zu vermarkten oder zu verkaufen, das dem Jahr folgt, in dem sie in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt wurden, zur Folge hat, dass jeglicher Anreiz für die Wirtschaftsteilnehmer, diese Tabakerzeugnisse im Hinblick auf eine künftige Erhöhung der Steuer in übermäßig großen Mengen in den steuerrechtlich freien Verkehr zu überführen, wegfällt, da sie verpflichtet sind, die Packungen, die nach diesem Zeitpunkt nicht verkauft wurden, vom Markt zu nehmen. Umgekehrt würde ohne die streitige Maßnahme das Wirksamwerden der höheren Steuer, die im Allgemeinen zu einer Erhöhung des Einzelhandelsverkaufspreises für Zigarettenpackungen führt, verhindert oder hinausgezögert.

67Die Maßnahme ist somit zur Erreichung der legitimen Ziele der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und -umgehung sowie des Schutzes der öffentlichen Gesundheit geeignet. Zum letztgenannten Ziel hat der Gerichtshof außerdem bereits entschieden, dass die Steuervorschriften bei Tabakwaren ein wichtiges und wirksames Instrument zur Bekämpfung des Konsums dieser Waren und damit zum Schutz der öffentlichen Gesundheit darstellen (Urteile vom , Valeško, C-140/05, EU:C:2006:647, Rn. 58, und vom , Kommission/Frankreich, C-197/08, EU:C:2010:111, Rn. 52).

68Die genannte Maßnahme ermöglicht es außerdem, zu verhindern, dass finanzstarke Wirtschaftsteilnehmer über einen Wettbewerbsvorteil verfügen, indem sie den Markt im Vergleich zu finanzschwächeren Mitbewerbern übermäßig beliefern, und trägt damit zur Gewährleistung eines gesunden Wettbewerbs bei.

69Hingegen legt die Portugiesische Republik nicht in hinreichend verständlicher Weise dar, wie das Verbot, Waren, die bereits rechtmäßig mit der Verbrauchsteuer belegt wurden, nach Ablauf einer bestimmten Frist zu vermarkten und zu verkaufen, die Bekämpfung des unerlaubten Handels mit Tabak ermöglichen soll. Es kann daher nicht angenommen werden, dass diese Maßnahme zur Bekämpfung eines solchen illegalen Handels geeignet ist.

70Was drittens die Erforderlichkeit der streitigen Maßnahme betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs Sache der Kommission ist, das Vorliegen der behaupteten Vertragsverletzung nachzuweisen. Ihr obliegt es, dem Gerichtshof die erforderlichen Anhaltspunkte zu liefern, die es ihm ermöglichen, das Vorliegen der Vertragsverletzung zu prüfen, wobei sie sich nicht auf irgendeine Vermutung stützen kann (Urteil vom , Kommission/Spanien, C-461/14, EU:C:2016:895, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

71Insoweit ist, was erstens das Vorbringen der Kommission betrifft, wonach die in Art. 106 CIEC vorgesehenen Mengenbeschränkungen für die Überführung von Zigaretten in den steuerrechtlich freien Verkehr bereits für sich genommen eine Maßnahme darstellten, die zur Erreichung der angestrebten Ziele genüge, darauf hinzuweisen, dass nach dieser Vorschrift die Überführung von Zigaretten in den steuerrechtlich freien Verkehr im Zeitraum zwischen dem 1. September und dem 31. Dezember eines jeden Kalenderjahres die Mengenbeschränkungen nicht überschreiten darf, die sich aus der Anwendung eines Erhöhungsfaktors von 10 % auf die durchschnittliche monatliche Menge an Zigaretten ergeben, die im Vorjahr in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt worden sind.

72Jedoch ist festzustellen, dass diese Bestimmung durch einen Wirtschaftsteilnehmer, der sich dazu entschließt, im Zeitraum vor dem 1. September übermäßig große Mengen an Zigaretten in den steuerrechtlich freien Verkehr zu überführen, umgangen werden könnte. Insoweit hat die Überführung von Zigaretten in den steuerrechtlich freien Verkehr, wie aus den von der Portugiesischen Republik übermittelten Angaben hervorgeht, im August 2014 gegenüber dem Monatsdurchschnitt um 241 % zugenommen. Es ist daher nicht ersichtlich, dass die in Art. 106 CIEC vorgesehenen Mengenbeschränkungen für sich allein genügten, um die Überführung übermäßig großer Mengen an Zigaretten in den steuerrechtlich freien Verkehr im Hinblick auf eine Erhöhung der Verbrauchsteuer wirksam zu bekämpfen.

