BFH Beschluss v. - VI B 175/00

Gründe

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) bezog für seine Tochter (T) bis Juli 1999 Kindergeld. Nachdem die Mutter der T mit Antrag vom das Kindergeld mit der Begründung für sich forderte, sie habe sich vom Antragsteller am getrennt und die T lebe seither in ihrem Haushalt, hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung dem Antragsteller gegenüber mit Bescheid vom ab April 1998 auf und forderte das für April 1998 bis Juli 1999 bezahlte Kindergeld zurück.

Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage trug der Antragsteller vor, er habe mit seiner Frau und der T bis zum zusammengelebt. Danach sei er in eine andere Wohnung gezogen. Seine Frau sei mit dem Kind kurzfristig zu ihrer Mutter gegangen. Beide seien nach wenigen Wochen aber in seine Wohnung gekommen und dort 3 Monate verblieben. Anschließend seien sie wieder zu der Mutter seiner Frau gegangen, hätten gelegentlich aber mehrwöchig bei ihm gelebt. Außerdem habe er das Kindergeld an seine Frau weitergegeben. Danach könne eine alleinige Berechtigung seiner Ehefrau nicht angenommen werden. Einigten sich die Berechtigten nicht, habe nicht die Familienkasse, sondern das Vormundschaftsgericht die Bezugsberechtigung zu bestimmen.

Den mit der Klageschrift gestellten Antrag, ihm Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen, wies das Finanzgericht (FG) mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung ab. Nach § 64 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) werde bei mehreren Berechtigten Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen habe (Obhutsprinzip, , BFH/NV 1999, 723). Das gelte insbesondere, wenn sich die Eltern trennten und das Kind anschließend nur bei einem Berechtigten im Haushalt lebe.

Der Vortrag des Antragstellers, die T habe auch nach der Trennung —zumindest zeitweise— weiterhin in einem gemeinsamen Haushalt der Eltern gelebt, sei weder in zeitlicher, noch in räumlicher Hinsicht schlüssig. Zum Beispiel würden keine Angaben zur Größe und Belegenheit (Entfernung voneinander) der von den Beteiligten genutzten (alten und neuen) Wohnungen gemacht. Ebenso fehlten genaue Zeitangaben dazu, wann und unter welchen Umständen die verschiedenen Wohnungswechsel stattgefunden hätten. Außerdem lasse der Vortrag des Antragstellers nicht erkennen, inwieweit die Kindesmutter den nach der Trennung begründeten eigenen Haushalt wieder aufgegeben habe. Die allgemein gehaltenen Darstellungen des Antragstellers deuteten vielmehr darauf hin, dass mit der Trennung zwei selbständige Haushalte begründet und auch beibehalten worden seien, mit der Folge, dass insbesondere das Kind während des Streitzeitraums nicht mehr dauerhaft im Haushalt des Antragstellers, sondern in dem daneben bestehenden Haushalt der Kindsmutter gelebt habe. Diese habe dadurch, dass sie die T nach der Trennung entweder bei sich behalten oder in einen anderen Haushalt mitgenommen habe, sowohl materiell durch Versorgung als auch immateriell durch Übernahme der Erziehung, Beaufsichtigung und Pflege des damals erst sechs bzw. sieben Jahre alten Kindes den Hauptteil der kindbedingten Belastungen getragen. Der Vortrag des Antragstellers lasse auch nicht den Schluss zu, dass das Kind nur vorübergehend anderweitig (nämlich im Haushalt der Mutter bzw. der Großmutter) untergebracht gewesen sei. Im Streitfall müsse man vielmehr umgekehrt von einer durch Versöhnungsversuche der Eltern unterbrochenen Trennung ausgehen. Jedenfalls handele es sich nicht um eine mit einem Krankenhausaufenthalt, einer Schul- oder Berufsausbildung usw. vergleichbaren bloßen Unterbrechung, bei der eine Rückkehr in den Haushalt des Berechtigten mit aller Wahrscheinlichkeit erfolgen werde.

Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides werde auch nicht durch die Behauptung des Antragstellers berührt, er habe das Kindergeld an die Mutter der T weitergegeben. Gleiches gelte für die Tatsache, dass die Familienkasse unter bestimmten Voraussetzungen im Billigkeitswege von einer Rückforderung der Zahlungen Abstand nehmen könne.

Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein PKH-Begehren weiter. Er trägt vor, er habe im April 1998 einvernehmlich nicht endgültig, sondern für eine vorübergehende Zeit eine räumliche Trennung in der Absicht vorgenommen, die Ehe zu retten. Seine Frau sei daraufhin mit der T zu der ca. 10 Kilometer entfernten Wohnung ihrer Eltern gezogen. Der Lebensmittelpunkt der T habe sich aber auch in dieser Zeit in seiner Wohnung befunden. Später sei seine Frau mit der T wegen Auseinandersetzungen mit ihren Eltern, aber auch auf Grund des Einvernehmens der Ehepartner, für ca. 3 Monate zu ihm gezogen. Erst zum Oktober 1998 habe seine Frau ca. 200 m von seiner Wohnung entfernt eine eigene Wohnung gemietet, wobei auch zu diesem Zeitpunkt noch keine endgültige Trennung beabsichtigt gewesen sei. Während dieser Zeit habe die T, ermöglicht durch die räumliche Nähe, ihren Lebensmittelpunkt ebenfalls in seinem Haus gehabt. Erst im Juli 1999 habe man sich auf eine endgültige Trennung geeinigt und das —noch anhängige— Scheidungsverfahren betrieben, weshalb seine Frau auch erst dann Kindergeld für sich beantragt habe. Es sei unter den Eheleuten vereinbart worden, dass er Kindergeld als Berechtigter beziehen solle, solange seine Frau keinen eigenen Kindergeldantrag stelle.

Die Familienkasse hat von einer Äußerung abgesehen.

Die Beschwerde führt zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Das FG hat zu Unrecht hinreichende Erfolgsaussichten der Klage verneint (§ 142 Abs. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO— i.V.m. § 114 der ZivilprozessordnungZPO—). Jedoch bedürfen die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers noch näherer Prüfung.

Hinreichende Erfolgsaussichten sind bereits dann zu bejahen, wenn es bei der Hauptsache um schwierige Fragen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht geht, über die im PKH-Verfahren eine abschließende Beurteilung nicht möglich ist und wenn die Einwände des Antragstellers nicht von vornherein aussichtslos erscheinen (, BFH/NV 2000, 1325, m.w.N.). So verhält es sich im Streitfall.

Zunächst ist nicht auszuschließen, dass die Ehefrau des Antragstellers, wie er behauptet, erst zum ausgezogen ist, zumal eine Stellungnahme der Ehefrau selbst hierzu nicht vorliegt. Dem bei den Kindergeldakten befindlichen Aktenvermerk über die Vorsprache der Ehefrau ist nur zu entnehmen, sie lebe seit dem von ihrem Mann dauernd getrennt. Äußerungen über die Wohnverhältnisse sind dort nicht wiedergegeben. Des Weiteren ist nicht auszuschließen, dass während der vom Antragsteller unwidersprochen vorgetragenen zwischenzeitlichen Rückkehr von Ehefrau und Tochter das Kind in seinem Haushalt, möglicherweise auch einem gemeinsamen Haushalt der Eltern, aufgenommen war. Aber auch für die übrige Zeit ist in tatsächlicher Hinsicht noch zu klären, wo sich die Ehefrau und die T wie lange aufgehalten haben und ob die noch festzustellenden Umstände (Wohnverhältnisse, Häufigkeit des Aufenthalts der T beim Antragsteller) den Schluss zulassen, dass die T weiterhin in seinem Haushalt aufgenommen war. Außerdem ist in rechtlicher Hinsicht bisher noch nicht abschließend entschieden, welche Bedeutung dem Umstand zukommt, dass —den Vortrag des Antragstellers als wahr unterstellt— der andere Ehegatte die bisherige Familienwohnung mit dem Kind nicht endgültig verlässt, sondern, ohne eine eigene Wohnung anzumieten, vorübergehend zu seinen Eltern zieht.

Die Sache wird an das FG zurückverwiesen, damit dieses klärt, ob der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens wird —für den Fall der Erfolglosigkeit (vgl. , BFH/NV 1999, 1209)— dem FG übertragen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 1253 Nr. 10
WAAAA-67222