Schriftliches Verfahren: Erneute Zustimmung der Parteien zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach Ablauf der Entscheidungsfrist
Leitsatz
Kann die Frist des § 128 Abs. 2 Satz 3 ZPO zunächst nicht eingehalten werden, kann das Gericht erneut die Zustimmung beider Parteien zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren einholen und auf dieser Grundlage gemäß § 128 Abs. 2 Satz 1 ZPO erkennen (Anschluss an Senatsurteil vom , XI ZR 457/10, WM 2012, 312 Rn. 34).
Gesetze: § 128 Abs 2 S 1 ZPO, § 128 Abs 2 S 3 ZPO
Instanzenzug: Az: 6 U 148/14 Urteilvorgehend Az: 21 O 690/13
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Rechtsfolgen des Widerrufs eines Verbraucherdarlehensvertrags.
2Die Parteien schlossen am einen Darlehensvertrag über ein Darlehen in Höhe von 580.000 €. Der Sollzins war für zehn Jahre festgeschrieben und betrug 3,6% p.a. Der effektive Jahreszins belief sich auf 3,66% p.a. Zur Sicherung der Ansprüche der Beklagten dienten Grundschulden. Der Kläger erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von insgesamt 577.500 €. Unter dem , der Beklagten am selben Tag zugegangen, widerrief er seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung. Anschließend erbrachte er bis zum weitere Leistungen an die Beklagte in Höhe von 52.500 €, aus denen die Beklagte Nutzungen in Höhe von 919,20 € zog.
3Der Kläger hat zunächst Klage mit dem Antrag erhoben festzustellen, dass "der Darlehensvertrag […] durch Widerrufserklärung […] beendet worden" sei. Nachdem ihn das Landgericht im Termin zur mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, es hege Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit des Antrags, ist der Kläger zur Leistungsklage übergegangen. Seiner Klage zuletzt auf Zahlung eines angeblichen Saldos zu seinen Gunsten aus dem Rückgewährschuldverhältnis in Höhe von 31.227,97 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem , auf Zahlung von 52.500 € und auf Zahlung weiterer 919,20 € hat das Landgericht in Höhe von 483,16 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem entsprochen. Die weitergehende Klage hat das Landgericht abgewiesen. Gegen die Entscheidung des Landgerichts haben der Kläger Berufung und die Beklagte Anschlussberufung eingelegt.
4Der Vorsitzende des zuständigen Senats des Berufungsgerichts hat mit Verfügung vom , ausgefertigt am , die Parteien um Zustimmung zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren gebeten. Der Kläger hat am und die Beklagte am zugestimmt. Das Berufungsgericht hat mit Beschluss vom das schriftliche Verfahren angeordnet, Schriftsatzfrist bis zum gesetzt und Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den bestimmt. Mit Verfügung vom hat der Vorsitzende den Termin zur Verkündung einer Entscheidung aus dienstlichen Gründen auf den verlegt. Zugleich hat er die Parteien gebeten, erneut ihre Zustimmung zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren zu erklären. Der Kläger hat am und die Beklagte hat am zugestimmt. Das Berufungsgericht hat daraufhin mit Beschluss vom , ausgefertigt auf den , erneut das schriftliche Verfahren angeordnet, Schriftsatzfrist bis zum gesetzt und den Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den verlegt. Den Verkündungstermin hat der Vorsitzende mit Verfügung vom aus dienstlichen Gründen nochmals auf den verlegt.
5Mit der am verkündeten Entscheidung hat das Berufungsgericht die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt hat, soweit das Landgericht die Klage abgewiesen hat, zurückgewiesen. Auf die Anschlussberufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage vollständig abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit der er zunächst auf der Basis von von der Beklagten mutmaßlich gezogenen Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz begehrt hat, die Beklagte zur Zahlung von 31.006,52 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem sowie zur Zahlung weiterer 52.500 € und 919,20 € zu verurteilen. Zuletzt hat der Kläger im Revisionsverfahren eine Abänderung der vorinstanzlichen Entscheidungen nur noch mit dem Ziel verfolgt, die Beklagte zur Zahlung von 31.921,43 € zu verurteilen.
Gründe
6Die Revision des Klägers hat Erfolg.
I.
7Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung (ZIP 2015, 2211) - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - ausgeführt:
8Die Beklagte schulde dem Kläger Herausgabe mutmaßlich gezogener Nutzungen nur auf die vom Kläger erbrachten Zins-, nicht auch auf die Tilgungsleistungen, die nicht im Zuge des Rückgewährschuldverhältnisses zu erstatten seien. Bei Immobiliardarlehensverträgen sei widerleglich lediglich zu vermuten, dass die Beklagte auf empfangene Zinsleistungen Nutzungen in Höhe von zweieinhalb Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, nicht aber von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gezogen habe. Diese rechtliche Bewertung zugrunde gelegt sei nach Aufrechnung der wechselseitigen Ansprüche nicht die Beklagte dem Kläger, sondern der Kläger der Beklagten zur Zahlung verpflichtet. Deshalb sei die Klage in Gänze abzuweisen.
II.
9Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
101. Keinen Erfolg hat allerdings die Verfahrensrüge der Revision, mit der sie geltend macht, das Berufungsgericht habe entgegen § 128 Abs. 2 Satz 3 ZPO mehr als drei Monate nach Zustimmung der Parteien im schriftlichen Verfahren ein Urteil gefällt. Wie der Senat bereits entschieden hat (Senatsurteil vom - XI ZR 457/10, WM 2012, 312 Rn. 34), kann das Gericht dann, wenn die Frist des § 128 Abs. 2 Satz 3 ZPO zunächst nicht eingehalten werden kann, erneut die Zustimmung beider Parteien zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren einholen und auf dieser Grundlage gemäß § 128 Abs. 2 Satz 1 ZPO erkennen. So ist das Berufungsgericht verfahren.
112. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht indessen, wie die Revision zu Recht geltend macht, unterstellt, der Kläger habe nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum geltenden Fassung (künftig: aF) in Verbindung mit § 346 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB keinen Anspruch auf Rückgewähr der von ihm auf den Darlehensvertrag erbrachten Tilgungsleistungen und daher auch keinen Anspruch aus § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB aF in Verbindung mit § 346 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB auf Herausgabe der mittels dieser Tilgungsleistungen mutmaßlich gezogenen Nutzungen. Zu dem Umfang der sich aus dem Rückgewährschuldverhältnis ergebenden Pflichten, die die Rückgewähr empfangener Tilgungsleistungen mit einschließen, hat der Senat mit Beschluss vom (XI ZR 366/15, WM 2016, 454 Rn. 12 ff., 18 ff.) umfänglich Stellung genommen und sich eingehend mit den für und wider diese Ansicht vorgetragenen Argumenten befasst. Gesichtspunkte, die dem Senat Anlass gäben, von seiner dort niedergelegten Auffassung abzugehen, zeigt die Revision nicht auf (vgl. auch , BGHZ 211, 123 Rn. 50 und vom - XI ZR 573/15, WM 2017, 1004 Rn. 27).
123. Aufgrund des vorgenannten Rechtsfehlers hat das Berufungsgericht dem Kläger eine Forderung gegen die Beklagte in Höhe von 31.921,43 € aberkannt, die dem Kläger tatsächlich zusteht.
13Der Kläger hat an die Beklagte vor Zugang des Widerrufs Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 577.500 € erbracht. Der Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen - gerechnet mit zweieinhalb Prozentpunkten über dem Basiszinssatz - auf diese Zins- und Tilgungsleistungen beläuft sich auf 67.306,81 €. Der Kläger hat nach Zugang des Widerrufs weitere 52.500 € geleistet, die von der Beklagten zu erstatten sind (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB). Die Beklagte hat daraus nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien in der Revisionsinstanz Nutzungen in Höhe von 919,20 € gezogen. Daraus ergibt sich ein Gesamtanspruch des Klägers in Höhe von 698.226,01 €. Abzüglich der vom Kläger gemäß § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB aF in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB geschuldeten Leistung von 580.000 € (Darlehensvaluta) und 86.304,58 € (Nutzungsersatz in Höhe des Vertragszinses) beläuft sich die restliche Forderung des Klägers nach Aufrechnung noch auf 31.921,43 €.
III.
14Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben, soweit es über die vom Kläger nicht weiter verfolgte Zinsforderung hinaus auf die Anschlussberufung der Beklagten die Klage in Höhe von 483,16 € abgewiesen und die Berufung des Klägers in Höhe weiterer 31.438,27 € zurückgewiesen hat (§ 562 ZPO). In diesem Umfang ist die Beklagte zur Zahlung verpflichtet (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:040717UXIZR470.15.0
Fundstelle(n):
WM 2017 S. 1705 Nr. 35
EAAAG-53404