73Was zweitens das Vorbringen der Kommission bezüglich der nach der streitigen Maßnahme vorgesehenen Dreimonatsfrist anbelangt, ist festzustellen, dass die Kommission die Erforderlichkeit, eine Frist festzusetzen, um die angestrebten Ziele zu erreichen, nicht in Abrede stellt, sondern der Republik Portugal vorwirft, sie habe eine zu kurze Frist festgesetzt. Sie verweist insoweit auf die Richtlinie 2001/37, die neue Anforderungen für die Etikettierung von Tabakprodukten vorsieht und für Zigaretten Übergangsfristen von einem Jahr festlegt, um ihnen zu entsprechen.

74Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass eine Verkaufsfrist, die sich bis zum Ende des Jahres erstrecken würde, das auf das Jahr der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr folgt, dazu führen würde, dass der neue Verbrauchsteuersatz die Zigaretten beträfe, die - im längsten Fall - erst ein Jahr nach Inkrafttreten der Steuererhöhung in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt werden. Wie die Generalanwältin in Nr. 41 ihrer Schlussanträge im Kern ausgeführt hat, würde eine derart lange Verkaufsfrist die Wirksamkeit von Art. 27 der Durchführungsverordnung Nr. 1295/2007 erheblich einschränken.

75Außerdem beschränkt sich die Kommission in ihrer Antwort auf das Vorbringen der Portugiesischen Republik, wonach die Frist von drei Monaten ausreichend sei, da die Lagerumschlagsdauer bei Zigaretten zwei Monate betrage, auf die Behauptung, dass es sich dabei um eine mittlere Zeitspanne handle und dass dabei weder saisonalen Schwankungen noch dem Umstand Rechnung getragen werde, dass die Umschlagsdauer bei weniger gängigen Zigarettenmarken länger sei, ohne substantiiert in einer Weise vorzutragen, die es ermöglichen würde, festzustellen, was ihrer Ansicht nach einen angemessenen Zeitraum darstellen würde.

76Ferner ist festzustellen, dass die Frist von drei Monaten, innerhalb derer die Zigaretten vermarktet und verkauft werden dürfen, jedenfalls nur die Zigaretten betrifft, die bis Ende Dezember des vorangegangenen Kalenderjahres in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt worden sind. In dem Fall, in dem die Zigaretten im Januar oder Februar des dem angebrachten Steuerzeichen entsprechenden Jahres in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt werden, dürfen sie nämlich bis März des Folgejahres verkauft werden, was einen Zeitraum von 14 bis 15 Monaten für ihren Vertrieb bedeutet. Je früher Zigaretten also im Laufe eines Jahres in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt werden, desto länger ist die Frist für ihren Vertrieb.

77Diese Feststellung wird im Übrigen nicht dadurch in Frage gestellt, dass Art. 27 der Durchführungsverordnung Nr. 1295/2007 in Bezug auf Feinschnitttabak für selbstgedrehte Zigaretten und anderen Rauchtabak sowie auf Zigarren und Zigarillos längere Verkaufsfristen vorsieht, da sich diese Erzeugnisse von gewöhnlichen Zigaretten insoweit unterscheiden, als jedes seine eigene Umschlagsdauer hat.

78Was drittens das Vorbringen der Kommission betrifft, wonach es in den letzten Jahren bei Tabakerzeugnissen in Portugal keine erhebliche Erhöhung der Verbrauchsteuern gegeben habe, ist darauf hinzuweisen, dass die streitige Maßnahme in allen Fällen gilt, einschließlich des Falles, dass der Verbrauchsteuersatz sinkt oder unverändert bleibt. Unter diesen Umständen ist der Anreiz für die Wirtschaftsteilnehmer, den Markt während eines bestimmten Jahres mit übermäßig großen Mengen an Zigaretten zu beliefern, minimal bzw. überhaupt nicht vorhanden, da die Verbrauchsteuern, die sie im Folgejahr zahlen müssen, nicht höher sein werden. Demnach erscheint die streitige Maßnahme unter diesen Umständen nicht als zur Erreichung der angestrebten Ziele erforderlich.

79Entgegen dem Vorbringen der Portugiesischen Republik könnten die angestrebten Ziele auf weniger restriktive, aber in gleichermaßen angemessener Weise erreicht werden, wenn die streitige Maßnahme nur im Fall einer Erhöhung der Verbrauchsteuer auf Zigaretten gälte. Fehlt es nämlich an einer solchen Erhöhung, ist ein Anreiz für die Wirtschaftsteilnehmer, übermäßig große Mengen an Zigaretten im Hinblick darauf in den steuerrechtlich freien Verkehr zu überführen, die Zahlung einer höheren Verbrauchsteuer zu vermeiden, nicht vorhanden.

80Demnach ist die erste Rüge, wie die Generalanwältin in Nr. 46 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, insoweit begründet, als die streitige Maßnahme auch dann gilt, wenn sich der Verbrauchsteuersatz nicht erhöht. Was die Rüge im Übrigen betrifft, ergibt sich aus den vorstehenden Erwägungen, dass dem Vorbringen der Kommission zur Erforderlichkeit dieser Maßnahme nicht gefolgt werden kann.

81Viertens ist zu gewährleisten, dass die streitige Maßnahme die Interessen der Wirtschaftsteilnehmer nicht in unverhältnismäßiger Weise beeinträchtigt.

82Was erstens das Vorbringen der Kommission zum Bestehen einer unwiderleglichen Vermutung betrifft, wonach sämtliche Zigarettenpackungen, die nach Ablauf der nach Art. 27 der Durchführungsverordnung Nr. 1295/2007 vorgesehenen Frist nicht verkauft worden seien, als im Hinblick auf eine Erhöhung der Verbrauchsteuer in übermäßig großen Mengen in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt anzusehen seien, bezieht sich die Kommission auf das Urteil vom , Molenheide u. a. (C-286/94, C-340/95, C-401/95 und C-47/96, EU:C:1997:623), in dem der Gerichtshof in Bezug auf eine Maßnahme der Zurückbehaltung eines erstattungsfähigen Mehrwertsteuerguthabens zu Sicherungszwecken entschieden hat, dass eine unwiderlegliche Vermutung über das hinausginge, was zur Gewährleistung einer erfolgreichen Einziehung erforderlich ist, und gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstieße, da sie es dem Steuerpflichtigen nicht erlauben würde, sie im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle durch das Pfändungsgericht zu widerlegen.

83Die streitige Maßnahme unterscheidet sich jedoch von derjenigen, die in der Rechtssache in Rede stand, in der das Urteil vom , Molenheide u. a. (C-286/94, C-340/95, C-401/95 und C-47/96, EU:C:1997:623), ergangen ist, da im vorliegenden Fall die Wirtschaftsteilnehmer dann, wenn die Zigarettenpackungen bei Ablauf der in Art. 27 der Durchführungsverordnung Nr. 1295/2007 vorgesehenen Frist nicht verkauft worden sind, entweder die Erstattung der zuvor entrichteten Verbrauchsteuer beantragen können, soweit diese Packungen unter zollamtlicher Überwachung zerstört werden, oder diese Packungen durch Anbringen eines neuen Steuerzeichens unter zollamtlicher Überwachung erneut in den steuerrechtlich freien Verkehr überführen können. Demnach ist dieses Urteil nicht einschlägig.

84Wenn man den Wirtschaftsteilnehmern wie von der Kommission verlangt die Möglichkeit des Nachweises einräumen würde, dass Zigaretten nicht in überhöhten, sondern in normalen oder bescheidenen Mengen in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt worden sind, erforderte dies, wie die Generalanwältin in Nr. 49 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, eine Prüfung im Einzelfall und würde einen beträchtlichen administrativen Aufwand darstellen. Ein solches System könnte die Anwendung der portugiesischen Regelung erschweren und zu Unsicherheiten, etwa im Hinblick auf die Bestimmung geeigneter Referenzmengen, führen. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs kann den Mitgliedstaaten aber nicht die Möglichkeit abgesprochen werden, legitime Ziele wie die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und -umgehung sowie der Schutz der Gesundheit und ein gesunder und lauterer Wettbewerb durch Einführung einfach handhab- und kontrollierbarer Vorschriften zu verfolgen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Kommission/Italien, C-110/05, EU:C:2009:66, Rn. 67, und vom , Kommission/Spanien, C-400/08, EU:C:2011:172, Rn. 124).

85Demnach kann dem Vorbringen bezüglich des Bestehens einer unwiderleglichen Vermutung nicht gefolgt werden.

86Was zweitens das Vorbringen der Kommission bezüglich der von den Wirtschaftsteilnehmern aufgrund der streitigen Maßnahme zu tragenden Kosten anbelangt, geht aus den Akten hervor, dass Wirtschaftsteilnehmer, die bis zum Ablauf der in Art. 27 der Durchführungsverordnung Nr. 1295/2007 festgelegten Frist nicht sämtliche in den steuerrechtlich freien Verkehr überführten Zigarettenpackungen verkaufen konnten, seit Dezember 2012 die Wahl haben zwischen der Zerstörung dieser Packungen unter Erstattung der entrichteten Steuer, die 78,08 % des Zigarettenpreises ausmacht, und einer erneuten Überführung dieser Packungen in den steuerrechtlich freien Verkehr mittels Anbringung neuer Steuerzeichen.

87Insoweit steht zwar fest, dass diese beiden Arten von Vorgängen für die Wirtschaftsteilnehmer Kosten verursachen, jedoch weist die Kommission nicht nach, dass diese gegenüber den mit der streitigen Maßnahme verfolgten legitimen Zielen unverhältnismäßig wären.

88Die Wirtschaftsteilnehmer müssen diese Kosten nämlich nur dann tragen, wenn sie übermäßig große Mengen in den steuerrechtlich freien Verkehr überführen. Es steht aber fest, dass der Zigarettenmarkt durch eine Nachfrage mit sehr geringer Elastizität sowie den Umstand gekennzeichnet ist, dass die Wirtschaftsteilnehmer das Verhalten dieses Marktes kennen. Zudem ist der für ein Jahr geltende Verbrauchsteuersatz im Voraus, nämlich am 15. Oktober des Vorjahres, bekannt. Folglich sind die Wirtschaftsteilnehmer in der Lage, eine umsichtige Planung anhand der Nachfrage nach Zigaretten vorzunehmen, so dass die Bildung übermäßig großer Lagerbestände vermieden wird, die sie zwingen könnten, nicht verkaufte Zigarettenpackungen vom Markt zu nehmen und damit die Kosten im Zusammenhang mit deren Zerstörung oder Neuverpackung zu tragen. Demnach kann dem Vorbringen der Kommission zu den durch die streitige Maßnahme verursachten Kosten nicht gefolgt werden.

89Was drittens das Vorbringen der Kommission betrifft, wonach die in Art. 109 RGIT vorgesehenen Sanktionen unverhältnismäßig seien, da sie sich auf bis zu 165 000 Euro belaufen könnten, ist festzustellen, dass nach den von der Kommission angeführten Bestimmungen des Art. 109 RGIT die dort genannten Delikte mit einem Bußgeld von 250 Euro bis 165 000 Euro bzw. von 500 Euro bis 165 000 Euro geahndet werden können. Die Kommission hat aber nicht nachgewiesen und nicht einmal behauptet, dass von diesem abstrakten Sanktionsrahmen unverhältnismäßig Gebrauch gemacht worden wäre.

90Die den Wirtschaftsteilnehmern verursachten Nachteile stehen damit, wie die Generalanwältin in Nr. 52 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, nicht außer Verhältnis zu den legitimen Zielen, die mit der streitigen Maßnahme angestrebt werden.

91Nach alledem ist die erste Rüge nur insoweit begründet, als die streitige Maßnahme auch dann gilt, wenn keine Erhöhung des Verbrauchsteuersatzes vorliegt, die in dem Jahr Wirkung erlangt, das dem auf dem Steuerzeichen angegebenen Jahr folgt. Im Übrigen ist die erste Rüge zurückzuweisen.

Zur zweiten Rüge, mit der ein Verstoß gegen Art. 39 Abs. 3 der Verordnung 2008/118 und gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geltend gemacht wird

Vorbringen der Parteien

92Die Kommission macht geltend, dass die streitige Maßnahme auch gegen Art. 39 Abs. 3 der Verordnung 2008/118 verstoße, da sie Hemmnisse für den freien Verkehr von verbrauchsteuerpflichtigen Waren schaffe. Importeure könnten nämlich aus Sorge, im Fall einer Erhöhung des Verbrauchsteuersatzes Zigaretten nicht mehr innerhalb der nach Art. 27 Buchst. a der Durchführungsverordnung Nr. 1295/2007 vorgesehenen Frist verkaufen zu können, davon abgehalten werden, normale Käufe, insbesondere aus anderen Mitgliedstaaten, zu tätigen, wodurch der Handel in einem Maß beeinträchtigt werden könnte, das über das hinausginge, was erforderlich sei, um namentlich übermäßige Überführungen in den steuerrechtlich freien Verkehr vor der Erhöhung einer Verbrauchsteuer zu verhindern.

93Die Republik Portugal ist der Ansicht, dass die streitige Maßnahme nicht zu einer Diskriminierung zwischen inländischen Erzeugnissen und Erzeugnissen aus anderen Mitgliedstaaten führe. Sie führt - insoweit unterstützt durch die Republik Estland und die Republik Polen - aus, dass diese Maßnahme in vollem Umfang durch die Ziele des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, des Schutzes des Wettbewerbs und der Verhinderung von Steuerhinterziehung und -umgehung gerechtfertigt sei und nicht über das hinausgehe, was erforderlich sei, um die Erreichung dieser Ziele zu gewährleisten.

Würdigung durch den Gerichtshof

94Gemäß Art. 39 Abs. 3 der Richtlinie 2008/118 tragen die Mitgliedstaaten unbeschadet der Vorschriften, die sie zur ordnungsgemäßen Anwendung dieses Artikels und zur Vorbeugung gegen Steuerhinterziehung, Steuerumgehung oder Missbrauch erlassen, dafür Sorge, dass die Steuer- bzw. Erkennungszeichen keine Hemmnisse für den freien Verkehr von verbrauchsteuerpflichtigen Waren schaffen.

95Art. 27 Buchst. a der Durchführungsverordnung Nr. 1295/2007 beschränkt sich jedoch darauf, vorzusehen, dass Zigarettenpackungen bis zum Ende des dritten Monats des Jahres, das dem auf dem Steuerzeichen angegebenen Jahr folgt, vermarktet und verkauft werden dürfen. Eine solche von der Kommission gerügte Befristung der Vermarktung und des Verkaufs von Zigarettenpackungen ist somit, wie die Generalanwältin in Nr. 56 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, nicht Folge der Verwendung von Steuerzeichen, sondern hängt nur insoweit mit dieser zusammen, als auf das dort genannte Jahr verwiesen wird. Der Zeitpunkt der Überführung der Zigaretten in den steuerrechtlich freien Verkehr könnte auch auf einem anderen Träger als dem Steuerzeichen angegeben sein.

96Da sich die vorliegende Vertragsverletzungsklage nur auf Art. 27 Buchst. a der Durchführungsverordnung Nr. 1295/2007 bezieht, kann dessen Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht somit nicht anhand von Art. 39 der Richtlinie 2008/118 beurteilt werden.

97Die zweite Rüge greift daher nicht durch.

98Nach alledem ist der Klage nur insoweit stattzugeben, als die streitige Maßnahme auch dann gilt, wenn keine Erhöhung des Verbrauchsteuersatzes vorliegt, die in dem Jahr Wirkung erlangt, das dem auf dem Steuerzeichen angegebenen Jahr folgt, und ist die Klage im Übrigen abzuweisen.

99Unter diesen Umständen hat die Portugiesische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118/EG und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen, dass sie vorgesehen hat, dass Zigaretten, die in einem bestimmten Wirtschaftsjahr in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt worden sind, nach Ablauf der in Art. 27 Buchst. a der Durchführungsverordnung Nr. 1295/2007 vorgesehenen Frist auch dann nicht mehr öffentlich vermarktet oder verkauft werden dürfen, wenn der Verbrauchsteuersatz bezüglich dieser Waren mit Wirkung für das Folgejahr nicht erhöht wird.

Kosten

100Nach Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs trägt jede Partei im Fall teilweisen Obsiegens und teilweisen Unterliegens ihre eigenen Kosten, es sei denn, der Gerichtshof hält es in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls für gerechtfertigt, dass eine Partei außer ihren eigenen Kosten einen Teil der Kosten der Gegenpartei trägt.

101Im vorliegenden Fall haben die Kommission und die Portugiesische Republik jeweils beantragt, die Gegenpartei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Portugiesische Republik im Rahmen der Vertragsverletzungsklage nur zu einem Teil unterliegt, ist die Kommission zur Tragung der Hälfte der diesem Staat entstandenen Kosten zu verurteilen.

102Nach Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Portugiesische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG sowie aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen, dass sie vorgesehen hat, dass Zigaretten, die in einem bestimmten Wirtschaftsjahr in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt worden sind, nach Ablauf der in Art. 27 Buchst. a der Portaria n.° 1295/2007 do Ministério das Finanças e da Administração Pública (Durchführungsverordnung Nr. 1295/2007 des Ministeriums für Finanzen und öffentliche Verwaltung) vom in der auf die vorliegende Klage anwendbaren Fassung vorgesehenen Frist auch dann nicht mehr öffentlich vermarktet oder verkauft werden dürfen, wenn der Verbrauchsteuersatz bezüglich dieser Waren mit Wirkung für das Folgejahr nicht erhöht wird.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Portugiesische Republik trägt die Hälfte ihrer eigenen Kosten.

4. Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten und wird verurteilt, die Hälfte der Kosten zu tragen, die der Portugiesischen Republik entstanden sind.

5. Das Königreich Belgien, die Republik Estland und die Republik Polen tragen jeweils ihre eigenen Kosten.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:EU:C:2017:504

Fundstelle(n):
VAAAG-53715